Imam-Ausbildung in Deutschland Vorzeigemodell mit Startschwierigkeiten
Eigentlich sollte heute die staatlich geförderte Imam-Ausbildung beginnen. Aber Corona verzögert den Start. Das Projekt ist umstritten - auch wegen mangelnder Beteiligung der Dachverbände.
Als Mitte November des vergangenen Jahres die Deutsche Islamkonferenz über die Ausbildung von Imamen debattierte, schwelgte der Bundesinnenminister in Optimismus. Er sei zuversichtlich, betonte Horst Seehofer, dass künftig ein "weitaus größerer Teil des islamischen Kultus in Deutschland stärker der Lebenswirklichkeit der hier lebenden Muslime entsprechen" werde.
Seehofer bezog sich auf den Beschluss, an der Universität Osnabrück ein "Islam-Kolleg" einzurichten, an dem examinierte islamische Theologinnen und Theologen eine praktische Imam-Ausbildung erhalten können.
Mit Lebenswirklichkeiten vertraut machen
Immer wieder hatten Experten darauf hingewiesen, dass die überwiegende Mehrheit der islamischen Gemeindevorsteher in den rund 2600 Moscheen hierzulande ihre Ausbildung im Ausland erhalten haben und auch zum Großteil von dort bezahlt werden.
Dieser Zustand, so lautete die Kritik, erschwere nicht nur die Integration von Muslimen, er untergrabe sie zum Teil auch. Deshalb müsse es dringend auch in Deutschland eine Imam-Ausbildung geben und zwar mit Inhalten, die sich an den hiesigen gesellschaftlichen Normen orientierten und das künftige religiöse Personal adäquat mit den deutschen Lebenswirklichkeiten vertraut machten.
Mehr Nachfrage als Ausbildungsplätze
Inzwischen sind die Voraussetzungen für die Imam-Ausbildung in Osnabrück gegeben. Laut Esnaf Begic, dem Vorsitzenden des Islam-Kollegs, will man sich vor allem "mit den Fragestellungen und Herausforderungen des muslimischen Lebens in Deutschland auseinandersetzen". Alle Module der Ausbildung würden "ausschließlich auf Deutsch" stattfinden.
Da die Nachfrage höher war als geplant, musste es ein internes Auswahlverfahren geben. Mittlerweile sind mehr als 40 junge Musliminnen und Muslime eingeschrieben. Zusätzlich zur Imam-Ausbildung wurde laut Begic noch ein zusätzlicher "Schwerpunkt für die muslimische Seelsorge" eingerichtet.
Eigentlich sollte das vom Bundesinnenministerium und dem Land Niedersachsen finanzierte Projekt am heutigen Dienstag seinen Lehrbetrieb aufnehmen. Doch wegen der Folgen der Corona-Pandemie ist der Start der zweijährigen Imam-Ausbildung, bei der unter anderem die Fächer Predigtlehre, Koranrezitation, gottesdienstliche Praktiken und soziale Arbeit unterrichtet werden sollen, erst einmal verschoben worden - vorerst auf den 15. Juni.
Kritik am Zentralrat der Muslime
Auch wenn das Islam-Kolleg gerade in der deutschen Politik als vielgelobtes Vorzeigemodell angesehen wird, gibt es für die Osnabrücker Imam-Ausbildung von muslimischer Seite kaum Unterstützung. Denn von den islamischen Dachverbänden macht lediglich der kleinste mit, nämlich der Zentralrat der Muslime. Er vertritt 22 Moscheeverbände mit unterschiedlicher nationaler Herkunft und wird von einigen Wissenschaftlern ziemlich kritisch beurteilt. So weist Susanne Schröter, die Leiterin des Forschungszentrum Globaler Islam an der Universität Frankfurt am Main, daraufhin, dass unter dem Dach des Zentralrats einige Gruppierungen sind, "die wegen Extremismusverdachts vom Verfassungsschutz beobachtet werden".
Hinzu kommt, dass drei große islamische Verbände türkischer Herkunft ihre eigenen Ausbildungsseminare für Imame in Deutschland betreiben. So hat der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) eines in Köln, die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs eines in Mainz und der Verband Ditib eines in Dahlem in der Nordeifel.
Kein Interesse an einheitlicher Imam-Ausbildung?
Dass die drei türkisch-stämmigen Verbände ihre eigene Imam-Ausbildung in Deutschland betreiben, hält Seyda Can, die Leiterin des Ditib-Seminars, für eine positive Entwicklung und "sehr erfreulich". Denn dies zeige, dass man die "eigenen Bedürfnisse selbst stemmen" könne.
Gleichzeitig bedeutet dieser Schritt allerdings auch, dass VIKZ, Milli Görüs und Ditib in Sachen Imam-Ausbildung an der Zusammenarbeit mit einer deutschen Universität sowie ihren transparenten und den hiesigen Verhältnissen angepassten Kriterien nicht interessiert zu sein scheinen.
Zwar wird an den drei Imam-Seminaren in Köln, Mainz und Dahlem auch auf Deutsch unterrichtet. Doch das Geld für die Institutionen - darauf verweisen Kritiker - soll nach wie vor aus dem Ausland kommen. So gilt beispielsweise Ditib als der deutsche Arm des Amtes für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) in Ankara. Gleichwohl betont Seyda Can, ihre Imam-Ausbildung werde "voll und ganz von den Spendenbeiträgen der Ditib-Mitglieder finanziert. Da kommt kein einziger Cent von irgendeinem Staat."
Weiterhin Kontrolle durch die Türkei?
Schröter sieht das ganz anders. Auch wenn Ditib seine Imame in Deutschland ausbilde, sei der Verband weiter von der Türkei abhängig. "Es hat sich eigentlich nichts geändert, weil das Religionsministerium weiterhin die Kontrolle behält," unterstreicht sie. "Es handelt sich letztendlich um die Verschleierung der Tatsache, dass die Ditib eben keine unabhängige Einrichtung ist."
Und so wundert es nicht, dass die Frankfurter Professorin dem Bundesinnenminister und seinem Optimismus in Sachen "Fortschritt bei der Imam-Ausbildung" widerspricht. Denn ihr bereiten nicht nur die Imam-Seminare einiger türkisch-stämmigen Verbände in Deutschland Kopfzerbrechen.
Für sie sind auch mit Blick nach Osnabrück nach wie vor wichtige Fragen offen: "Es werden natürlich Imame ausgebildet in Osnabrück, aber wes Geistes Kind diese Leute sind, wenn der Partner eben der Zentralrat der Muslime in Deutschland sein wird, das ist die eine Frage. Und die andere Frage ist: Wo sollen die denn eingestellt werden?"