Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman
Porträt

Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman bohrt jetzt die dicken Bretter

Stand: 27.06.2023 11:26 Uhr

Als die Publizistin Ferda Ataman vor knapp einem Jahr ins Amt der Antidiskriminierungsbeauftragten wechselte, gab es viele Vorbehalte. Konnte sie die Bedenken ausräumen?

Von Eva Ellermann, ARD Berlin

Ferda Ataman ist 43 Jahre alt, geboren in Stuttgart als Tochter türkischer Eltern - und seit knapp zwölf Monaten Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. Viele Jahre hat sie als streitbare Publizistin und Journalistin darauf aufmerksam gemacht, wo die Einwanderungsgesellschaft Deutschland nicht funktioniert. Jetzt ist ihr Spektrum viel breiter. Dennoch dürfte Ataman vielen Menschen noch unbekannt sein, zumal sie in ihrem Amt bislang keine Proteststürme mehr ausgelöst hat.

Am 7. Juli 2022 wurde Ataman auf Vorschlag der grünen Familienministerin Lisa Paus im Bundestag gewählt. Trotz aller Widerstände in der Opposition hatte Paus ihre Kandidatin durchgesetzt. "Ich bin mir sicher, dass Ferda Ataman in ihrer neuen Rolle eine Stimme sein wird für alle Menschen in diesem Land, die Diskriminierung erfahren müssen", sagte Paus.

Union gegen Ataman

Die Stimmen der Union hat Ataman nicht bekommen. Sie hatte ihr die kritischen Töne nicht verziehen, die Ataman als Publizistin bisweilen in Artikeln über das Einwanderungsland Deutschland und die Diskriminierung von Migranten angeschlagen hatte. Unter anderem hatte Ataman in einem Artikel die unter Migranten abschätzig gemeinte Bezeichnung "Kartoffel" für Deutsche zitiert, ohne sie zu verurteilen. Die Union hatte ihr außerdem vorgeworfen, Diskriminierung oder Antisemitismus innerhalb von Migrantenmilieus auszublenden. Auch beim Ampelkoalitionspartner FDP gab es Bedenken gegen die Personalie.

Doch Ataman warb nach ihrer Wahl auch um ihre Gegner. "Diejenigen, die mir ihr Vertrauen noch nicht schenken konnten, möchte ich gerne mit meiner Arbeit überzeugen." Sie versprach, dass sie sich als Unabhängige Beauftragte für Antidiskriminierung für alle Menschen im Land einsetzen wolle, wenn sie Diskriminierung erfahren. Und zwar egal, ob es um Benachteiligung wegen des Alters, einer Behinderung, der Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Identität oder der Religion und Weltanschauung gehe.

Position ohne Provokation

Als Bundesbeauftragte wählt Ataman klare Worte, verzichtet aber auf Bewertungen. Persönliche Erfahrungen vermischt sie nicht mit ihrem Amt. Als sie Ende April eine aktuelle Studie zum Thema Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft vorlegt, schickt sie eine Botschaft vorweg: "Eine diskriminierungsfreie Gesellschaft gibt es nicht, in keinem Land der Welt und selbstverständlich auch nicht bei uns in Deutschland."

Die Diskriminierung wegen der Herkunft sieht Ataman selbst gar nicht mehr unbedingt als ihr Hauptthema. Sie kündigte vielmehr an, die Altersdiskriminierung in den Fokus ihrer Amtszeit rücken zu wollen. Konkret geworden ist sie da aber noch nicht.

In den vergangenen Monaten hat Ataman sich zu einer breiteren Palette von Themen geäußert - in sachlichem Ton, aber ohne Angst, politisch anzuecken. Zum Jahrestag des Anschlags in Hanau erklärte sie, dass Deutschland immer noch ein Rassismusproblem habe - und verwies dabei etwa auf die "Pascha"-Äußerung von CDU-Chef Friedrich Merz. Im Juni nannte sie die rechtsextremen Vorfälle an einer Brandenburger Schule "nur die Spitze des Eisbergs". Als die Vorfälle an Filmsets von Star-Regisseur Til Schweiger bekannt wurden, forderte sie mehr Schutz vor sexueller Belästigung in der Kultur- und Medienszene.

Kritik am Selbstbestimmungsgesetz

Aktuell fordert Ataman Änderungen am Selbstbestimmungsgesetz, das die Ampelkoalition vorgelegt hat. Aus Atamans Sicht ist zwar die Ablösung des alten "Transsexuellengesetzes" längst überfällig. Allerdings sieht sie im Begründungstext des neuen Gesetzes Formulierungen, die Vorurteile transportieren. Diese Sätze möchte sie ändern. Auch den Verweis auf das Hausrecht im neuen Gesetz hält sie für überflüssig.

Plakative oder polarisierende Einschätzungen erlaubt sich Ataman als Bundesbeauftragte nicht mehr. Sie bohrt jetzt die dicken Bretter. Etwa wenn es um das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geht: Es ist die Grundlage ihrer Arbeit, aber es schließt viele Bereiche bislang aus, in denen Diskriminierung passiert. Wer sich etwa durch Behörden, im Bildungswesen oder in den Medien diskriminiert fühlt, kann sich nicht an die Beauftragte wenden. "Das deutsche Antidiskriminierungsrecht ist im internationalen Vergleich sehr schwach aufgestellt", meint Ataman. Es lege Betroffenen Steine in den Weg, wenn sie ihre Rechte durchsetzen wollten. Sie fordert daher, dass das Gleichbehandlungsgesetz erweitert werden muss.

Fazit nach einem Jahr im Amt: Als streitbare Publizistin hat Ataman wohl mehr Debatten ausgelöst. Ihren Job als Antidiskriminierungsbeauftragte nimmt sie ernst - aber es ist stiller um sie geworden.

Eva Ellermann, ARD Berlin, tagesschau, 27.06.2023 08:25 Uhr