Grüne in der Krise Eine Partei rutscht ab
Die Wahl in Brandenburg ist die vierte hintereinander, bei der die Grünen Stimmen verloren haben. Im Bund verharren sie bei elf Prozent. Was ist passiert und wie will die Partei aus diesem Schlamassel wieder herauskommen?
Omid Nouripour war anzusehen, dass dieser Tag nach der Wahl für ihn und seine Partei hart ist. Der Grünen-Chef wirkt übermüdet, als er vor die Presse tritt, seine Stimme ist brüchig. "Es war eine sehr deutliche Niederlage für meine Partei. Und es ist enttäuschend für alle, die in diesem Wahlkampf wirklich alles gegeben haben. In einem sehr, sehr harten Wahlkampf."
Ein Wahlkampf, in dem der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke von der SPD die Wähler aufgerufen hatte, ihm ihre Stimme zu geben, um gegen die AfD anzukommen. Dieser Effekt hat aus Sicht von Grünen-Chef Nouripour auch seine Partei kräftig Prozentpunkte gekostet - nicht etwa die politische Arbeit der Grünen.
Schuld sind für ihn vor allem die anderen, die äußeren Umstände. Nouripour hält es daher nicht für nötig, die Politik der Grünen zu ändern. "Wenn es Blockieren ist, was uns ja permanent nachgesagt wird, dass wir einfach Dinge nicht mitmachen wollen, die den Binnenmarkt zerstören, die Europäische Union zersägen und unseren Wohlstand gefährden, dann sei es so."
"Es hat mit unserer Sprache zu tun"
Cem Özdemir analysiert die Lage anders. Der Bundeslandwirtschaftsminister und ehemaliger Grünen-Chef gibt der Partei durchaus eine Schuld an der Situation. "Es hat ein bisschen was mit unserer Sprache zu tun, das hat etwas damit zu tun, dass wir wahrgenommen werden als eine Partei, die sich vor allem um die Großstädte kümmert", so Özdemir. "Indem man die Hände in den Schoß legt, wird sich nichts ändern. Das heißt jetzt wirklich: Ernsthafte Kurskorrekturen."
Konkret fordert Özdemir, dass die Grünen in der Sicherheits- und in der Migrationspolitik von den Menschen als Teil der Lösung gesehen werden. Gerade von jungen Wählern, die den Grünen in Brandenburg davongelaufen sind. Unter den 16- bis 24-Jährigen verlor die Partei ganze 21 Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl 2019. Co-Parteichefin Ricarda Lang sagt noch am Wahlabend: "Wir Grüne im Bund und im Land müssen näher ran an die Lebensrealität der Menschen im Osten."
Verlust des Markenkerns
Die Grünen haben ein inhaltliches Problem. Sie verlieren mehr und mehr ihren Markenkern und damit auch Zustimmung ihrer Stammwähler. In den vergangenen knapp drei Jahren Ampelkoalition mussten sie schmerzhaften Kompromissen zustimmen: Waffen in ein Kriegsgebiet, Milliarden für die Bundeswehr, Flüssiggas als Energiequelle, längere Laufzeit für Atomkraftwerke.
Für das grüne Urthema Klimaschutz blieb nicht viel Raum. Parteichef Nouripour sagt daher: Er würde niemandem raten, in diese Koalition noch viele Emotionen zu stecken. "Der große Feng-Shui-Moment wird wohl nicht mehr kommen. Und das glaubt mir auch niemand mehr, wenn ich das sage. Und dementsprechend: Wir machen unsere Arbeit, versuchen das Land nach vorne zu bringen. Doch das ist es auch dann."
Genervtheit und Frustration herrschen bei den Grünen anscheinend vor. Klimaproteste und eine innovative Umweltpolitik treffen nicht mehr den Puls der Zeit - wofür die Grünen mit Schuld tragen. Zum Beispiel das Gezerre rund um das Heizungsgesetz. Die Partei ist für viele zum Sündenbock für vieles geworden, was gerade nicht funktioniert. Und Sündenböcke gewinnen keine Wahlen.