Schutzschirm gegen Energiekrise Bund und Länder können sich nicht einigen
Die Finanzierung von Milliarden-Entlastungen bei den Energiekosten bleibt zwischen Bund und Ländern umstritten. Ein mehrstündiges Treffen von Kanzler Scholz und den Länderchefs brachte keine Einigung. Immerhin eine Zusage des Bundes steht.
Wie sollen die Kosten verteilt werden, die für die Entlastungen von Bürgern und Unternehmen fällig werden, um ihnen in der Energiekrise zu helfen? Bund und Länder konnten auf diese Frage keinen Konsens finden. "Da gibt es noch Diskussionen, wie das im Einzelnen geschultert werden kann", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach den Beratungen mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten.
"Aber ich habe den Eindruck, dass wir da auf einem sehr konstruktiven Pfad unterwegs sind und uns auch miteinander über diese Aufgabe verständigen werden." Alle Teilnehmer wollten eine Lösung, die sitzt, sagt Scholz und lobte den sachlichen Ton.
Bund wird 240 Milliarden Euro schultern
Scholz rechnete vor, dass die bisherigen Entlastungspakete und das nun geplante Sondervermögen zusammen ein Volumen von 295 Milliarden Euro haben werden. "Der Bund wird davon knapp 240, 250 Milliarden Euro auf seine Kappe nehmen und finanzieren", sagte der Kanzler. Auch über die konkrete Ausgestaltung der geplanten Strom- und Gaspreisbremse wird nach seinen Angaben noch gesprochen.
Die Bundesregierung will Verbraucher und Unternehmen mit einem Maßnahmenpaket von bis zu 200 Milliarden Euro vor hohen Energiepreisen wegen des Ukraine-Kriegs schützen. Die Preise für Gas und Strom sollen gedeckelt werden. Für Firmen soll es Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen geben. Details sind aber noch offen. Die Hilfen sollen über Kredite finanziert werden.
Mehr Geld für Nahverkehr?
Die Länderchefinnen und -chefs waren mit Scholz im Bundeskanzleramt zusammengekommen. Sie berieten dort über die Kostenverteilung beim bereits beschlossenen dritten Entlastungspaket sowie den von der Ampel-Regierung geplanten 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm, der unter anderem eine Gaspreisbremse vorsieht. Daneben spielten weitere Finanzthemen eine Rolle, etwa die Frage der Übernahme der Kosten für die Versorgung von Flüchtlingen aus der Ukraine.
Bei den Beratungen ging es auch um eine Nachfolgelösung des Ende August ausgelaufenen 9-Euro-Tickets für den Nah- und Regionalverkehr. Kunden des öffentlichen Nahverkehrs haben immer noch keine Klarheit darüber, ob und ab wann es bundesweit ein Nachfolgemodell gibt. Bund und Länder konnten sich bei ihren Beratungen nicht zu Finanzierungsfragen einigen. Der Bund wies Forderungen der Länder nach generell mehr Geld für den Nahverkehr zurück.
Weil: Weiter an Einigung arbeiten
Man müsse weiter an einer Einigung arbeiten, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil, nach den Beratungen. Das 9-Euro-Ticket habe in Ballungsräumen erhebliche Erleichterungen gebracht, aber nicht in vielen ländlichen Räumen, wo es nicht so ein gutes Angebot gebe.
Weil sagte, bei den Beratungen habe es das nicht vermeidbare Problem gegeben, dass die Ausgestaltung des vom Bund angekündigten Maßnahmenpakets noch nicht feststehe. In zwei Wochen bei der nächsten Ministerpräsidenten-Konferenz solle ein qualifizierter Zwischenbericht der Bundesregierung vorliegen. "Wir hoffen, dass wir Ende des Monats, Anfang des nächsten Monats dann wirklich unter all das einen finalen Strich machen können."
Das gesamte Gesetzespaket solle dann im November oder Dezember beschlossen werden. Zu Beginn des kommenden Jahres solle niemand unruhig schlafen müssen, weil er wisse, wie die Verhältnisse seien.
Wüst: Keine Bereitschaft zum Kompromiss
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst war nach den Beratungen deutlicher. Er zeigte sich enttäuscht. Er warf der Bundesregierung jedoch vor, sie habe "kaum Kompromissbereitschaft" gezeigt. "Wir sind heute nur ganz wenige Schritte vorangekommen und noch längst nicht am Ziel."
Aus Sicht vieler Länder sei das einfach zu wenig. Die Menschen erwarteten von der Politik zurecht klare und verlässliche Lösungen, um durch die Krise zu kommen, betonte er. Er könne verstehen, wenn viele Menschen jetzt enttäuscht seien, weil sie von dem Treffen etwas Anderes erwartet hätten.
Es seien "eine ganze Menge Fragen offen", die die Bundesregierung beantworten müsse. Die Länder seien nach Ansicht von Wüst "konstruktiv und mit ausgestreckter Hand" in diese Gespräche gegangen. Diese seien bereit, Lasten mitzutragen. Es müsse aber eine faire Lastenteilung geben, hier sei der Bund am Zug, betonte der NRW-Regierungschef. Dies gelte nicht nur für die Energiekosten, sondern auch für die Aufnahme von Flüchtlingen, vor allem aus der Ukraine.
Länderchefs sind enttäuscht
Auch andere Länderchefs zogen eine ähnlich negative Bilanz wie Wüst. "Die Verhandlungen heute mit Bundeskanzler Scholz sind aus meiner Sicht eine Enttäuschung gewesen", erklärte Hessen Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther (CDU) monierte, der Bund habe keine der jetzt wichtigen Fragen beantworten können.
"Angesichts der wirklich schwierigen Lage, in der wir uns in Deutschland befinden, mit großer Unsicherheit in der Bevölkerung, hätte ich erwartet, dass der Bund mit sehr viel konkreteren Vorstellungen in diese Konferenz reingeht."