Gesetzliche Krankenversicherung Doch keine Mehrbelastung für Gutverdiener?
SPD und Grüne erwägen, Gutverdiener in der gesetzlichen Krankenversicherung mehr zahlen zu lassen. Doch der Gegenwind von FDP und Arbeitgebern ist groß - anscheinend zu groß.
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) funktioniert im Wesentlichen nach dem Solidarprinzip: Wer mehr verdient, zahlt mehr ein, bekommt aber keine bessere Gesundheitsversorgung als jemand, der weniger einzahlt.
Diese Solidarität hat aber Grenzen - eine davon ist die Beitragsbemessungsgrenze. Sie liegt bei 4987,50 Euro im Monat. Nur auf diesen Betrag zahlen GKV-Mitglieder und deren Arbeitgeber den prozentualen Beitrag. Von dem, was jemand darüber hinaus verdient, fließt kein Geld an die Krankenkasse.
SPD und Grüne für höhere Bemessungsgrenze
SPD und Grüne können sich vorstellen, die Grenze anzuheben; Gutverdiener und deren Arbeitgeber müssten dann mehr zahlen. SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt sagte kürzlich dem "Handelsblatt", es sei kein Geheimnis, dass die Sozialdemokraten für eine Anhebung der Bemessungsgrenze der GKV seien - und zwar auf das Niveau der Bemessungsgrenze für die Rentenbeiträge. Die liegt deutlich höher: bei 7300 Euro in den westdeutschen Bundesländern und 7100 in den ostdeutschen Ländern.
Auf Gutverdiener und deren Arbeitgeber (die ja die Hälfte des GKV-Beitrags zahlen) käme also eine deutliche Mehrbelastung hinzu. Entsprechend deutlich fällt die Ablehnung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) aus. Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, eine außerordentliche Anhebung der Bemessungsgrenze komme "einer Sondersteuer auf hochqualifizierte Arbeit gleich."
BDA warnt vor Zusatzbelastung
Nach Ansicht des Verbandes dürfe es gerade jetzt "in der aktuellen Phase der wirtschaftlichen Unsicherheit […] keine zusätzlichen Belastungen durch höhere Sozialbeiträge geben." Die BDA geht davon aus, dass die Arbeitgeber von Gutverdienern durch die diskutierte Erhöhung der Bemessungsgrenze deutliche Mehrbelastungen zu schultern hätten: 2671 Euro jährlich für jeden Arbeitnehmer.
Auch bei den Krankenkassen, die durch eine Anhebung der Bemessungsgrenzen mehr Geld hätten, löst eine höhere Bemessungsgrenze keine Jubelstürme aus. GKV-Pressesprecher Florian Lanz argumentiert, auch bei einer höheren Beitragsbemessungsgrenze würde es früher oder später wieder zu Beitragserhöhungen kommen, "so lange die Kosten für die Versorgung schneller steigen als die beitragspflichtigen Einnahmen".
Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) erwarten nach abgesicherten Finanzen 2023 wieder ein Defizit im nächsten Jahr. Es sei damit zu rechnen, dass es voraussichtlich eine Lücke zwischen 3,5 Milliarden und 7 Milliarden Euro geben werde. Ohne Maßnahmen zum Gegensteuern würde daraus rechnerisch ein Anstieg beim durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 0,2 bis 0,4 Prozentpunkten resultieren. Für dieses Jahr hatte der Bundestag wegen eines sonst erwarteten Defizits von 17 Milliarden Euro eine extra Finanzspritze für die Kassen beschlossen.
Im vergangenen Jahr verbuchten die Kassen den Angaben zufolge einen Überschuss von 4,7 Milliarden Euro. Die Leistungsausgaben wuchsen um 3,8 Prozent auf 274,1 Milliarden Euro. Größter Einzelposten waren Klinikbehandlungen mit 87,5 Milliarden Euro.
FDP verweist auf Unterschiede
Ähnlich argumentiert die FDP. Deren Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus, sagte dem ARD-Hauptstadtstudio: "Einfach nur mehr Geld in das System zu pumpen, wird nicht helfen." Eine höhere Beitragsbemessungsgrenze wäre demnach eine "Zusatzsteuer auf Arbeit", und einen Vergleich mit der Bemessungsgrenze zur Rentenversicherung lässt die FDP-Politikerin nicht gelten: Die Höhe der Rente orientiere sich an der Höhe der Einzahlungen - die Leistungen der Krankenversicherung nicht.
Ein striktes Nein zu einer höheren Bemessungsgrenze also aus der FDP - das die Koalitionspartner offenbar schon vernommen haben. Für Grünen-Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink wäre eine Erhöhung der Grenze zwar eine Stärkung des Solidarprinzips, doch sie sieht "momentan wenig Bereitschaft bei unseren Koalitionspartnern, eine solche Änderung mitzutragen".
SPD inzwischen zurückhaltender
Damit meint sie wohl neben der FDP auch die SPD, deren Fraktionsvize Dagmar Schmidt ihre Äußerungen aus dem "Handelsblatt" auf ARD-Anfrage nicht wiederholen will. Fraktionskreise der Sozialdemokraten verweisen auf zurzeit laufende interne Abstimmungen - was eher danach klingt, dass man für das erwartete Finanzloch bei der Gesetzlichen Krankenversicherung eine andere Lösung sucht als eine höhere Beitragsbemessungsgrundlage.
Anm. d. Red.: In einer früheren Version lautete eine Zwischenüberschrift "Krankenkassenbeitrag so hoch wie der Rentenbeitrag?". Das war irreführend. Wir haben diese Überschrift deshalb geändert.
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