Verfassungsschutz Karlsruhe schränkt Datenweitergabe ein
Der Verfassungsschutz darf viel mehr persönliche Daten sammeln als die Polizei. Für den Austausch von Informationen haben die Verfassungsrichter deshalb strenge Regeln aufgestellt. Jetzt sehen sie erneut Grund zum Eingreifen.
Welche Informationen dürfen die deutschen Geheimdienste an die Polizei weitergeben? Diese Frage stellt sich immer wieder, wenn es um die Bekämpfung von Terror, Extremismus und schweren Straftaten geht. Wichtig dabei ist ein rechtsstaatlicher Grundsatz: Die Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten in Deutschland.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war den Alliierten Siegern klar, dass die junge Bundesrepublik wieder Geheimdienste haben wird. Nach den Erfahrungen der NS-Diktatur sollte aber gelten: Deutsche Geheimdienste sollen keine Geheimpolizei sein, also "keine Polizeibefugnisse" bekommen.
So entwickelte sich das sogenannte Trennungsprinzip: auf der einen Seite die Nachrichtendienste wie der Verfassungsschutz, die bei der heimlichen Informationsbeschaffung viele Befugnisse haben, aber auf Aufklärung von Gefahren beschränkt sind; auf der anderen Seite die Polizei, die bei der täglichen Gefahrenabwehr Tatverdächtige festnehmen oder durchsuchen darf, sich dabei aber an strenge Regeln halten muss.
Im Grundsatz gilt das Trennungsprinzip
2013 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Trennungsprinzip auch für den Austausch von Informationen gilt. Die Richter stellten damals klar: Es gibt zwischen Nachrichtendiensten und Polizei ein sogenanntes "informationelles Trennungsprinzip". Datenaustausch sei nur zulässig, wenn es dafür ein "herausragendes öffentliches Interesse" gibt.
Diesen Grundsatz hat Karlsruhe heute bestätigt und einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Geklagt hatte ein Mann, der im Münchner NSU-Prozess rechtskräftig verurteilt worden war. Mit seiner Verfassungsbeschwerde hatte er Befugnisse des deutschen Inlandsgeheimdienstes für die Datenübermittlung angegriffen. Dabei handelt es sich um Befugnisse des Verfassungsschutzes, die auch wichtig sind für die gemeinsame Rechtsextremismus-Datei von Polizei und Geheimdiensten.
Neue Regeln bis Ende 2023 nötig
Die Karlsruher Richterinnen und Richter sagen nun: Ja, die Weitergabe von Verfassungsschutzinformationen an die Polizei ist möglich. Aber es gibt hohe Hürden. Zu beachten ist immer das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Polizei dürfe nicht viele persönliche Daten bekommen, die sie selbst gar nicht erheben darf. Es gebe für die Datenweitergabe eine sogenannte "Übermittlungsschwelle".
Nur wenn es etwa darum geht, besonders schwere Straftaten zu verhindern oder aufzuklären, dürfe das Trennungsprinzip durchbrochen und Geheimdienstdaten an die Polizei weitergeben werden. Und auch nur, wenn es in jedem Einzelfall eine konkrete Gefahr gebe, dass solche Straftaten gegen besonders wichtige Rechtsgüter begangen werden. Die alte Regelung des § 20 Abs. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) verweise zu pauschal auf Strafvorschriften. Bisher sei auch bei Straftaten eine Übermittlung möglich, die nicht als besonders schwere Straftaten zu qualifizieren seien.
Diese Kritikpunkte müsse der Gesetzgeber berücksichtigen und die angegriffenen Vorschriften überarbeiten. Dafür hat er nun bis Ende 2023 Zeit. Bis dahin bleiben die alten Regeln in Kraft. Die jetzige Entscheidung des Verfassungsgerichts muss bei der Auslegung aber beachtet werden.
Az. 1 BvR 2354/13