Debatte über Fachkräfteeinwanderung CDU sieht Anreiz nur für "Minderqualifizierte"
Ein Gesetz der Ampel-Koalition soll es für Menschen aus anderen Ländern einfacher und attraktiver machen, eine Stelle in Deutschland anzunehmen. Im Bundestag wurde darüber nun erstmals debattiert - und gestritten.
Vertreter der Ampel-Koalition und der Opposition haben sich im Bundestag einen Schlagabtausch über das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz geliefert. Redner von Union und AfD warfen SPD, Grünen und FDP vor, mit dem von ihnen geplanten Gesetz würde der Zuzug der falschen Menschen befördert.
Das Gesetz ziehe lediglich "Minderqualifizierte" an, sagte der CDU-Abgeordnete Alexander Throm. Ähnlich äußerte sich sein Fraktionskollege Hermann Gröhe: "Wir wollen für die Qualifizierten, die wir brauchen, einladender werden. Sie wollen die einladen, die nicht qualifiziert sind, das ist der Unterschied."
Gerrit Huy, Arbeitsmarktpolitikerin der AfD-Fraktion, warf der Regierung davor, um "Minderqualifizierte" zu werben, weil Deutschland für Hochqualifizierte nicht mehr attraktiv sei. Der AfD-Abgeordnete Götz Frömming sagte, Deutschland sei nicht als Arbeitsplatz attraktiv, sondern als Sozialamt.
Faeser: 16 Jahre "Reformstau"
Verteter von SPD, Grünen und FDP wiesen die Vorwürfe scharf zurück. Allein mit Kräften aus dem Inland werde man den Arbeitskräftebedarf künftig nicht decken können. Deutschland brauche eine Willkommenskultur und müsse ein attraktives Land sein. Die Union versuche Zuwanderung zu verhindern und gefährde damit die Wirtschaft.
Arbeitsminister Hubertus Heil warf der Union vor, sie wolle offenbar, dass nur Akademiker und nicht auch beruflich gut qualifizierte Menschen kommen: "Wir brauchen aber helfende Hände und kluge Köpfe", betonte Heil. Weil in den kommenden Jahren die geburtenstärksten Jahrgänge in den Ruhestand gehen, müsse die Politik alles tun, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. Andernfalls drohe für 2035, dass sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen.
Grüne: Union schürt Ressentiments
Innenministerin Nancy Faeser - wie Heil von der SPD - sprach von einem Kurswechsel nach 16 Jahren "Reformstau". Der Fachkräftemangel schade Deutschland. Derzeit gebe es hohe bürokratische Hürden für ausländische Fachkräfte, die nach Deutschland kämen. Mit der Reform des bisherigen Gesetzes wolle Deutschland das modernste Einwanderungsgesetz der Welt schaffen, so Faeser.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Dröge, warf der Union vor, weiterhin Ressentiments gegen ausländische Arbeitskräfte zu schüren. Deutschland brauche aber eine Willkommenskultur, um mit anderen Ländern mithalten zu können.
Statistiker: Potenzial allenfalls noch bei Teilzeitkräften
Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes gibt es in Deutschland kaum noch Reserven, um fehlende oder demnächst ausscheidende Fachkräfte zu ersetzen. Nach jüngsten Ergebnissen des Mikro-Zensus gehen bereits 87 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 25 und 59 Jahren einer Erwerbstätigkeit nach. Bei den Männern sind es sogar 92 Prozent, während Frauen zu 83 Prozent einen bezahlten Job haben.
Potenzial sehen die Statistiker noch bei den Teilzeitbeschäftigten. Allerdings gebe es auch Menschen, die allein in einem Teilzeitjob am Erwerbsleben teilnehmen könnten.
Punkte für Deutschkenntnisse und Berufserfahrung
Mit der Novelle des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, das ursprünglich die Koalition von CDU, CSU und SPD unter Bundeskanzlerin Angela Merkel beschlossen hatte, will die Ampel-Koalition die Zuwanderung von Fachkräften deutlich erleichtern. Künftig soll es Ausländerinnen und Ausländern aus Nicht-EU-Ländern ermöglicht werden, mit einer "Chancenkarte" auf der Basis eines Punktesystems - hier zählen etwa Sprachkenntnisse oder Berufserfahrung - zur Arbeitssuche nach Deutschland zu kommen.
Fachkräfte mit Berufsabschluss und -erfahrung können kommen, ohne dass sie vorher ihren Abschluss von Deutschland anerkennen lassen müssen. Das sollen sie nachholen können. Für Ausländerinnen und Ausländer mit einem von Deutschland anerkannten Abschluss werden die Hürden gesenkt, etwa das vorgeschriebene Mindestgehalt.
Der Bundestag beriet den Gesetzentwurf am Donnerstag in erster Lesung. Danach wird er in den Ausschüssen beraten, bevor er zur abschließenden Abstimmung erneut ins Plenum des Parlaments kommt. Die Regelungen sollen frühestens zum 1. Dezember in Kraft treten. Für Menschen aus anderen EU-Staaten ist das Gesetz nicht relevant. Für sie gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit - sie können ihren Arbeitsplatz innerhalb der EU frei wählen.