Frühere Gestapo-Zentrale Das Hotel des Schreckens
Das NS-Regime hat Zehntausende Homosexuelle verhaftet, gefoltert und ermordet. In Stuttgart steht das "Hotel Silber" für das Grauen. In der Nazi-Zeit war hier die Gestapo-Zentrale, heute ist es ein Erinnerungsort.
"Verhaftung, Überwachung, Denunziation": Wer vor dem "Hotel Silber" mitten in der Stuttgarter Innenstadt steht, dem fallen sofort diese Worte ins Auge. Sie zieren die Fassade des historischen Gebäudes und sind eine Mahnung. Denn das Haus hat eine lange Geschichte. Ursprünglich als Hotel gebaut, beherbergte es ab 1928 das Polizeipräsidium Stuttgart und die Politische Landespolizei - und ab 1936 die Geheime Staatspolizei, die Gestapo.
"Es war eine Behörde", erklärt Friedemann Rincke, der Kurator des heutigen "Erinnerungsortes Hotel Silber". "Sie erkennen das noch heute an der Raumstruktur: ein langer Flur mit kleinen Zimmern rechts und links. Da saßen die Sachbearbeiter." Und entschieden über Leben und Tod.
Tausende wurden hier während der NS-Zeit verhaftet, verhört und gefoltert. Auch viele Männer wegen Verstößen gegen den Paragraf 175, dem "Schwulen-Paragrafen". Einer von ihnen ist Albert Fendel, 1904 geboren. 1940 wurde er in Stuttgart in "polizeiliche Vorbeugungshaft" genommen und anschließend ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Weil er einen Mann liebte.
Terrorinstrumente des Nationalsozialismus
Eine Zellentür im Ausstellungsraum des "Hotel Silber" lässt erahnen, wie es Gefangenen wie Albert Fendel nach ihrer Verhaftung ergangen sein muss. Die Tür ist über und über mit Namen, Zahlen und Symbolen übersät, eingeritzt von den Gefangenen in der Hoffnung, eine Spur zu hinterlassen, nicht ganz zu verschwinden.
"Die politische Polizei und die Gestapo waren eines der ganz zentralen Macht- und Terrorinstrumente des Nationalsozialismus, sodass von diesem Ort für Zehntausende Menschen furchtbares Leid ausging, bis zu Misshandlungen hier am Ort", sagt Rincke. "Im Keller gab es einige Zellen, von denen wir viele Berichte haben - von Misshandlungen bis hin zu Morden kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges durch Beamte der Gestapo."
Kriminalisierung begann viel früher
Dabei begann die Kriminalisierung Homosexueller schon viel früher. 1872 trat Paragraf 175 in Kraft, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Doch ab 1933, unter den Nazis, bekam die Verfolgung Homosexueller eine neue Qualität, berichtet Albert Knoll, Archivar der KZ-Gedenkstätte Dachau und Autor des Buches "Der Rosa-Winkel-Gedenkstein".
"Auf jeden Fall gab es ab 1933 eine enorme Verfolgungssteigerung. Im Deutschen Reich sind etwa 1000 Menschen pro Jahr nach Paragraf 175 verurteilt worden - und danach geht es explosionsartig in die Höhe", so Knoll. "Der nationalsozialistische Staat wollte natürlich auch nationalsozialistische Menschen und der homosexuelle Mann passte da nicht hinein."
Diskriminiert im Konzentrationslager
Insgesamt geht die Forschung von 50.000 bis 65.000 Männern aus, die während der NS-Zeit verfolgt wurden. Und auch die Qualität der Verfolgung war während der Nazi-Herrschaft eine andere, denn viele von ihnen wurden in Konzentrationslager deportiert - wo sie oft auch weiterhin wegen ihrer Sexualität diskriminiert wurden, sagt Knoll.
"Nach der Einlieferung im Konzentrationslager wurden die Homosexuellen, die auch an dem rosa Winkel, den sie tragen mussten, erkennbar waren, gezwungen, sexuelle Praktiken zu nennen, wegen derer sie verhaftet wurden, sodass sie vor ihren Mithäftlingen bloßgestellt wurden", so Knoll. "So war von vornherein klar, dass die Gruppe der Homosexuellen ausgegrenzt wurde, denn es existierten ja auch unter den Mithäftlingen viele Vorurteile."
Insgesamt geht die Forschung von 10.000 bis 15.000 Männern aus, die wegen ihrer Homosexualität in Konzentrationslagern inhaftiert waren. Doch auch nach dem Ende der NS-Herrschaft mussten sie lange auf Anerkennung oder gar Wiedergutmachung warten. Während sexuelle Handlungen zwischen Männern in der DDR bereits ab den 1950er-Jahren nicht mehr geahndet wurden, wurde der Paragraf 175 in der BRD erst 1969 reformiert und abgeschwächt.
Verfolgung dauerte an
Endgültig abgeschafft wurde er dort sogar erst 1994 - nach der Wiedervereinigung. "Erst mit der Abschaffung des Paragrafen 175 Anfang der 1990er-Jahre konnte mit der Aufarbeitung richtig begonnen werden, wurden etwa NS-Urteile für nichtig erklärt", sagt "Hotel Silber"-Kurator Friedemann Rincke. "Erst Jahre später, 2017, wurde dann die Möglichkeit geschaffen, dass auch Entschädigungen von betroffenen noch lebenden Homosexuellen beantragt werden können."
1945, nach dem Ende der NS-Herrschaft, wurde die Gestapo-Zentrale aufgelöst. Doch das "Hotel Silber" blieb ein Ort des Schreckens für Homosexuelle, die von den danach dort ansässigen Polizeibehörden weiterhin verfolgt und verhaftet wurden. Ganz im Sinne des Gesetzes, so Rincke: "Es ist überhaupt nicht als Verfolgung wahrgenommen worden, sondern als ganz normale polizeiliche Maßnahme. Homosexualität galt als Verbrechen, ganz einfach."
Umso wichtiger sei das heutige Gedenken im Bundestag, sagt Rincke: "Weil wir hier über eine Gruppe von Menschen sprechen, die jahrzehntelang nicht nur marginalisiert wurde, sondern die ja weiter verfolgt worden ist."