Parteitag der Linken Risiko als einzige Chance
Positionen, die bei Wählern gerade nicht sonderlich populär sind, und Parteilose statt Politprofis als Kandidaten bei der Europawahl - die Strategie der Linken ist voller Risiken. Doch eine andere Option hat sie nicht.
Die Linke setzt auf Risiko. Es bleibt ihr kaum etwas anderes übrig bei diesem ersten Parteitag nach dem Weggang des Wagenknecht-Lagers, auch um sich abzusetzen. Die Position der Partei zum Thema Migrationspolitik: riskant. Gegen den Trend plädiert sie für faire Asylverfahren und lehnt das Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ab.
Mut zu unpopulären Haltungen
Denn linke Werte wie Solidarität über Grenzen hinweg oder Hilfe für Entrechtete gehören zum Wesenskern der Partei, und das schon lange. Jetzt sind sie zum Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Parteienlandschaft geworden. Nur populär sind sie aktuell nicht, schon gar nicht im Osten. Sahra Wagenknecht und ihre Anhänger haben das verstanden. Sie sind gegen offene Grenzen. Soll die Linke es Wagenknecht nachmachen? Wohl kaum.
Ein weiteres Risiko ist die Strategie der Partei sich weiterhin für alle möglichen Bewegungen zu öffnen. Motto: eine Linke für alle. Gemeint sind Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, Umweltschützer, Streikende, Tagebaublockierer. Doch die Bewegten dieser Republik sind meistens in der Minderheit.
Parteilose Kandidaten haben kaum Zeit für Fehler
Und auch die Idee mit Parteilosen statt mit Politprofis bei der Europawahl um Stimmen zu kämpfen, ist riskant. Zum Beispiel an Platz zwei: Carola Rackete, die Ökologin und Klimaschützerin, die als Seenotretterin bekannt geworden ist. Sie hat sich bereits mit einem vorschnellen Urteil über die SED-Vergangenheit der Linken vergaloppiert.
Auch Gerhard Trabert, der Sozialmediziner und Armenarzt, ist zwar populär, aber ein Mitglied der Linken ist er nicht. Er und Rackete sollen die Wähler überzeugen eine Partei zu wählen, in die sie selber nicht eintreten wollen. Sie müssen die Linke, die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln der Partei und des Politikbetriebs, schnell kennenlernen. Ganz ohne Fehler wird das nicht gehen. Kann die Linke sich das leisten?
Chance, aber auch großes Risiko
Immerhin hat die Partei die vergifteten Diskussionen, die es mit Wagenknecht gab, hinter sich gelassen. Jetzt streitet sie zwar noch, weil das zur politischen Kultur gehört, aber sie einigt sich am Ende. Die Lähmung durch den ewigen Streit, sie ist vorbei. Die Erleichterung groß. Die Linke hat eine Chance. Aber sie geht auch große Risiken ein. Es bleibt ihr nichts anderes übrig.