Bundesverfassungsgericht Mini-Löhne für Häftlinge sind nicht rechtens
Zwei Häftlinge wollten nicht hinnehmen, dass ihre Arbeit im Gefängnis mit rund zwei Euro pro Stunde vergütet wird. Vor dem Bundesverfassungsgericht bekamen sie nun Recht: Die bisherigen Regelungen seien nicht verfassungsgemäß.
Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger für Gefangene sind verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht gab zwei arbeitenden Häftlingen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen Recht, die gegen die Höhe ihrer Vergütung geklagt hatten. Aber wie hoch genau der Lohn in den Gefängniswerkstätten in Zukunft sein soll, das geben die Richterinnen und Richter nicht vor. Das müsse der Gesetzgeber entscheiden.
Die Bundesländer müssen die entsprechenden Gesetze bis spätestens Ende Juni 2025 neu regeln, sagte die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König, in Karlsruhe. Sie sollen dabei auch ausdrücklich festlegen und benennen, welche Leistungen die Gefangenen neben dem konkreten Lohn noch bekommen, zum Beispiel Beiträge zur Arbeitslosenversicherung oder Gesundheitsleistungen. Ein unterm Strich deutlich höherer Stundenlohn für Gefangene ist damit noch nicht sicher.
Seit rund 20 Jahren hat sich nichts mehr geändert
In den meisten Bundesländern - auch in Bayern und Nordrhein-Westfalen - gilt für Strafgefangene eine Arbeitspflicht. Sie soll der Resozialisierung dienen. Deshalb gilt für die Gefangenen auch kein Mindestlohn. 2020 verdienten sie laut König etwa zwischen 1,37 Euro und 2,30 Euro pro Stunde. Gefangene arbeiten in Deutschland an verschiedenen Stellen: in Eigenbetrieben der Justizvollzugsanstalten, für externe Unternehmen oder auch direkt in den Haftanstalten, wo sie einfachere Tätigkeiten wie Wäsche waschen und Putzen übernehmen. Die Länder stellen in Sachen Strafvollzug jeweils ihre eigenen Regeln auf.
Bis zur Föderalismusreform 2006 war der Justizvollzug noch bundesweit einheitlich geregelt. Über die Höhe der Gefangenenvergütung hatten die Verfassungsrichterinnen und -richter in Karlsruhe schon einmal geurteilt. 1998 hatten sie beanstandet, dass sie zu niedrig sei. Danach wurde die Berechnungsgrundlage von fünf auf neun Prozent des durchschnittlichen Arbeitsentgelts von allen gesetzlich Rentenversicherten angehoben. Seit rund 20 Jahren hat sich daran nichts mehr geändert.
Sprecher: System ist Ausbeutung
Vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte die Gefangenengewerkschaft mehr Geld für die Betroffenen gefordert. Das aktuelle System sei "Ausbeutung", sagte der Sprecher der Gefangenengewerkschaft (GGBO), Manuel Matzke, dem Bayerischen Rundfunk. Damit werde nur vermittelt, dass sich ehrliche Arbeit nicht auszahle, kritisierte er. Häftlinge sollten stattdessen den Mindestlohn bekommen. Über Steuern sollten sie gleichzeitig an den hohen Haftkosten beteiligt werden. Derzeit nutze die Wirtschaft die Gefängnisse als "Sonderwirtschaftszone".
(AZ: 2 BvR 166/16 und 2 BvR 1683/17)
Mit Informationen von Gigi Deppe, ARD-Rechtsredaktion Karlsruhe