Fahrgäste strömen an einem Gleis im Tiefbahnhof des Frankfurter Hauptbahnhofs in eine S-Bahn
Überblick

"Deutschlandticket" Wo das 49-Euro-Ticket keine 49 Euro kostet

Stand: 14.03.2023 09:21 Uhr

Das 49-Euro-Ticket sollte so einfach werden wie das 9-Euro-Ticket. Doch nun kommt es anders. Das Ticket wird nicht für jeden 49 Euro kosten. Vielerorts sind Vergünstigungen und unterschiedliche Regelungen geplant. Ein Überblick.

Von (Quelle: dpa, epd, Reuters)

Die Ausgangslage

Nach langem Ringen um die Finanzierung haben sich Bund und Länder auf einen Nachfolger des erfolgreichen 9-Euro-Tickets geeinigt. Zum 1. Mai soll der Fahrschein für Busse und Bahnen bundesweit angeboten werden. Mit dem Verkauf soll es ab dem 3. April losgehen. Die einen sprechen vom "Deutschlandticket", andere vom 49-Euro-Ticket, denn das ist der Preis, auf den sich Bund und Länder geeinigt haben. So weit, so einfach.

Doch weil Nahverkehr Ländersache ist und jedes Bundesland eigene Vorstellungen hat, läuft es - mal wieder - auf einen Flickenteppich hinaus. Die Bundesländer gehen unterschiedliche Wege, um vergünstigte Varianten des geplanten "Deutschlandtickets" anzubieten, etwa für junge Leute, Ältere oder arme Menschen. Auch bei Mitnahmeregelungen dürfte es unübersichtlich werden. Die Kosten für Vergünstigungen beim 49-Euro-Ticket müssen die Länder allein tragen.

In seiner Ursprungsform ist das Ticket nicht übertragbar, ermöglicht keine Mitnahme von anderen Personen, Fahrrädern oder Tieren und kostet zunächst 49 Euro pro Monat. Es soll nur digital als Handyticket oder als Chipkarte ausgegeben werden und monatlich kündbar sein. Auch eine offizielle "Deutschlandticket"-App ist am Start. Trotz aller Kritik von Sozialverbänden wird es kein bundesweites verbilligtes Sozialticket geben. In Planung sind nun zahlreiche länderspezifische Vergünstigungen, Ausnahmen und Zusatzregelungen. Da es in Deutschland sehr viel mehr Verkehrsverbünde als Bundesländer gibt, könnten alle paar Kilometer andere Regeln gelten. Ein Überblick:

Baden-Württemberg

Das "Deutschlandticket" soll in Baden-Württemberg in seiner ursprünglich vereinbarten Form kommen. Ermäßigte Tickets und Abonnements, die Kommunen und Verkehrsverbünde für ärmere Bevölkerungsschichten, junge Leute oder Senioren in allen Bundesländern anbieten, bleiben davon unberührt in den 19 verschiedenen Verkehrsverbünden des Landes bestehen.

Ob etwa das im März eingeführte Jugendticket für 365 Euro im Jahr mit dem "Deutschlandticket" gekoppelt werden kann, ist noch unklar. Es gebe es noch zu viele ungeklärte Faktoren, hieß es aus dem Verkehrsministerium in Stuttgart.

Eine Ausnahme gibt es beim Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS). Hier soll es ein sogenanntes TicketPlus geben, das neben Mitnahmeregelungen auch die Übertragbarkeit ermöglicht - zumindest im VVS-Bereich.

Bayern

Bayern will nach Angaben des Verkehrsministeriums ab dem Herbst eine vergünstigte Version des "Deutschlandtickets" für Studierende und Auszubildende für 29 Euro anbieten.

Berlin und Brandenburg

Beim Verkehrsverbund Berlin Brandenburg (VBB) soll es keine Vergünstigungen beim "Deutschlandticket" geben. In der Hauptstadt deutet sich aber an, dass das 29-Euro-Ticket für den Innenstadtbereich auch über das bisherige Enddatum 30. April hinaus erhalten bleibt - unabhängig von der Einführung des bundesweit gültigen "Deutschlandtickets". In Berlin verhandeln CDU und SPD derzeit über ein neues Regierungsbündnis.

Ob es im gemeinsamen Verkehrsverbund flankierende Angebote zum "Deutschlandticket" geben soll, ist noch unklar. Darüber soll aber noch gesprochen werden, heißt es aus der brandenburgischen Landesregierung.

Eine Besonderheit gibt es aber sicher: Im VBB-Verbundgebiet kann mit dem "Deutschlandticket" ein Hund unentgeltlich mitgenommen werden. 

