CDU vor den Landtagswahlen Merz unter Handlungsdruck
Das Ziel für die CDU bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen ist klar: regieren. Nur was bedeutet das Attentat in Solingen für die Ergebnisse? Eine wichtige Frage, auch für Parteichef Merz.
Die Bilder wirkten wie von Journalisten bestellt: CDU-Chef Merz, vor eineinhalb Wochen zu Gast in der Lausitz, schreitet zwar verschwitzt aber überaus agil an der Spitze eines Trosses den Löbauer Berg hinauf. Die Metapher-Vielfalt scheint unendlich: "Merz macht Tempo", "Der CDU-Chef will an die Spitze", "Die CDU auf dem langen Weg nach oben".
Wenn man also in dem Tenor bleiben will, lief es bis dahin, im wahrsten Sinne des Wortes, ganz gut für Merz im Landtagswahlkampf. Die CDU in Sachsen liegt laut jüngstem ARD-DeutschlandTrend knapp vor der AfD. In Thüringen landet die AfD zwar deutlich vor der CDU, allerdings ist, zumindest rechnerisch, eine Koalition mit BSW und SPD machbar.
Welchen Einfluss hat Solingen?
Klar, Themen wie Waffenlieferungen und US-Raketenstationierung machen es der CDU etwas schwerer. Denn der Osten tickt vielerorts anders als die Bundesspitze der Partei. Doch dank der Strategie, zu diesen Fragen zunächst zu schweigen, scheint diesem Problem erst einmal begegnet und eine gute Strecke im Wahlkampf ohne große Stolperer zurückgelegt.
Doch dann kommt es plötzlich noch einmal anders. Es ist Freitagabend: Solingen. Messeranschlag. Deutschland hält den Atem an und auch Friedrich Merz muss in sich gehen: Wie macht er nun weiter?
Der Tatverdächtige ist ein 26-jähriger Syrer, der längst hätte abgeschoben werden sollen. Die Frage, die sowohl bei den Wahlkämpfern im Osten als auch in Parteizentralen in Berlin gestellt wird: Welchen Einfluss hat das Attentat auf die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen, wo Migration sowieso ein Reizthema ist?
Man kann den Ärger herauslesen
Die AfD versucht, die Tat nur wenige Stunden danach für sich zu instrumentalisieren. Der Thüringer Landesverband wirbt mit dem Slogan: "Höcke oder Solingen". Der Druck auf die anderen Parteien, ebenfalls zu reagieren, ist groß.
Das wird auch CDU-Chef Merz bewusst gewesen sein, als er zur Tastatur greift und seine sonntägliche "MerzMail" unter der Überschrift "Es reicht!" verfasste. Wer einen Eindruck von der Person Friedrich Merz bekommen will, für den könnte dieser Newsletter hilfreich sein. Denn Merz schreibt alle Texte eigenständig, jede Woche zu einem anderen, meist aktuellen Thema, das er selbst auswählt.
Am Sonntag kann man ihn fast herauslesen, den Ärger des CDU-Chefs auf den Kanzler. Es ist eine Aufforderung an Scholz, etwas in der Migrationsfrage zu unternehmen. Dem Bundeskanzler entgleite das eigene Land, will Merz Scholz bei ihrem Treffen wenige Tage später im Kanzleramt ins Gesicht gesagt haben.
Im Osten kommt der harte Migrationskurs gut an
Einige von Merz' Forderungen gehen sehr weit, die Umsetzung ist fraglich, zum Beispiel ein sofortiger Aufnahmestopp von Syrern und Afghanen. Die Botschaft vor allem in Richtung Ostdeutschland ist klar: Schaut her, die CDU handelt! Die Zeiten von "Wir schaffen das" sind vorbei. Denn bei all der Unzufriedenheit mit der Ampel hört man bei den Wahlkampfständen im Osten auch immer wieder: Die CDU habe es damals, 2015, mitverantwortet.
Die Merkel-Jahre hängen der Partei nach. Merz, von dem bekannt ist, dass er mit der Ex-Kanzlerin wenig anfangen kann, tut sich mit ihrem Erbe schwer. Ein möglicher Migrationspakt, der auf Druck der Union zustande gekommen ist, wäre eine gute Gelegenheit für Merz, sich von Merkel abzugrenzen.
