Käßmann kritisiert Lindner-Trauung "Kirche war nur Kulisse"
Die kirchliche Trauung von Finanzminister Lindner und Franca Lehfeldt auf Sylt sorgt für eine Debatte, denn beide gehören keiner Kirche an. Laut Theologin Käßmann würden so traditionelle Räume zu billigen Eventlocations degradiert.
Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat die Trauung von Finanzminister Christian Lindner und der Journalistin Franca Lehfeldt in einer Kirche kritisiert. "Weshalb wünschen zwei Menschen eine kirchliche Trauung, die bewusst aus der Kirche ausgetreten sind, ja öffentlich erklärt haben, dass sie sich nicht als Christen verstehen?", fragt Käßmann in ihrer Kolumne für "Bild am Sonntag".
Hier sei es nicht um christlichen Inhalt, sondern um eine Kulisse gegangen, erklärte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Lindner und Lehfeldt waren am Samstag in der St.-Severin-Kirche in Keitum von Gemeindepastorin Susanne Zingel kirchlich getraut worden.
Kirche sollte sich dafür nicht hergeben
Käßmann betonte, für eine solche Trauung sollte sich die Kirche nicht hergeben. Durch Kirchenmitgliedschaft und ehrenamtliches Engagement werde der Erhalt dieser Räume ermöglicht. Zudem verteidigte sie das Kirchenrecht, das vorsieht, dass mindestens ein Ehepartner Kirchenmitglied sein muss, damit eine kirchliche Trauung stattfinden kann.
Gebe es an dieser Stelle eine Rechtslücke, sollte sie schnellstmöglich geschlossen werden: "Sonst degradieren wir unsere traditionellen Räume, in denen Christen Gott die Ehre geben, zu billigen Eventlocations."
Außerdem kritisierte sie, dass der Philosoph Peter Sloterdijk in dem Traugottesdienst eine Rede gehalten habe. Er hatte einmal das Christentum als "gescheitertes Projekt" bezeichnet.
"Das ist unevangelisch"
Käßmanns Kritik trifft innerhalb der Kirche auf Widerstand. Die hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr warf Käßmann vor, sie urteile über die Motive eines Paares, obgleich sie beim vorbereitenden Traugespräch nicht dabei gewesen sei.
Bahr meinte weiter, grundsätzlich könne man mit guten Gründen darüber streiten, wie mit einem solchen Fall umzugehen sei. "Was meines Erachtens gar nicht geht: Motive eines Paares ohne das pastorale Involviertsein zu diffamieren. Das ist unevangelisch."
"Wir sollten mit dem Segen nicht knauserig umgehen"
Auch der evangelische Bischof von Schleswig und Holstein, Gothart Magaard, verteidigte die kirchliche Trauung. Er räumte zwar ein, dass die Lebensordnung der Nordkirche vorsieht, dass bei einer Trauung mindestens ein Partner Mitglied sein soll. Ausnahmen lägen jedoch im Ermessen des Seelsorgers. "Es ist etwas Wunderbares, wenn sich zwei Menschen den Segen Gottes zusprechen lassen wollen", betonte der Theologe gegenüber dem Evangelischen Pressedienst.
Er habe großes Vertrauen darin, wie Pastorin Zingel die Trauung vorbereitet habe. "Wir sollten mit dem Segen nicht knauserig umgehen. Gott ist ein großzügiger Gott“, hob der Bischof hervor.
Die evangelische Kirche St. Severin in Keitum ist eines der Wahrzeichen Sylts mit jahrhundertelanger Geschichte und bei Promis ein beliebter Ort für Hochzeiten.
Eine "wenig sozial- und moralsensitive Luxus-Trauung"
Der evangelische Ethikprofessor Mathias Wirth sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", dies sei eine "wenig sozial- und moralsensitive Luxus-Trauung eines Ministers, der zeitgleich die Hartz-IV-Sätze für Langzeitarbeitslose kürzen will".
Kritik an Kosten für Sicherheitseinsatz
Auch der Großeinsatz der Polizei, die für die Sicherheit der zahlreichen prominenten Hochzeitsgäste zuständig war, sorgt für Diskussionen. In den sozialen Medien wurde über Steuerverschwendung und einen unpassenden Zeitpunkt für die Feier diskutiert.
Allerdings seien die Kosten in Sachen Sicherheitsvorkehrungen für den Steuerzahler nicht höher als sonst auch, sagte Heiko Teggatz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, dem WDR. Die Politprominenz müsste immer geschützt werden - ob sie nun bei einer Hochzeit oder sonstwo sei.
Polizisten und Spürhunde suchen den Kirch- und Friedhof der Kirche St. Severin in Keitum ab.
Schon am Samstagvormittag hatten Polizisten und Spürhunde den Kirch- und Friedhof der Kirche abgesucht. Im Anschluss blieben die Beamten auf dem Gelände, um für die Sicherheit der Veranstaltung zu sorgen. Auch Einsatzkräfte des Bundeskriminalamts waren im Einsatz.
Bereits am Freitagabend hatte die Polizei zu einem Einsatz ausrücken müssen. Vor einem Hotel in Keitum waren etwa 35 lautstarke Personen der Punkszene aufgetaucht, die die Hochzeitsfeier von Lindner und Lehfeldt stören wollten. Wie die Polizei mitteilte, waren die Punks zwar laut, aber sonst friedlich. Sie hätten sich allerdings im Hotel geirrt. Die Beamten erteilten kurz vor Mitternacht Platzverweise gegen die Gruppe und begleiteten sie bis zum Zug nach Westerland.