Grünes Ja zum AKW-Reservebetrieb Mit schwerem Herzen und großer Mehrheit
Die Grünen tragen einen vorübergehenden Reservebetrieb der beiden süddeutschen Atommeiler mit. Dies beschloss am späten Abend der Parteitag in Bonn. Trotz großer Mehrheit gibt es großen Unmut über die Entscheidung.
Klima-Aktivisten demonstrieren, nicht vor der Zentrale von RWE, sondern - ausgerechnet - vor dem Eingang zum Parteitag der Grünen.
Weil ich sehr enttäuscht von der Politik der Grünen bin. Ich engagiere mich seit Jahren in der Umweltpolitik. Und es ist sehr enttäuschend, dass die Grünen jetzt so eingeknickt sind.
Sie wollen nicht zulassen, dass in NRW noch ein Dorf abgebaggert wird für die Braunkohle, und dass sogar zwei Atomkraftwerke im Süden erst mal weiterlaufen. Das ist auch innerhalb der Grünen durchaus umstritten. Und so sagt Co-Chefin Ricarda Lang:
Es gibt Demonstrationen, es gibt Proteste da draußen. Und ich finde das gut. Denn es zeigt doch: Wir Grüne, wir halten Kritik aus, wir gehen in Diskussionen mit denen, die Dinge anders sehen.
Sorge vor dem Ausstieg vom Ausstieg
Zum Beispiel - jetzt drinnen im Saal - mit Karl-Wilhelm Koch, einem der Verfechter der reinen grünen Lehre. Alle Atomkraftwerke zum Jahresende abschalten. Keine Verlängerung, auch nicht für ein paar Monate: "Ausstieg aus dem Ausstieg - nicht schon wieder. Es bleibt beim 31.12., wir Grüne stehen zu unserem Wort. Und es gibt keinen Zwang, das zu ändern."
Vielleicht doch, findet Robert Habeck. Wenn im Winter alles zusammenkommt. Kein Wind, keine Sonne, kein Gas aus Russland, kein Atomstrom in Frankreich. Im äußersten Notfall - so heißt es im Antrag des Grünen Bundesvorstands, könne eine zeitlich begrenzte Einsatzreserve vertretbar sein.
Werbung für die "Zumutung"
Habeck kämpft an zwei Fronten. Zum einen wirbt er dafür, diesen Streckbetrieb im Notfall zuzulassen. Zum anderen verspricht er, dass er Christian Lindner oder der Union nicht noch weiter entgegenkommt.
Geht doch zurück zur Atomkraft? Das ist falsch. Und das wird auf keinen Fall mit uns passieren. Nicht mit der Bundesregierung, nicht mit den Grünen in der Bundesregierung, und nicht mit Steffi und nicht mit mir.
Steffi Lemke, der grünen Umweltministerin. Die unumwunden einräumte: "Was der Bundesvorstand vorgelegt hat, das ist eine Zumutung. Und jetzt stehe ich hier vor einem grünen Bundesparteitag, und werbe für diese Zumutung."
Grüne Realpolitik
Rote Linien sollten diese Zumutung noch etwas abmildern: "Keinen einzigen Brennstab mehr, das muss unsere Maßgabe sein. Vielen Dank", und: "Der Atomausstieg ist fix. Und am 15. April ist Schluss."
Beides stand am Ende drin, im Antrag des Bundesvorstandes. Und dann stimmten die Delegierten zu. Mit schwerem Herzen. Aber mit großer Mehrheit.
Die Atomentscheidung und auch die anderen, das bricht mir wirklich das Herz. Aber wir müssen auch Politik machen, die an die Scheiß-Realität, die wir gerade haben, angepasst ist. Und das tun wir nun mal gerade.