Klingbeil zu Mützenich-Rede "Gezielte Missinterpretation"
Äußerungen von SPD-Fraktionschef Mützenich zum Ukraine-Krieg sorgten für heftige Kritik - auch in der Koalition. SPD-Chef Klingbeil nahm Mützenich in Schutz und sprach bei Caren Miosga von einer "gezielten Missinterpretation".
Der Anlass für den Besuch von SPD-Chef Lars Klingbeil bei Caren Miosga hätte kaum aktueller sein können. Am vergangenen Donnerstag hatte der Fraktionschef der SPD, Rolf Mützenich, mit einer Rede im Bundestag für Aufsehen gesorgt. Im Plenum hatte er von einem "Einfrieren" des Ukraine-Kriegs gesprochen und anschließenden Friedensverhandlungen mit Russland. Die Kritik von Opposition und Ampel-Politikern an Kanzler Olaf Scholz bezeichnete Mützenich als "bösartig".
Für seine Wortwahl war der SPD-Fraktionschef mehrfach kritisiert worden - auch aus den Ampel-Parteien heraus. Außenministerin Annalena Baerbock saß während der Rede sichtlich genervt auf der Regierungsbank und schüttelte energisch den Kopf. Grüne und FDP verweigerten Mützenich den Applaus bei seiner Rede.
Kritik von Nouripour im Bericht aus Berlin
Auch Grünen-Chef Omid Nouripour fand am Sonntagabend in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin deutliche Worte. Die Haltung Mützenichs hätte nichts mit dem Parteitagsbeschluss der SPD zu tun: "Es ist nicht die Politik dieser Koalition."
Weiter erklärte Nouripour: "Die Sozialdemokraten, vor allem auch Lars Klingbeil, der Parteivorsitzende, haben in den letzten zwei Jahren sehr viel dafür getan, um die falsche Russlandpolitik der letzten Jahre auch wieder einzusammeln und zu aktualisieren." Nun herrsche dort Gesprächsbedarf.
Klingbeil: "Gezielte Missinterpretation dieser Rede"
Klingbeil selbst sagte am Sonntagabend in der ARD-Talksendung Caren Miosga: "Ich finde, die Rede von Rolf Mützenich auf diese Passage zu reduzieren, ist eine gezielte Missinterpretation dieser Rede." Es handle sich um eine "wahnsinnig umstrittene Situation", in der sich die Ampel-Regierung befinde, so der Parteichef. Mützenich habe lediglich eine berechtigte Frage gestellt und sei auch nicht allein mit seiner Haltung: Letztlich würde auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Friedensverhandlungen fordern, so Klingbeil.
Selenskyj fordert in der Tat Friedensverhandlungen, aber als Grundlage für Gespräche nennt er gleichzeitig den Abzug der russischen Armee aus den besetzten Gebieten in der Ukraine. Das ist komplett entgegensetzt zur Idee, den Konflikt "einzufrieren", wie es Rolf Mützenich gefordert hatte. Ein "Einfrieren" würde den aktuellen Status Quo, also die Beibehaltung der durch die russische Armee besetzten Gebiete, bedeuten.
Klingbeil: Kein Zweifel an welcher Seite die SPD steht
Den Vorwurf, die Sozialdemokraten würden dem Land im Verteidigungskrieg die Unterstützung versagen, wies Klingbeil scharf von sich: "Nichts von dem, was Rolf Mützenich sagt und wofür die SPD steht, deutet darauf hin, dass wir über die Köpfe der Ukrainer entscheiden", so Klingbeil weiter. Es gebe keinen Zweifel in der Ukraine, an welcher Seite die SPD stehe, das würden die bisherigen Waffenlieferungen und die finanzielle Unterstützung zeigen.
Zum Machtwort des Kanzlers in Sachen "Taurus"-Lieferungen erklärte Klingbeil: "Am Ende trägt Olaf Scholz die Verantwortung für die politische Entscheidung." Wenn der Kanzler entscheide, eine Lieferung von "Taurus" sei eine zu große Gefahr für die Bundesrepublik, dann habe man das zu akzeptieren. "Ich finde, dass man respektvoll mit dieser Entscheidung umgehen sollte."
Klingbeil verteidigt Rentenkonzept der Ampel
In der anschließenden Runde diskutierten SPD-Chef Klingbeil, Journalistin Helene Bubrowski, die stellvertretende Chefredakteurin von "Table.Briefings", und Ökonom Moritz Schularick, der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, über die wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik und das geplante Rentenpaket.
Das neue Konzept der Ampel-Regierung sieht vor allem die Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent vor. Weiter umfasst es die Einführung einer Aktienrente unter dem Namen "Generationenkapital" und die Begrenzung der Rentenbeitragserhöhungen.
"Ein Tropfen auf den heißen Stein"
Ökonom Schularick kritisierte das Konzept: "Das Generationenkapital ist grundsätzlich eine gute Idee. Aber es ist ein Tropfen auf den heißen Stein." Ihm zufolge stehe es aktuell schlecht um die deutsche Wirtschaft und entsprechend auch die Sicherheit der Renten. Die angedachten Korrekturen seien unzureichend.
Klingbeil ließ die Kritik nicht gelten. Es werde in den vergangenen Wochen respektlos von den Plänen der Ampel geredet, dabei würde sie viele soziale Projekte umsetzen, wie den Mindestlohn: "Die beste Rentenpolitik ist eine vernünftige Lohnpolitik. Deswegen setzt die SPD sich dafür ein."
"Ganz bittere Debatten"
Dies sei dieselbe Antwort, die der Kanzler gebe, so die Journalistin Bubrowski. Früher wären sechs berufstätige Beitragszahler auf einen Rentner gekommen, nun sei das nicht mehr der Fall: "Ich glaube, wenn ich in Rente gehe, wird es mein armer Sohn sein, der für mich sorgen muss."
Die SPD könne laut Bubrowski das stabile Rentenniveau nicht versprechen, da sie den demografischen Wandel nicht im Alleingang aufhalten könne. Die Partei müsse daher das Rentenniveau senken, um das System zukunftsfest zu machen. "Das sind ganz bittere Debatten", so Bubrowski, aber diese müssten geführt werden.
Auf die Probleme des Sozialstaats angesprochen erklärte SPD-Chef Klingbeil: "Wir müssen über die Schuldenbremse nachdenken, so, dass mehr investiert werden kann in diesem Land." Am Sozialstaat zu sparen, lehne er hingegen ab.