Bremen

Das 49-Euro-Ticket kommt in der ursprünglich geplanten Form - Ausnahmen oder Vergünstigungen soll es vorerst keine geben. Ein 29-Euro-Ticket für für Schüler, Auszubildende und FSJler werde aber im Mobilitätsressort diskutiert. In Bremen gibt es bereits ein Stadtticket für 25 Euro für Bürgergeld-Empfänger.

Hamburg

Neben der Einführung des "Deutschlandtickets" für 49 Euro bietet der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) mit dem "Klimaticket" neue Ticketoptionen an. Mitarbeitende eines Unternehmens erhalten wahlweise monatlich drei Tageskarten für das HVV-Gesamtnetz ("Klimaticket S") oder ein bundesweit gültiges Monatsticket ("Klimaticket XL"). Beide Varianten werden vom Arbeitgeber bezuschusst. Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer kann frei wählen, wann welche Variante besser zu den eigenen Mobilitätsbedürfnissen passt.

Hessen

Vergünstigungen oder Ausnahmen sind beim 49-Euro-Ticket nicht vorgesehen. Hessen plant aber zusätzlich ein vergünstigtes, landesweites Nahverkehrsticket für Geringverdienende. Der "Hessenpass Mobil" für 31 Euro im Monat soll für alle Menschen gelten, die Anspruch auf Bürgergeld, Wohngeld Plus oder Sozialhilfe haben. Derzeit laufen die Gespräche mit den Verkehrsverbünden und Kommunen, wie ein Sprecher des Verkehrsministeriums mitteilte. Der "Hessenpass Mobil" würde nur in Hessen gelten. 

Mecklenburg-Vorpommern

Auch in Schwerin denkt die Landesregierung über einen ermäßigten Preis für Auszubildende und Senioren nach. Die Einführung des landesweit gültigen Seniorentickets für 365 Euro im Jahr verzögert sicher aber.

Die Stadt Stralsund will ein eigenes Ticket - für 9 Euro. Dieses Ticket in Stralsund soll im Jahres-Abo 108 Euro kosten. Nach Angaben der Stadtverwaltung sieht das Konzept vor, dass die Fahrgäste das Ticket für ein Jahr buchen und pro Monat 9 Euro zahlen. Außerdem bleibt es beim "70+ Ticket". Damit können Stralsunder, die 70 Jahre und älter sind, bis Ende 2023 die sieben Buslinien der Stadt weiterhin kostenfrei nutzen.

Niedersachsen

Die rot-grüne Landesregierung erwägt, ein geplantes landesweites 29-Euro-Ticket für Schüler, Azubis und Freiwilligendienstler als vergünstigtes "Deutschlandticket" einzuführen, also mit bundesweiter Gültigkeit.  Die Umsetzung erfolgt laut Landesregierung voraussichtlich im Jahr 2024.

In Region Hannover wird das Ticket einigen Gruppen für rund 30 Euro statt 49 Euro im Monat angeboten. Zum 1. Mai werde das Angebot zunächst für Inhaber eines Job- oder Sozialtickets eingeführt, so Regionspräsident Steffen Krach. Demnach könnten künftig Zehntausende Kunden für 365 Euro im Jahr deutschlandweit mit Bus und Bahn fahren. Ehrenamtliche, die schon heute in der Region nur 365 Euro zahlen, sollen ebenfalls auf das "Deutschlandticket" umgestellt werden.

Auch die im Sommer angekündigte Variante eines 0-Euro-Tickets für Arbeitnehmende soll kommen, nun aber mit deutschlandweiter Gültigkeit. Dafür muss der Arbeitgeber 60 Prozent des 49-Euro-Tickets bezahlen. Der Verkehrsverbund Großraum-Verkehr Hannover (GVH) übernimmt den Rest.

Geplant ist zudem ein Zusatzangebot für monatlich 4,90 Euro. Damit sollen Inhaber, die von einem bisherigen Monatsticket auf das "Deutschlandticket" wechseln, die Option zur Mitnahme weiterhin nutzen können.

Nordrhein-Westfalen

Die Landesregierung prüft derzeit, ob sie verbilligte Versionen des "Deutschlandtickets" anbieten kann. Das könnten verschiedene Tarifmodelle oder ein Zusatzticket für einzelne Personenkreise wie Studierende und Besitzer eines Sozialtickets sein, erklärte das NRW-Verkehrsministerium in Düsseldorf auf Anfrage der Nachrichtenagentur epd. Das Mitnehmen von Hunden ist in Nordrhein-Westfalen ohne Zusatzkarte möglich.

Rheinland-Pfalz

Ähnlich wie in NRW prüft auch die Landesregierung in Rheinland-Pfalz verbilligte Versionen des "Deutschlandtickets". Es sei der Landesregierung ein wichtiges Anliegen, dass etwa junge Menschen zu günstigen Preisen mit dem ÖPNV fahren können, teilte das Mobilitätsministerium in Mainz auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit. 

