Ministerin Schulze Wie feministisch kann Entwicklungspolitik sein?
Ministerin Schulze setzt auf feministische Entwicklungspolitik. Auf ihrer Südamerikareise wird deutlich, was die Politikerin darunter versteht - und wie sie Frauen fördern will.
Eulalia Luango zeigt der Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze die Fotos ihrer verschwundenen Kinder. Die hochgewachsene Afrokolumbianerin ringt um Fassung. "Das ist mein verschwundener Sohn Wilmer, 14 Jahre. Und das ist Robinson, 15. Mein Mann und meine Schwester sind auch verschwunden."
Knapp 20 Jahre ist es her, dass Luangos Söhne gewaltsam von illegal bewaffneten Gruppen entführt wurden. Kolumbien blickt auf einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg zurück. Mehr als 125.000 Menschen sind nach offiziellen Angaben verschwunden. Robinson hat sie inzwischen gefunden. In einem Massengrab. Dass sie ihn begraben und einen Ort zum Trauern hat, hilft der Mutter.
Gefunden hat sie ihren ermordeten Sohn mit Hilfe einer Stiftung. Finanziert vom Bundesentwicklungsministerium. Das BMZ unterstützt den Friedensprozess in Kolumbien. Das Land ist geprägt von einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg. Trotz Friedensvertrag mit den FARC-Guerilla 2016 nimmt die Gewalt vielerorts wieder zu.
Das Leid der Mütter
Die Bundesentwicklungsministerin ist sichtlich berührt vom Leid der Mutter. "Hier in Kolumbien haben wir geholfen, den Friedensprozess voranzutreiben. Dabei helfen wir auch, dass die Opfer gefunden werden. Das ist für die Versöhnung der Gesellschaft zentral," sagt Schulze. Meistens sind es Frauen, die ihre Angehörigen suchen. Madres Buscadores - suchende Mütter - nennen sie sich. Sie berichten der Ministerin von Gewalt und Bedrohungen bei der Suche, durch Behörden, durch das Militär. "Wir Frauen sollen eingeschüchtert werden, damit wir aufhören Fragen zu stellen."
"Es gibt eine hohe Gewaltbereitschaft in Kolumbien, und die richtet sich auch gegen Frauen. Gegen Aktivistinnen, die für soziale oder Umweltthemen einstehen", sagt Schulze. "Wir wollen die Organisationen, die sich dagegenstellen, unterstützen. Wenn man Länder partnerschaftlich voranbringen will, dann geht das nicht ohne die Frauen."
Merz: "Aber nicht mit diesem Etat"
Feministische Entwicklungspolitik - das hat sich die Ampel-Koalition in ihren Vertrag geschrieben. Die Union kann damit wenig anfangen. "Sie können von mir aus feministische Außenpolitik oder feministische Entwicklungspolitik machen. Aber nicht mit diesem Etat", empörte sich CDU-Chef Friedrich Merz bei der Bundestagsdebatte über das Sondervermögen für die Bundeswehr im März. Feministische Außenpolitik sei kein Gedöns entgegnete darauf Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Auch Entwicklungsministerin Schulze kann Merz' Sichtweise nicht nachvollziehen. "Er hat einen sehr eingeschränkten Sicherheitsbegriff. Sicherheit ist nicht nur militärische Sicherheit. Sicherheit bedeutet auch, dass man menschliche Sicherheit herstellt. Und dazu gehört, dass man Frauen wahrnimmt. Die Regierung hat sich vorgenommen, einen deutlich breiteren Sicherheitsbegriff zu verwenden."
Die Arbeit von Schulzes Ministeriums orientiert sich daher am Leitsatz feministischer Entwicklungspolitik. Das heißt: Bei allen Vorhaben wird darauf geachtet, dass Geschlechterungerechtigkeiten aktiv angegangen werden und besonders Frauen, Mädchen und andere marginalisierte Gruppen gezielt gefördert und gleichberechtigt eingebunden werden. Die Hälfte der Weltbevölkerung ist weiblich. Gleichstellung ein Menschenrecht - damit wird Schulze auf der Webseite des Ministeriums zitiert.
So sollen spezielle Projekte für Frauen angeboten werden, Länder beraten werden, wie sie Frauen auch wieder Zugang zu Land geben können und welche Effekte das hat. Schulze ist zudem überzeugt: Wo Frauen Rechte haben, gibt es auch weniger Hunger. Diesen Ansatz will sie weiter verfolgen und konkrete und ambitionierte Zielvorgaben vorstellen, kündigte sie an.
Beeindruckt von der Stärke der Frauen (von links): Yaneth Bautista (Direktorin der Stiftung, Anwältin und Menschenrechtsverteidigerin), Ministerin Svenja Schulze, Eulalia Luango Rodríguez (die aus dem Text) und Marian Schuegraf (designierte Botschafterin in Bogotá)
"Sehr beeindruckt von den starken Frauen"
Fast eine Woche reist die Entwicklungsministerin durch Kolumbien und Bolivien. Und immer wieder trifft sie Frauen. In Bolivien besucht sie ein Projekt, das sich um Opfer häuslicher Gewalt kümmern. Oder auch die indigene Umweltaktivistin Ruth Alipaz Cuqui, die davon berichtet, wie viel Schäden durch illegale Goldminen entstehen. Flüsse werden beim Goldschürfen mit Quecksilber verseucht. Besonders Kinder und schwangere Frauen werden davon krank.
Für Schulze steht nach ihrer ersten Reise nach Lateinamerika fest: Das BMZ wird künftig enger mit beiden Ländern kooperieren. Und dabei vor allem Frauen stärken. "Die starken Frauen haben mich auf dieser Reise sehr beeindruckt. Besonders, wie sie für ihre Rechte kämpfen. Und ich bin froh, dass wir mit unserer Politik auch Frauen fördern."
Eulalia Luango, die Mutter aus Kolumbien, die immer noch nach ihrem verschwundenen Sohn sucht, freut sich über den Besuch aus Deutschland. Immer wieder betont sie, wie wichtig er für sie ist. Einen Wunsch hat Luango zum Abschied: "Vergessen Sie uns Frauen und vergessen sie unsere Kinder nicht."