Spitzenkandidaten in Bremen Juniorpartner, Neuling und ein Außenseiter
Eine Linke, die auch bei der FDP ankommt. Eine Grüne, die in der Kritik steht. Ein FDP-Mann, der sich erst einen Namen machen muss. Und ein Außenseiter. Das sind die Spitzenkandidaten der kleineren Parteien in Bremen.
Das Rennen um das Rathaus in Bremen machen die Spitzenkandidaten von SPD und CDU sehr wahrscheinlich unter sich aus. Entweder kann der Sozialdemokrat Andreas Bovenschulte weiter regieren oder CDU-Herausforderer Frank Imhoff zieht ins Rathaus ein. Aber mit großer Sicherheit werden sie Partner brauchen.
Ob Grüne und Linke auch nach der Wahl als Juniorpartner weiterhin mit der SPD regieren, wird sich zeigen. Mit Blick auf die Umfragen sieht es für die Linke jedenfalls nach einem erfreulichen Wahltag aus, für die Grünen weniger. Die FDP hofft, nicht auch noch in Bremen aus dem Landtag zu fliegen und die Partei Bürger in Wut können sich vermutlich über Zulauf von AfD-Wählern freuen. Die Spitzenleute der vier Parteien im Überblick:
Kristina Vogt, Linke
Kurz vor der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft kann sich die Linkspartei Hoffnung auf ein zweistelliges Ergebnis machen. Das wäre angesichts des negativen Bundestrends eine kleine Sensation. Und dass diese Hoffnung berechtigt ist, hängt zu einem großen Teil mit ihrer Spitzenkandidatin Kristina Vogt zusammen.
Nach der Bürgerschaftswahl 2019 wurde Vogt Wirtschaftssenatorin. Seitdem erarbeitete sie sich den Ruf einer unideologischen Sachpolitikerin. Sie setzte sich für Betriebe in der Krise ein, kämpfte dafür, dass der Senat den Landesmindestlohn - der über dem bundesweiten Mindestlohn liegt - weiter erhöht und warb für die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität.
Die Linke hofft mit Kristina Vogt als Spitzenkandidatin auf ein zweistelliges Ergebnis.
All das kommt an, in Teilen sogar bei der FDP. Dass Vogt der Konfrontation aber nicht aus dem Weg geht, zeigt sich am beschlossenen Ausbildungsfonds. Unternehmen sollen in den Fonds einzahlen, nur ausbildende Betriebe sollen aus dem Topf finanzielle Hilfen bekommen. Dagegen gibt es Widerstand: Die CDU und FDP wollen das Gesetz rückgängig machen, wenn sie Teil einer neuen Landesregierung werden, die Handelskammer will dagegen klagen.
All das brachte Vogt nicht von ihrem Kurs ab. Zumal sie sich in diesem Punkt einig mit Bürgermeister Bovenschulte ist. Überhaupt liegt Vogt bei ihren Kernthemen Wirtschaft und Arbeit häufig näher bei der SPD als bei den Grünen. Das gilt auch für die Verkehrspolitik. Während die Grünen rigoros gegen das Parken auf Gehwegen - das sogenannte aufgesetzte Parken - vorgehen und die Straßenbahn in der Einkaufsstraße der City halten wollen, fordern Linke und SPD mehr Augenmaß beim Streichen von Parkplätzen und eine Verlegung der Straßenbahn.
Sollte Vogt auch nach der Wahl Wirtschaftssenatorin bleiben, will sie die Transformation der Wirtschaft gestalten. Die sieht sie als historische Chance für Bremen - und die Energiewende als Jobmotor.
Maike Schaefer, Grüne
Maike Schaefer ist mit einer Hypothek in den Wahlkampf gestartet: Mit nur 73 Prozent der Stimmen wurde sie auf der Mitgliederversammlung der Bremer Grünen zur Spitzenkandidatin gewählt. Das Ergebnis nahm ihre herausragend schlechten Beliebtheitswerte vorweg. Nur fünf Prozent der Wahlberechtigten würden die Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau direkt zur Bürgermeisterin wählen. Und kürzlich zeigte eine Umfrage, dass 55 Prozent der Befragten mit ihrer Arbeit nicht zufrieden sind. Das ist der mit Abstand schlechteste Wert unter den Senatsmitgliedern.
Schaefer hat einige schwierige Felder zu beackern. Allen voran die Bereiche Verkehr und Klimaschutz sorgen regelmäßig für Krach - auch im Bremer Senat.
Grünen-Spitzenkandidatin Schaefer kämpft mit schlechten Umfragewerten.
Was Schaefer aber genauso regelmäßig auf die Füße fällt, ist ihre Art der Kommunikation. Die gilt als ziemlich resolut. So nannte sie den Plan von Innensenator Ulrich Mäurer zum Parken auf Gehwegen ein "Wischi-Waschi-Konzept".
Zuweilen kommuniziert sie politische Entscheidungen auch gar nicht. Beispiel: der Wegfall der sogenannten Brötchentaste für das Gratis-Kurzzeit-Parken. Das will Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Bovenschulte - so hat er es angekündigt - nach der Wahl wieder rückgängig machen.
