Justitia
FAQ

Infektionsschutzgesetz Was darf der Bund?

Stand: 13.04.2021 19:09 Uhr

Die Corona-Maßnahmen sollen einheitlicher werden. Dafür muss das Infektionsschutzgesetz reformiert werden. Doch was darf der Bund eigentlich regeln? Welche Rolle werden Gerichte spielen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Darf der Bund Corona-Regeln erlassen?

Ja, darf er. Denn die Gesetzgebungskompetenz für den Infektionsschutz liegt beim Bund. Gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nr. 19 sind die "Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten" Sache des Bundes. Nur wenn der Bund nichts geregelt hat, sind die Länder zuständig. Bisher hatte der Bund einen gewissen Rahmen festgelegt, dann aber die Länder dazu ermächtigt, konkret zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ergriffen werden sollen. Deshalb sind die Corona-Regeln bislang vor allem von den Bundesländern per Rechtsverordnung erlassen worden. Das soll sich nun aber ändern.

Könnte der Bund noch mehr Corona-Regeln festlegen?

Ja. Der Bundestag könnte weitere konkrete Maßnahmen direkt im Infektionsschutzgesetz festschreiben. Geplant ist aber auch, dass das Infektionsschutzgesetz künftig auch der Bundesregierung erlaubt, per Rechtsverordnung weitere Maßnahmen für ganz Deutschland zu treffen. Per Rechtsverordnung können Corona-Maßnahmen etwas schneller und flexibler angepasst werden als in einem Gesetzgebungsverfahren.

Bundeseinheitliche Corona-Notbremse vom Bund: Kabinett billigt Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes

Tom Schneider, ARD Berlin, tagesschau 20:00 Uhr

Inwieweit muss der Bundesrat an der Reform beteiligt werden?

Über den Bundesrat werden die Länder am Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene beteiligt. Es gibt Gesetze, denen muss der Bundesrat zustimmen, damit sie in Kraft treten. Gegen die Mehrzahl der Gesetze kann die Länderkammer aber nur einen Einspruch einlegen. Dann muss ein Vermittlungsausschuss einberufen werden. Auf diesem Weg kann ein Gesetzgebungsverfahren zumindest verzögert werden. Beim Infektionsschutz ist nach dem Grundgesetz eine Zustimmung des Bundesrats nicht erforderlich.

Die Bundesregierung geht auch davon aus, dass das aktuelle Gesetz lediglich ein "Einspruchsgesetz" ist. Allerdings ist umstritten, was gilt, wenn der Infektionsschutz zum Beispiel zusammentrifft mit dem Thema Bildung, zum Beispiel bei Schulschließungen. Denn für Bildung sind die Länder zuständig. Und bei früheren Änderungen wurde das Infektionsschutzgesetz auch als Zustimmungsgesetz angesehen.

Ist eine Ausgangssperre rechtlich zulässig?

Ob Ausgangssperren verhältnismäßig sind, ist sehr umstritten. Kritiker bezweifeln, dass solche Beschränkungen überhaupt geeignet sind, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Wer nachts allein einen Spaziergang mache, riskiere dabei keine Infektionen. Allerdings geht es bei den Ausgangsbeschränkungen eher darum, unzulässige private Treffen zu verhindern. Wer um 21 Uhr zu Hause sein muss, trifft sich vielleicht gar nicht erst zum Abendessen mit einer Gruppe Freunden.

In der Vergangenheit gab es bereits in einigen Bundesländern vergleichbare Ausgangsbeschränkungen. Teilweise wurden sie von den Gerichten gekippt. Dabei haben manche Gerichte auch die Wirksamkeit von Ausgangsbeschränkungen in Frage gestellt. In anderen Fällen wurden Ausgangsbeschränkungen aber auch deshalb gekippt, weil die Sieben-Tage-Inzidenz damals niedrig war und weiter sank. Allerdings hat der Gesetzgeber auch einen gewissen Einschätzungsspielraum. Die Bundesregierung verweist in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf Erfahrungen in anderen Staaten und wissenschaftliche Studien. Es kann gut sein, dass die aktuell geplante Regelung letztlich beim Bundesverfassungsgericht landen wird.

Wer kann diese neuen Regeln kippen?

Kippen kann die geplanten gesetzlichen Regeln nur das Bundesverfassungsgericht. Die Corona-Verordnungen der Bundesländer können dagegen vor den Verwaltungsgerichten angegriffen werden. Sollte es Rechtsverordnungen des Bundes geben, sieht die Sache etwas komplizierter aus. Man könnte auch in diesen Fällen zunächst vor den Verwaltungsgerichten klagen. Direkt eine Verfassungsbeschwerde zu erheben, könnte zwar auch zulässig sein. Allerdings sind die Hürden hoch.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 13. April 2021 um 11:00 Uhr.