"Logik grüner Parteipolitik"? Union will Atomausstieg in U-Ausschuss aufarbeiten
Seit 2023 sind alle AKW in Deutschland abgeschaltet. Hätten die Kraftwerke auch länger laufen können? Diese Frage will die Union in einem U-Ausschuss aufarbeiten. Sie unterstellt den Grünen, Parteipolitik gemacht zu haben.
Die Union möchte die Umstände des Atomausstiegs in einem Untersuchungsausschuss aufklären. Dabei soll es offenbar vor allem um die Rolle von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gehen. Laut einem Entwurf für den nötigen Bundestagsbeschluss, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, soll untersucht werden, wie die getroffenen Entscheidungen zum Atomausstieg getroffen und wie Parlament und Öffentlichkeit informiert wurden.
Man wolle eine konstituierende Sitzung des neuen Ausschusses "Habeck-Akten" noch vor der Sommerpause, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei. Die Fraktion werde einem entsprechenden Vorschlag von CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zustimmen.
Vorwurf: Nach grüner Parteipolitik entschieden
Der Bundestag muss einen Untersuchungsausschuss einsetzen, wenn dies von mindestens einem Viertel der Abgeordneten beantragt wird. Bei 733 Abgeordneten bedeutet das, dass mindestens 184 Parlamentarier für den Untersuchungsausschuss stimmen müssen. Die Union verfügt über 195 Sitze im Bundestag.
"Die uns vorliegenden Informationen drängen die Schlussfolgerung auf, dass die Bundesregierung in einer entscheidenden Frage unserer nationalen Energiesicherheit nicht zum Wohle Deutschlands, sondern ausschließlich nach der Logik grüner Parteipolitik entschieden hat", heißt es in einem Brief von Merz und Dobrindt an die Fraktion.
Umweltministerin Lemke reagiert gelassen
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) reagierte gelassen auf die Ankündigung. "Es ist selbstverständlich das Recht der Opposition, einen solchen Untersuchungsausschuss einzurichten", sagte sie im Deutschlandfunk. Die 2022 getroffene Entscheidung, die drei verbliebenen Atomkraftwerke (AKW) nur dreieinhalb Monate länger am Netz zu lassen, sei jedoch "transparent und öffentlich nachvollziehbar" gewesen. Die Regierung habe dabei "immer wieder ergebnisoffen geprüft".
Eigentlich hätten die drei AKW, die in Deutschland noch am Netz waren, Ende 2022 abgeschaltet werden sollen. Als 2022 die Gaslieferungen aus Russland zunächst gedrosselt und später gestoppt wurden, beschloss die Bundesregierung aber, die Laufzeiten der drei Kraftwerke bis Mitte April 2023 zu verlängern.
Die Grünen hatten sich lange gegen einen solchen Schritt gewehrt, schließlich aber das von Habeck und den AKW-Betreibern im September 2022 vorgelegte Konzept einer vorübergehenden Einsatzreserve für zwei der drei letzten deutschen Atomkraftwerke unterstützt. Die FDP war grundsätzlich für eine längere Laufzeit. Im Oktober 2022 sprach Kanzler Olaf Scholz (SPD) dann ein Machtwort für den Weiterbetrieb aller drei Meiler bis zum Frühjahr.
Der deutsche Atomausstieg wurde 2000 erstmals von der damaligen rot-grünen Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder verhandelt und 2002 vom Bundestag beschlossen. 2011 hatte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie für Deutschland beschlossen. Damit wurde die noch im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung wieder zurückgenommen.
In einer vorigen Version dieses Artikels wurde die Geschichte des deutschen Atomausstiegs verkürzt dargestellt. Im letzten Absatz heißt es nun korrekt, dass die ursprüngliche Entscheidung schon Anfang der 2000er-Jahre fiel und nicht erst in der Regierungszeit von Angela Merkel.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen