Kritik an Spahns Rentenvorstoß "Ideologisch", "ungenießbar", "soziale Kälte"
Der Vorschlag aus der CDU zur Abschaffung der Rente mit 63 sorgt für viel Kritik. Bundesarbeitsminister Heil wirft der Partei "ideologische Debatten" vor. Widerspruch kommt auch von den Grünen.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil lehnt den Vorstoß aus der CDU zur Abschaffung der Rente mit 63 ab. Die Äußerungen gingen "an der Lebenswirklichkeit vieler fleißiger Menschen vorbei", sagte der SPD-Politiker dem "Tagesspiegel". Rentenkürzungen von Menschen, die früh anfingen zu arbeiten und lange einzahlten, seien leistungsfeindlich und unfair.
Heil: Flexible Übergänge in den Ruhestand
Heil verwies darauf, dass die Erwerbsbeteiligung Älterer in den vergangenen 20 Jahren stark gestiegen sei. "Diesen Trend unterstützen wir mit mehr Gesundheitsprävention und Weiterbildung." Seit diesem Jahr gebe es keine Zuverdienstgrenzen mehr für Menschen, die in den vorgezogenen Ruhestand gegangen seien. Dies werde einen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten, so der SPD-Politiker weiter.
Bei Handwerkern und Pflegekräften müsse man auf flexible Übergänge in den Ruhestand setzen "und darf weder über Rente mit 70 noch über Rentenkürzungen fabulieren", sagte Heil in Richtung Union. Es wäre wünschenswert, wenn CDU und CSU sich wieder stärker mit dem Lebensalltag hart arbeitender Menschen als mit ideologischen Debatten beschäftigen würden, fügte er hinzu.
Mast: "neoliberale und unsoziale CDU" ist zurück
Kritik kommt auch von der Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD im Bundestag, Katja Mast. "Respekt vor Krankenschwestern, Müllmännern, Schichtarbeiterinnen und Handwerkern sieht anders aus", sagte sie den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.
"Die neoliberale und unsoziale CDU ist wieder da und zeigt ihr wahres Gesicht", fügte sie hinzu. "Die CDU setzt den nächsten sozialpolitisch ungenießbaren Vorschlag in die Welt: Erst die Überlegungen zur Rente mit 72, jetzt die sofortige Abschaffung der Rente mit 63", kritisierte die SPD-Politikerin.
Lang: "Soziale Kälte"
Auch die Grünen wiesen den Vorschlag zurück. "Wer, wie Jens Spahn, die Rente mit 63 abschaffen will, setzt nicht auf Flexibilität, sondern auf soziale Kälte", sagte Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang der Nachrichtenagentur dpa. Eine Abschaffung helfe nicht bei der Fachkräftesicherung, "sondern würde für viele langjährig Versicherte in körperlich belastenden Berufen faktisch zu einer Rentenkürzung führen", sagte sie weiter.
Die Rente ab 63 sei auch eine Würdigung der Lebensleistung derer, die das Land am Laufen hielten, sagte Lang weiter. Notwendig seien kluge Antworten auf den Arbeits- und Fachkräftemangel. Auch eine höhere Erwerbsbeteiligung älterer Menschen könne einen Beitrag leisten, so die Grünen-Politikerin. Auch Linke, FDP, AfD und Gewerkschaften kritisierten die Forderung.
Spahn für Abschaffung der Rente mit 63
Unions-Fraktionsvize Jens Spahn hatte am Wochenende angesichts des Fachkräftemangels die Abschaffung der Rente mit 63 für langjährig Versicherte vorgeschlagen. Diese koste Wohlstand, belaste künftige Generationen und setze die falschen Anreize. "Sie sollte sofort abgeschafft und durch eine bessere Erwerbsminderungsrente ersetzt werden", sagte der CDU-Politiker der "Bild am Sonntag". Zwei Millionen Fachkräfte, die früher in Rente gegangen seien, fehlten nun, so Spahn.
In der CDU wurden zudem in den vergangenen Wochen wiederholt Überlegungen für eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters laut - etwa, den Rentenbeginn an die Lebenserwartung zu koppeln. CDU-Vize Carsten Linnemann hatte vergangene Woche in der Sendung "Markus Lanz" Überlegungen in der Partei bekräftigt, wonach das Renteneintrittsalter künftig um vier Monate steigen soll, wenn die Lebenserwartung um ein Jahr steigt. Auf die Frage, ob das Renteneintrittsalter dann nicht auf 70 oder 72 Jahre steigen würde, hatte Linnemann geantwortet: "Natürlich kommen Sie dann irgendwann dahin." Ansonsten wäre das Sozialsystem nicht mehr finanzierbar.
Die CDU erarbeitet derzeit ein neues Grundsatzprogramm.
Rente mit 63 nicht für alle
Die aktuelle Regelung war 2014 von der damaligen Großen Koalition eingeführt worden und zielt auf besonders langjährig Versicherte, die mindestens 45 Jahre lang Beiträge eingezahlt haben. Vor 1953 Geborene konnten ohne Abschläge mit 63 in Rente gehen. Für Jüngere, die bis 1963 geboren wurden, steigt diese Altersgrenze schrittweise an. Ab dem Geburtenjahrgang 1964 gibt es eine abschlagsfreie Rente erst wieder ab 65 Jahren. Dann soll auch die Regelaltersgrenze von 67 Jahren gelten.
Langfristig ist das sogenannte tatsächliche Renteneintrittsalter nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung deutlich gestiegen. Es lag demnach im Jahr 2000 noch bei 62,3 Jahren. 2022 betrug es bereits 64,4 Jahre, so ein Sprecher der Behörde.