Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender, spricht beim CDU Bundesparteitag.
Analyse

Fall Maaßen Riskante Bewährungsprobe für die Merz-CDU

Stand: 30.01.2023 17:13 Uhr

Der Fall Maaßen ist auch eine Bewährungsprobe für CDU-Chef Merz. Es liegt an ihm, ob die Partei eine Debatte über ihre Grenzen nach rechts führt. Der angedrohte Parteiausschluss Maaßens könnte der Anfang sein.

Eine Analyse von Vera Wolfskämpf, ARD Berlin

Lange Zeit ist nichts passiert, nun soll es schnell gehen: Die Parteispitze setzt Hans-Georg Maaßen eine Frist bis Sonntagmittag. Bis dahin muss er die CDU verlassen, sonst leitet der Bundesvorstand ein Parteiausschlussverfahren ein. Sein Gedankengut habe keinen Platz in der CDU, heißt es in dem einstimmigen Beschluss des CDU-Präsidiums.

Maaßen hatte etwa von "rot-grüner Rassenlehre" und "eliminatorischem Rassismus gegen Weiße" gesprochen. Seine Äußerungen sieht die CDU in der Nähe von Antisemitismus und Verschwörungsideologien.

Die CDU-Spitze distanziert sich damit deutlich von Maaßen, der 2018 als Chef des Verfassungsschutzes gehen musste, weil er rechtsextreme Ausschreitungen in Chemnitz in Zweifel gezogen hatte.

Die CDU geht damit aber auch ein Risiko ein: Dass Maaßen wirklich freiwillig austritt, gilt auch im Konrad-Adenauer-Haus als unwahrscheinlich. Die CDU wird dann den beschwerlichen Weg eines Parteiausschlussverfahrens gehen müssen. Und wie langwierig das sein kann, zeigt der Fall Thilo Sarrazin. Zehn Jahre dauerte es, bis die SPD mit einem Parteiausschluss gegen ihn Erfolg hatte. Auch in der CDU gibt es die Sorge, dass sich Maaßen wie Sarrazin als "Märtyrer" inszenieren und sich die öffentliche Diskussion ständig um seine Person drehen könnte.

CDU-Parteispitze fordert Maaßen zum Austritt auf

Nadine Bader, ARD Berlin, tagesthemen, tagesthemen, 30.01.2023 22:15 Uhr

Bewährungsprobe für Merz

Natürlich will die CDU lieber über ihre Grundsätze und Werte sprechen. Doch gerade dafür ist der angedrohte Parteiausschluss von Maaßen ein wichtiges Signal. Und auch eine Bewährungsprobe für den Parteichef: Friedrich Merz wollte zwar stets, ganz grundsätzlich, die CDU nach rechts abgrenzen. Doch wenn es um konkrete Grenzüberschreitungen ging, schickte er seinen Generalsekretär vor.

So wie Ende Dezember: Der Bautzener CDU-Landrat Udo Witschas sorgte mit umstrittenen Äußerungen zur Unterbringung Geflüchteter für Empörung. Es war dann Generalsekretär Mario Czaja, der die Wortwahl des Parteifreundes kritisierte, Parteichef Merz schwieg. Zu verschiedenen Kontakten zwischen AfD und CDU auf Kreisebene ist ebenfalls öffentlich nichts von ihm zu hören.

Das Problem ist mehr als nur Maaßen

Auch zu Maaßen äußerte sich erst einmal Czaja: Er warf dem ehemaligen Verfassungsschützer vor, sich wieder und wieder in die Nähe der AfD zu stellen, und forderte ihn zum Austritt aus der Partei auf. Erst am Sonntag sagte Merz in der "Bild"-Zeitung: "Das Maß ist voll." Da war Maaßen gerade zum Vorsitzenden der Werteunion gewählt worden. Und das ist nur ein Ausdruck des Problems, warum die Causa Maaßen für die CDU so heikel ist.

Denn Maaßen hat in der CDU durchaus seine Anhänger - etwa in seinem thüringischen Kreisverband Schmalkalden-Meiningen, der ihn 2021 als Direktkandidat für die Bundestagswahl aufstellte und auch jetzt die Voraussetzungen für einen Parteiausschluss nicht erfüllt sieht.

Und er findet auch Anschluss bei der rechtskonservativen Werteunion, dessen Vorsitz Maaßen nun übernommen hat. Dieser Verein ist zwar keine offizielle Parteigliederung, aber er besteht zum großen Teil - nach eigenen Angaben zu 85 Prozent - aus CDU- und CSU-Mitgliedern. Und die haben mit großer Mehrheit Maaßen zum Vereinschef gewählt.

Mit geschätzten 4000 Mitgliedern ist die Werteunion zwar zahlenmäßig kein Schwergewicht, auch wenn sie sich selbst als Basisbewegung in der Union sieht. Aber sie zeigt, dass zumindest ein Teil der Union für Maaßen und seine rechten, teils verschwörungsideologischen Positionen sowie seine antisemitische und völkische Sprache offen ist.

CDU muss grundsätzlich über ihre Grenzen reden

Will die CDU das? Mit dieser Grundsatzfrage muss sich die Partei mindestens genauso dringend beschäftigen wie mit der Einzelperson Maaßen. Die CDU-Spitze hat dafür nur einen Anfang gemacht. In ihrem Präsidiumsbeschluss fordert sie nämlich nicht nur Maaßen zum Austritt aus der Partei auf, sondern auch alle CDU-Mitglieder zum Austritt aus der Werteunion. Die Parteispitze sieht sie nicht mit den Werten der CDU in Einklang. Spätestens seit der Wahl Maaßens zum Vorsitzenden müsse sich jedes ihrer Mitglieder die Frage stellen, wo seine politische Heimat ist.

Mehrere Parteimitglieder fordern einen Unvereinbarkeitsbeschluss wie für AfD und Linke. Dann dürfte, wer in der Werteunion Mitglied ist, nicht mehr in der CDU sein. Dafür ist jedoch ein Beschluss auf einem Bundesparteitag nötig. Ob die Partei den Mut hat, diese gründliche Debatte über die eigenen Werte und die Abgrenzung nach rechts zu führen, wird sich zeigen. Doch Klarheit dürfte sie brauchen, wenn sie Maaßen erfolgreich ausschließen und zukünftig ihre Grenzen verlässlich ziehen will.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 30. Januar 2023 um 17:00 Uhr.