FDP-Papier zum Koalitionsbruch In "offener Feldschlacht" in Richtung "D-Day"
Die FDP-Spitze hat einen Ausstieg aus der Regierungskoalition bis kurz vor dem Ampel-Aus detailliert durchgespielt. Das zeigt ein nun veröffentlichtes internes Dokument mit dem Titel "D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen".
Ein internes Strategiepapier der FDP-Spitze wirft neues Licht auf die Vorbereitung des Ausstiegs aus der Ampel-Koalition. In dem achtseitigen Dokument spielt die FDP den idealen Zeitpunkt des Ausstiegs sowie Medienstrategien durch.
Zunächst zitierte das Portal Table.Briefings aus dem Papier, woraufhin FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dessen Existenz bestätigte. Mittlerweile hat die FDP das Dokument mit dem Titel "D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen" - offensichtlich eine Powerpoint-Präsentation - selbst auf ihrer Website veröffentlicht. Dies solle Transparenz herstellen.
"Der Stillstand der Ampel war längst zu einer Belastung für das Land geworden", sagte Djir-Sarai. "Wir haben niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass ohne eine Wirtschaftswende ein Ende der Ampel ein möglicher Ausgang des von uns selbst genannten Herbstes der Entscheidungen sein könnte."
"Ausstieg zu Beginn der KW 45"
In dem Papier heißt es, es "könnte ein Ausstieg zu Beginn der KW 45 erfolgen". Unter dem Stichwort "der ideale Zeitpunkt" wurde demnach außerdem erwogen, den Ausstieg zur Mitte der Kalenderwoche 45 erfolgen zu lassen, allerdings habe dagegen der "ungewisse Ausgang der US-Wahl" gesprochen.
Nach der internen Analyse wäre eine Verschiebung nach hinten aber problematisch gewesen, da der Zeitpunkt des Ausstiegs dann mit den Haushaltsverhandlungen und dem Parteitag der Grünen kollidiert wäre.
Kalenderwoche 45 begann am 4. November. Der Koalitionsbruch erfolgte dann am Abend des 6. November, als Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner als Finanzminister entließ.
Planung zur Begründung gegenüber der Öffentlichkeit
Das FDP-Papier enthält Angaben zu einem "Kernnarrativ", das nach einem Ausstieg verbreitet werden müsste. Die FDP argumentiert darin mit einer notwendigen "Richtungsentscheidung". Aufgrund der fundamentalen Gegensätze zwischen Rot-Grün und FDP sei die Bundesregierung selbst "zum größten Standortrisiko" geworden.
Die Liberalen argumentierten in dem Papier weiter, dass der Stillstand nur durch Neuwahlen zu lösen sei. So wollten sie den Bruch der Ampel begründen. "Neben den Worten sind die Bilder der Verkündung entscheidend, diese müssen eine Position der Stärke, Entschlossenheit und Überzeugung ausdrücken. Die Atmosphäre muss ernsthaft, aber nicht getrieben wirken."
In einer Grafik wurde eine Ablaufpyramide illustriert, deren vierte Phase "Beginn der offenen Feldschlacht" genannt wird.
FDP spricht von "Arbeitspapier"
Die FDP bezeichnet das Dokument als "Arbeitspapier", das vom Bundesgeschäftsführer der Partei zum ersten Mal am 24. Oktober erstellt worden sei, veröffentlicht nun in der letzten Version vom 5. November.
"Dieses technische Papier ist kein Gegenstand der politischen Beratung von gewählten Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern gewesen, sondern eine rein interne Vorbereitung für das Szenario eines Ausscheidens der FDP aus der Ampel-Koalition", heißt es. "Wir haben nichts zu verbergen", schrieb die FDP in einem Eintrag bei X.
Bereits nach dem Koalitionsbruch waren Berichte laut geworden, wonach die FDP konkrete Vorbereitungen für den Ausstieg aus der Koalition mit SPD und Grünen getroffen habe. Die FDP hatte diese Berichte nicht dementiert - aber darauf hingewiesen, dass es letztlich Kanzler Scholz gewesen sei, der mit Lindners Entlassung den Bruch der Koalition bewirkt habe.
SPD empört
Auf scharfe Kritik stieß das Papier bei der SPD. "Die FDP organisiert eine 'Feldschlacht' gegen eine Regierung, der man selbst angehört", schrieb SPD-Chef Lars Klingbeil im Onlinedienst X. "Es ist gut, dass langsam alles herauskommt und die Bürger sich ein Bild machen können."
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch warf der FDP vor, mit "solch einem verantwortungslosen Handeln" das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die demokratischen Institutionen zu zerstören. "Während die Menschen von der Regierung Lösungen erwarteten, arbeitete die FDP an einem perfiden Ausstiegsszenario", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Christian Lindner und seine FDP stehen in der Verantwortung, sich bei den Menschen in diesem Land zu erklären und zu entschuldigen."
Miersch kritisierte es außerdem als "zynisch", dass die FDP für den Zeitpunkt des Ampel-Bruchs in ihrem Papier das Wort "D-Day" benutzt und den nachfolgenden Wahlkampf als "offene Feldschlacht" bezeichnet. "Die FDP-Führung hat die Verwendung dieser Begriffe stets bestritten. Sie hat somit die Öffentlichkeit offensichtlich wiederholt getäuscht", sagte Miersch.