Frankfurts Oberbürgermeister Feldmanns Fehltritte
Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann ist angeklagt wegen Vorteilsannahme, nach einem Sexismusvorfall fordert nun selbst seine eigene SPD den Rückzug. Wie konnte es so weit kommen?
Wenn ein Politiker von seiner eigenen Partei zum Rücktritt aufgefordert wird, kann man wohl durchaus behaupten, dass seine Tage im Amt gezählt sind. Für den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann war dieser Zeitpunkt eigentlich am Dienstag gekommen. Nach einem peinlichen Auftritt während der Feierlichkeiten nach dem Europa-League-Sieg der Frankfurter Eintracht und nach Bekanntwerden einer sexistischen Ansprache auf dem Rückflug vom Finale in Sevilla haben auch die Frankfurter Sozialdemokraten endgültig genug von ihrem einstigen Aushängeschild.
Der Vorstand der Frankfurter SPD forderte Feldmann auf, sein Amt niederzulegen. Der vorläufige Höhepunkt eines Abstiegs, der sich in drei Worten zusammenfassen lässt: Korruptionsvorwürfe, Uneinsichtigkeit, Selbstherrlichkeit. Peter Feldmann steht allein. Dabei galt er vor einem Jahrzehnt als ein Hoffnungsträger seiner Partei.
Aufstieg eines Underdogs
Feldmanns Aufstieg ist die Geschichte eines Underdogs. Allen anfänglichen Prognosen zum Trotz gelingt es dem ehemaligen Sozialarbeiter sich zunächst im parteinternen Duell um die Oberbürgermeister-Kandidatur 2012 und später in der Stichwahl gegen den CDU-Kandidaten Boris Rhein durchzusetzen.
Feldmanns Rezept: Etwas mehr als drei Jahre nach dem großen Finanz-Crash setzt er auf ur-sozialdemokratische Themen: bezahlbarer Wohnraum, Bildung, Teilhabe - und holt damit in der Stichwahl im März 2012 insgesamt 57,4 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Das Ergebnis findet bundesweit Beachtung. CDU-Kanzlerin Angela Merkel nähert sich dem Zenit ihrer Popularität, die Grünen befinden sich ein Jahr nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Umfragehoch. In dieser für die SPD alles andere als günstigen Ausgangslage erringt ihr Oberbürgermeister-Kandidat aus der zweiten Reihe einen deutlichen Sieg, indem er alles auf die sozialpolitische Karte setzt.
Triumph als Wendepunkt
Im kommunalpolitischen Alltag muss sich das neue Stadtoberhaupt mit einem schwarz-grünen Magistrat arrangieren. Feldmann wählt den Konfrontationskurs, entzieht Dezernenten von Grünen und CDU Zuständigkeiten, übernimmt diese teils selbst. Doch nicht nur sein Führungsstil ist umstritten. Schon in der ersten Amtszeit werden Vorwürfe laut, dass sich Feldmann zu sehr in den Vordergrund dränge, es zu oft um ihn als Person statt um die Belange der Stadt gehe.
Die Angriffe des politischen Gegners verfangen in der Öffentlichkeit wenig. Feldmanns thematischer Schwerpunkt bleibt das Soziale. So gelingt es ihm, sich als der OB der sogenannten einfachen Leute zu verkaufen, der im Dauerclinch mit einem Magistrat der Besserverdiener liegt. Die Strategie geht auf. 2018 wird er in zweitem Wahlgang mit 70,8 Prozent wiedergewählt.
Der Triumph von 2018 gilt vielen Beobachtern als Wendepunkt. Irritierende Auftritte häufen sich. Und schon bald muss sich der eigentlich populäre OB mit einem Vorwurf auseinandersetzen, der deutlich schwerer wiegt als Selbstherrlichkeit: Korruption.
Verstrickungen in die AWO-Affäre
Ab Mitte 2019 kommen immer neue Details über fragwürde Gehaltszahlungen und Postenschiebereien im Frankfurter und Wiesbadener Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) ans Licht. Betroffen sind auch langjährige politische Weggefährten Feldmanns.
Im November dann deckt der Hessische Rundfunk auf, dass Feldmanns Ehefrau Zübeyde - die inzwischen von ihm getrennt lebt - als Leiterin einer Kita der AWO deutlich mehr verdient hat als in ihrer Position und mit ihrer Berufserfahrung üblich. Auch gegen Feldmann selbst werden Vorwürfe laut. Demnach soll die AWO vor seiner Wahl zum OB eigens für ihn einen einträglichen Posten geschaffen haben, den vor und nach ihm niemand inne hatte.
Feldmann versucht, den sich aufbauenden Skandal auszusitzen. Presseanfragen beantwortet er zunächst gar nicht, später nur gegenüber ausgewählten Medienvertretern. Der Oberbürgermeister spielt auf Zeit und setzt auf seine Popularität. Eine Taktik, die nicht aufgeht.
Denn in den folgenden zweieinhalb Jahren werden immer neue Vorwürfe gegen Feldmann laut. Mal soll er sich bei der Stadtverwaltung dafür eingesetzt haben, dass die AWO ein Pflegeheim zur Flüchtlingsunterkunft umwidmen kann, mal ist davon die Rede, dass AWO-Mitarbeiter Spenden für seinen Wahlkampf 2018 eingeworben haben. Feldmann beteuert seine Unschuld, entschuldigt sich, verspricht Transparenz. Doch der Draht zur Öffentlichkeit ist da längst gerissen.
Staatsanwaltschaft erhebt Anklage
Im März 2022 erhebt die Frankfurter Staatsanwaltschaft Anklage. Unter anderem wird dem Oberbürgermeister vorgeworfen, sich im Gegenzug für die eingeworbenen Wahlkampfspenden verpflichtet zu haben, die Anliegen der der AWO "wohlwollend zu berücksichtigen".
Rücktrittsforderungen aus den Reihen der Opposition hatte es bis dahin schon zahlreiche gegeben. Doch nun rückt auch die SPD von Feldmann ab. Für den Fall, dass die Anklage zugelassen wird, fordert die Partei ihn auf, sich zurückzuziehen.
Feldmann lehnt einen Rücktritt bislang ab - er will bis zum Ende seiner Amtszeit 2024 weitermachen. Er wolle aber bis zum Ende der Sommerpause auf repräsentative öffentliche Termine verzichten, sagte er jetzt vor Journalisten. Seiner Partei bot er an, die Mitgliedschaft ruhen zu lassen.