Saarland

Bereits im Januar kündigte das Saarland ein Junge-Leute-Ticket für Schülerinnen und Schüler, Azubis und Freiwilligendienstleistende mit Wohnsitz im Saarland an, das 30,40 Euro kosten soll. Die Differenz von 18,60 Euro will das Land übernehmen.

Das Saarland hat bereits ein landesweit gültiges FairTicket für 39 Euro. Regionale Extras wie besondere Mitfahrregelungen sind beim "Deutschlandticket" nicht vorgesehen.

Sachsen

Sachsen plant keine Vergünstigungen des "Deutschlandtickets". Deren Finanzierung aus dem Landeshaushalt sei nicht möglich. Es bleibt aber bei bisher vergünstigten Tickets für Auszubildende, Freiwilligendienstleistende und Schüler.

Beim Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) ist zudem ein regionales Zusatzticket zur Mitnahme von einem Fahrrad oder Hund und Personen für zehn Euro pro Monat in Planung. Zudem wird ein Zusatzticket für den Fernverkehr zwischen Dresden und Riesa in Aussicht gestellt.

Sachsen-Anhalt

Zusatztickets oder Vergünstigungen des 49-Euro-Tickets sind in Sachsen-Anhalt bisher nicht geplant. Allerdings ist die Fahrradmitnahme im Regionalzügen und S-Bahnen unabhängig vom Ticket ohnehin kostenlos möglich. Auch kleine Hunde in Transportboxen oder -taschen dürfen im Nahverkehr in Sachsen-Anhalt kostenfrei mitgenommen werden. 

Das Modellprojekt für ein 365-Tage-Ticket für Bus und Bahn in Teilen Sachsen-Anhalts wird vorerst zurückgestellt. 

Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein plant neben dem 49-Euro-Ticket weitere Angebote. Es werde weiterhin ein Jobticket geben und ein Angebot für Studierende gemacht, teilte das Verkehrsministerium mit. Letzteres werde es zunächst als Upgrade-Modell zum "Deutschlandticket" geben. Es werde aber ein Semesterticket auf "Deutschlandticket"-Basis angestrebt. Die technischen Details sind den Angaben zufolge noch in Abstimmung.

Darüber hinaus will Schleswig-Holstein ein ermäßigtes Ticket für die Menschen, die einen Freiwilligendienst leisten, einführen. Dafür soll laut Ministerium ein mittlerer sechsstelliger Betrag bereitgestellt werden.

Thüringen

Thüringen will das Ticket jungen Menschen mit Ausbildungs- und Wohnort im Freistaat für 28 Euro anbieten, hat aber noch keinen Beschluss gefasst. Es gibt hier bereits ein fast landesweit gültiges Ticket für Auszubildende.

Was ist mit Jobtickets?

Gemeinsam zwischen dem Bund und allen Ländern vereinbart wurde das "Deutschlandticket" als Jobticket: Wenn Arbeitgeber ihren Beschäftigten einen Zuschuss von mindestens 25 Prozent auf das 49-Euro-Ticket gewähren, können bis zum 31. Dezember 2024 zusätzlich fünf Prozent Übergangsabschlag gewährt werden. Das Ticket kostet dann also nur noch 34,30 Euro.

Was passiert mit bestehenden Abo-Verträgen?

Viele Verkehrsunternehmen und -verbünde weisen bereits darauf hin, dass Abo-Verträge mit Laufzeiten über den 1. Mai hinaus dann auf das 49-Euro-Ticket umgestellt werden können. Teils soll dies automatisch geschehen, teils müssen Fahrgäste dafür selbst aktiv werden.

Ob ein Umstieg auf das 49-Euro-Ticket sinnvoll ist, ist abhängig von der individuellen ÖPNV-Nutzung sowie den bisherigen Ticketangeboten der jeweiligen Region. Klar ist: Bisherige Abo-Preise liegen meist deutlich über 49 Euro. In ländlichen Regionen liegen sie oft sogar im dreistelligen Bereich. Besonders stark profitieren dürften Pendlerinnen und Pendler im Umland großer Städte sowie Menschen, die viel an unterschiedlichen Orten unterwegs sind.

Weniger attraktiv ist das 49-Euro-Ticket für ÖPNV-Nutzerinnen und -Nutzer, die bereits von vergünstigten Angeboten wie Sozialtickets profitieren, häufig Sonderregelungen wie Mitfahrangebote nutzen, sich mit anderen Menschen ein Ticket teilen oder an deren Wohnort die Verkehrsanbindung besonders schlecht ist. Allerdings dürfte sich das Ticket auch bei gelegentlichen, weiteren Fahrten im ländlichen Raum rasch lohnen. Durch die monatliche Kündbarkeit ist es so auch für Ausflüge oder Kurzurlaube interessant.

Uli Hauck, Uli Hauck, ARD Berlin, 12.03.2023 17:00 Uhr