Bei den Wahlkämpfern im Osten kommt Merz' harter Migrationskurs schon mal gut an. Da die "MerzMail" nicht abgesprochen war, musste sich der Parteivorsitzende den Segen des Präsidiums nachträglich bei einer Sondersitzung vergangenen Sonntagabend abholen. Dort gab es keinen Widerspruch, im Gegenteil. Die Erleichterung, vor allem bei der CDU im Osten, dürfte groß gewesen sein, dass der Parteichef einen Kurs vorgibt.
Merz' Zukunft könnte vom Ergebnis abhängen
Für Friedrich Merz sind die Abstimmungen in Sachsen, Thüringen und wenige Wochen später in Brandenburg nicht irgendwelche Wahlen. Von ihnen könnten seine weiteren Zukunftspläne abhängen. Vor fast genau einem Jahr hatte CSU-Chef Markus Söder im ARD-Sommerinterview klar gemacht, dass er die Frage des Unions-Kanzlerkandidaten erst nach den Landtagswahlen im Osten beantworten will. Zuvor war offiziell immer die Rede vom Spätsommer 2024 gewesen.
In der Union werteten das einige als Versuch Söders, Merz den Weg zum Spitzenkandidaten zu erschweren und sich selbst im Rennen zu lassen. Denn die Wahlen in Ostdeutschland mit einer starken AfD galten schon zu diesem Zeitpunkt als herausfordernd, etwas, worüber ein CDU-Chef möglicherweise noch stolpern könnte, so wie vor vier Jahren Annegret Kramp-Karrenbauer.
Nun war es aber in den vergangenen Monaten so, dass Merz seine Position als CDU-Chef weiter festigte. Egal, mit wem man in der Union spricht, die einhellige Meinung ist derzeit: Wenn Merz es will, wird er Kanzlerkandidat. Doch was passiert, wenn die Landtagswahlen doch nicht so laufen wie erwartet und die AfD wegen des Solingen-Anschlags profitiert und noch weiter zulegt?
Die größten Fragezeichen gibt es in Thüringen
Das Ziel, dass das Konrad-Adenauer-Haus ausgerufen hat, ist nach den Wahlen künftig in zwei der drei Ländern den Ministerpräsidenten zu stellen. In Sachsen dürfte die Position Michael Kretschmer sicher sein. In Brandenburg hat es der CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann gegen den Amtsinhaber von der SPD, Dietmar Woidke, schwer und die größten Fragezeichen gibt es in Thüringen.
Denn noch steht die Antwort darauf aus, ob CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt eine Koalition nicht nur rechnerisch, sondern auch tatsächlich eine Koalition bilden könnte. Die AfD ist auf keine Option. Grüne und FDP drohen aus dem Landtag zu fliegen. Mit der SPD wird es wohl nicht für eine Mehrheit reichen, bleiben also noch BSW und Linkspartei.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht schien lange der wahrscheinlichste Partner für die CDU. In der Migrationspolitik zum Beispiel teilen sie einige Positionen. Nun erschwert BWS-Chefin Wagenknecht aber eine Zusammenarbeit. Sie will, dass ein Ende der Waffenlieferung an die Ukraine und ein Nein zur Stationierung von US-Raketen in einem künftigen Koalitionsvertrag stehen. Zwei Forderungen, die mit Landespolitik nichts zu tun haben und für die Bundes-CDU eigentlich untragbar sind.
Wie hält die CDU es mit der Linken?
Die Gretchenfrage könnte also werden: Wie hältst du es mit der Linken? Der bisherige Thüringer Landeschef Bodo Ramelow hat sich und seine Partei für Gespräche angeboten.
Nur hat die CDU einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linkspartei, das heißt: Sie schließt jegliche Zusammenarbeit aus. Eigentlich. Denn CSU-Chef Söder sieht das offenbar nicht ganz so dogmatisch. Er würde den CDU-Landesverbänden freie Hand lassen, auch was die Linke angeht.
CDU und Linkspartei? Das wäre mit den CDU-Westverbänden wohl kaum machbar und würden Parteichef in eine Bredouille bringen. Aber das wäre möglicherweise genau im Sinne von CSU-Chef Markus Söder.