Abstimmung in Berlin Wahl mit begrenzter Signalwirkung
Trotz begrenzter Aussagekraft sieht die CDU in der Berliner Mini-Bundestagswahl eine Signalwirkung - gegen die Ampel im Bund. Auch aus der SPD kommen Forderungen nach mehr Profil. Der Bundestag schrumpft um einen Sitz - zulasten der FDP.
Auch wenn es eine Wahl war mit begrenzter Aussagekraft - ein wenig lässt sich schon aus dem Ergebnis herauslesen. Immerhin war die Abstimmung in einigen Berliner Wahlbezirken die erste Wahl in diesem Superwahljahr.
Zu den Ergebnissen:
- Der Bundestag schrumpft um einen Sitz auf nur noch 735 Abgeordnete. Die FDP ist nur noch mit 91 Männern und Frauen im Parlament vertreten, wie die Bundeswahlleiterin in der Nacht zu Montag bekannt gab. Für die anderen Parteien bleibt die Zahl der Sitze unterm Strich unverändert.
- Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ändern sich damit nicht. Die prozentualen Veränderungen sind aber trotz des für eine Bundestagswahl geringen Wählerkreises ein Fingerzeig: Für die Oppositionsparteien CDU und AfD ging es in Berlin aufwärts, für die Ampel-Parteien SPD und FDP abwärts - und die Grünen konnten ihr Berlin-Ergebnis annähernd halten.
- Neben dem Stimmenergebnis ist aber auch die Höhe der jeweiligen Wahlbeteiligung maßgeblich für die Verteilung der Sitze unter den Landesverbänden der Parteien. Aufgrund der niedrigen Beteiligung von 69,5 Prozent verlor das Land Berlin vier Mandate und ist künftig nur noch mit 25 Politikern im Bundestag vertreten. Neu in den Bundestag zogen zugleich die SPD-Politikerin Angela Hohmann aus Niedersachsen und Franziska Krumwiede-Steiner von den Grünen aus Nordrhein-Westfalen. Auch Christine Buchholz von den Linken in Hessen hätte nachrücken können, doch sie nahm das Mandat nicht an, stattdessen rückt Jörg Cezanne nach.
- Bei den zwölf Bundestags-Direktmandaten, die in der Hauptstadt zu vergeben sind, gab es keine Veränderungen: SPD 4, Grüne und CDU je 3 und Linke 2. Besonders knapp verteidigte der frühere Regierungschef Michael Müller (SPD) sein Direktmandat. Das gelang auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der früheren Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und dem Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar in besonders spannenden Wahlkreisen.
- Die in Untersuchungshaft sitzende AfD-Kandidatin Birgit Malsack-Winkemann konnte ihr Ergebnis von 2021 noch minimal verbessern. Sie kam in ihrem Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf nach Angaben der Landeswahlleitung auf 5,5 Prozent der Erststimmen. Das sind 0,2 Prozentpunkte mehr als bei der ursprünglichen Bundestagswahl vor rund zweieinhalb Jahren. Damals war Malsack-Winkemann nicht wieder in den Bundestag gekommen.
- Es war diesmal eine fast reibungslose Wahl. "Aus organisatorischer Sicht ist die Wahl gut gelaufen", bilanzierte Landeswahlleiter Stephan Bröchler im rbb. Es habe aber einige "Fehlleistungen" gegeben, die für eine Wahl dieser Größenordnung üblich seien. So fehlte in einem Wahllokal in Pankow ein Schlüssel für einen Raum mit den Wahlunterlagen, die dann vom Bezirk geliefert wurden.
Was folgt aus der Wahl?
Die Parteien ziehen aus der Mini-Bundestagswahl naturgemäß unterschiedliche Schlüsse. Während die Union vor allem auf die leichten Einbußen der Ampelparteien abzielt und von einem "Stopp-Zeichen" für die Bundesregierung sprach, wies SPD-Landespolitikerin Franziska Giffey daraufhin hin, dass die Berliner SPD weiter stärkste Kraft sei. Aber: Dass die Ampel-Parteien bei der Teil-Wiederholungswahl verloren hätten, "das muss man ganz ernst nehmen", sagte Giffey.