Schaefer unterlaufen auch handwerkliche Fehler. Für eine Fahrrad-Premiumroute wollte die Mobilitätsbehörde Geld vom Bund aus zwei unterschiedlichen Fördertöpfen haben. In der Öffentlichkeit kommunizierte das Haus offensiv, dass Bremen nur 400.000 Euro für das Projekt hinlegen muss. Doch mittlerweile ist klar, dass es Bremen gut drei Millionen Euro kosten wird. Ebenso offensiv kommunizierte Schaefer den Bau von drei Fahrradbrücken. Mindestens eine davon wollte Schaefer jetzt schon fertig haben. Mit dem Bau der ersten Fahrradbrücke wird aber überhaupt erst 2025 begonnen.
Die Kritik an Schaefer wird auch in den Umfragen deutlich: Die Grünen müssen in Bremen mit großen Verlusten rechnen.
Thore Schäck, FDP
Thore Schäck ist der Neue an der Spitze der Liberalen und deutlich unbekannter im Land als seine Vorgängerin Lencke Wischhusen. "Who the heck ist Thore Schäck?", fragte die Partei daher selbst und verteilte Aufkleber mit diesem Slogan im Stadtgebiet.
Auch sonst bemühen sich Schäck und die FDP um Aufmerksamkeit im Wahlkampf - etwa mit dem Aufregerthema Verkehr. Zu einseitig sei die Politik der Grünen-Senatorin, kritisiert der 35-Jährige und will, dass die Autos wieder mitgedacht werden: Wirtschaftswege schaffen, Autobahnen ausbauen. Gleichzeitig soll der ÖPNV attraktiver werden.
Der Betriebswirt spricht viel von der FDP-DNA, zu der es auch gehöre, Neues zu wagen, nicht immer auf Sicherheit zu setzen. Er kündigte seinen Job zu Beginn der Pandemie, um ein Startup zu gründen. "Das hat die Coronazeit nicht überlebt", sagt Schäck ohne Reue. Heute hat er ein anderes Unternehmen.
"Who the heck ist Thore Schäck?", fragt die FDP selbstironisch - und sorgt dafür, dass ihr Spitzenkandidat bekannt wird im Land.
FDP-Kernthemen spielen in seinem Wahlkampf ebenfalls eine Rolle. So lehnt er die Aufnahme neuer Schulden klar ab, hier ist er ganz auf Kurs von Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner. "Wenn wir einfach immer wieder neue Schulden machen, sieht es im Bund bald so aus wie in Bremen, dann zahlen wir nur noch Zinsen", sagt Schäck.
Doch weicht der FPD-Spitzenkandidat zuweilen auch ab von gängigen Klischees: Er ist Vegetarier, aus Umwelt- und Tierschutzgründen, wie er sagt. Außerdem war er Waldorfschüler. Das dürfte ein Alleinstellungsmerkmal in der FDP sein, meint Schäck.
Obwohl sich Thore Schäck auch in der Partei noch einen Namen machen muss, blicken viele wohl mit Interesse auf das Abschneiden seiner FDP. Zuletzt flogen die Liberalen in Serie aus Landesregierungen oder gar aus Parlamenten. In Bremen sieht es aktuell besser aus, der BremenTrend von Infratest dimap sah die FDP bei sechs Prozent.
Piet Leidreiter, Bürger in Wut
Die Bürger in Wut (BIW) könnten zu Gewinnern der Wahl in Bremen werden, sie dürften vom Ausschluss der AfD profitieren. Auf neun Prozent kamen sie im BremenTrend.
Auch BIW-Spitzenkandidat Piet Leidreiter war in der AfD, gründete den Bremer Landesverband mit und war Bundesschatzmeister. Weil er die Entwicklung nicht mittragen konnte, sei er ausgestiegen, sagt er: Der "Flügel" sei für ihn ein No-Go, so Leidreiter über den rechtsextremen Rand der Partei. Er bezeichnet sich als Wirtschaftsliberalen, wechselte nach der AfD zur neuen Lucke-Partei Alfa, fand dann über die liberalkonservativen Reformer 2017 seine jetzige politische Heimat, die Bürger in Wut.
Piet Leidreiter sieht seine Partei als "Anwalt des Autofahrers". Die Bürger im Wut könnten vom Ausschluss der AfD profitieren.
"Bei den Themen, bei denen die Menschen wütend werden, geben wir ihnen eine parlamentarische Stimme", sagt Leidreiter. Im Wahlkampf setzt er auf die Themen innere Sicherheit und Verkehr. Man sehe sich als "Anwalt des Autofahrers". Schlechte Parkbedingungen seien ein Grund für die unbelebte Innenstadt und die Umsatzeinbußen der Händler. Er fordert daher, Verkehrsressort und Wirtschaftsressort zusammenzulegen. Von der Verkehrswende zugunsten des Radverkehrs hält er nichts.
Dagegen unterstützen die BIW die geplante Umstellung des Bremer Stahlwerks auf grünen Stahl. Wasserstoff sei für ihn die Zukunftstechnologie, Klimaneutralität etwa 2045 realistisch, so Leidreiter. Außerdem will er das dreigliedrige Schulsystem wieder einführen und mehr Polizeikräfte einstellen.
Die Bürger in Wut haben gute Chancen, in die Bremische Bürgerschaft einzuziehen. Bei der Wahl werden die BIW von der neuen Kleinpartei Bündnis Deutschland unterstützt, später wollen sie mit dem Bündnis zusammengehen. Von der Kooperation erhofft sich Leidreiter, irgendwann in Regierungsverantwortung zu kommen.