Sie verlangte mehr SPD-Profil auf Bundesebene. Die SPD habe in der Bundesregierung eine sehr staatstragende Vermittlerrolle zwischen den Partnern FDP und Grüne eingenommen, sagte Giffey der Nachrichtenagentur dpa. Jetzt müsse die SPD wieder stärker für ihre sozialdemokratische Position stehen. "Das bedeutet, dass die Unzufriedenheiten, die in der Bevölkerung da sind, wieder stärker aufgegriffen werden müssen", sagte die einstige Regierungschefin von Berlin und Ex-Bundesministerin.
CDU-Bürgermeister Wegner sieht den Kanzler in der Pflicht
Die SPD ist in der Hauptstadt nur noch Juniorpartner der inzwischen regierenden CDU - auch ein Ergebnis einer Wiederholungswahl infolge der Abstimmungspannen im Herbst 2021. Erster Bürgermeister ist nun Kai Wegner, und der forderte Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu einem Kurswechsel auf. Er erwarte, "dass der Bundeskanzler hier sein Schweigen bricht, wie er dieses Land wieder auf Vordermann bringen will", sagte er im rbb.
Auch AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker sah "ein klares Signal" an die Bundesregierung gegen "Deindustrialisierung, Heizungschaos und ungesteuerte Migration". Die Wahl zeige zudem, "dass die substanzlosen Vorwürfe und die regelrechte Hetze gegen die einzige Alternative zur grünen Transformation ergebnislos bleibt", erklärte Brinker offenbar mit Blick auf die Reaktionen auf die Enthüllungen zu dem Potsdamer Treffen von Rechtsextremisten und AfD-Politikern.
Linkspartei stabil
Die Linkspartei wertete das Ergebnis als Rückenwind, da sie zumindest ein stabiles Ergebnis einfahren konnte. Gleichwohl äußerte sich der Berliner Linken-Chef Maximilian Schirmer besorgt über die hohen Zugewinne der AfD in den Wahlbezirken, in denen noch einmal abgestimmt wurde. "Wir können ganz eindeutig beobachten, dass die Regierungsparteien verloren haben und die Oppositionsparteien gewonnen haben."
Die Linke hatte zuletzt bundesweit schlechte Umfragewerte und musste die Abspaltung des Flügels um die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht verkraften. Bei der Teilwiederholung der Bundestagswahl in etwa einem Fünftel der Berliner Wahlbezirke legte sie leicht zu und kam insgesamt Berlin-weit nun auf 11,5 Prozent. Wegen der niedrigeren Wahlbeteiligung verlor die Linke allerdings ein Berliner Mandat an den Landesverband Hessen. Das sei bitter für den betroffenen Berliner Abgeordneten Pascal Meiser, der gute Arbeit geleistet habe, sagte Schirmer.
Wie in der Nacht zum Montag auf der Internetseite des Landeswahlleiters ersichtlich war, bleibt die SPD dennoch stärkste Partei mit 22,2 Prozent (-1,2 Prozentpunkte), dicht gefolgt von den Grünen mit 22,0 Prozent (-0,3). Die CDU verbessert sich auf 17,2 Prozent (+1,3). Die AfD klettert auf 9,4 Prozent (+1,0) und schiebt sich an der FDP vorbei, die auf 8,1 Prozent sinkt (-0,9). Die Linke hält mit 11,5 Prozent praktisch ihr Ergebnis der Wahl 2021 (+0,1). Sonstige Parteien machten unverändert 9,4 Prozent aus.
SPD und FDP mit höheren Verlusten in Wiederholungsbezirken
Die von der Landeswahlleitung veröffentlichten Zahlen stellen das neue vorläufige Endergebnis dar, das auch den gültigen Teil der Wahl vom 26. September 2021 umfasst. Endgültig festgestellt wird dieses am 1. März durch den Bundeswahlausschuss. Wird allerdings nur das Ergebnis in den Wiederholungsbezirken betrachtet, haben SPD und FDP deutliche Verluste erlitten.