Entwurf des Innenministeriums Das steht in Seehofers Abschiebegesetz
Mehr Haftplätze, eine "Duldung light" und geheime Abschiebetermine: Wie die Große Koalition Abschiebungen leichter durchsetzen will - ein Überblick.
240.000 Menschen in Deutschland gelten als ausreisepflichtig, haben also keinen Status, der ihnen ein Bleiben in Deutschland erlaubt. 184.000 davon sind geduldet - meist, weil Papiere fehlen, die für eine Abschiebung notwendig sind. Bundesinnenminister Horst Seehofer will das ändern. Er will dafür sorgen, dass Ausländer künftig mit bei der Beschaffung der Papiere helfen - zur Not, indem sie in Haft genommen werden.
Neuer Duldungsstatus
Ausreisepflichtige Ausländer, die keine Papiere haben, bekommen derzeit automatisch eine Duldung. Sind sie in den Augen der Behörden selbst schuld daran, indem sie etwa bei der Beschaffung eines Passes nicht mitwirken, sollen sie künftig einen Sonderstatus erhalten - die "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität". Verbunden ist damit eine Wohnsitzauflage und ein Beschäftigungsverbot.
Folgen hat das vor allem auch für langjährig Geduldete, die unter bestimmten Voraussetzungen nach acht Jahren Aufenthalt ein Bleiberecht in Deutschland bekommen können: Die Zeit im Status der Sonderduldung, von Flüchtlingsorganisationen als "Duldung light" kritisiert, soll bei dieser Regelung nicht angerechnet werden können. Die Betroffenen haben also keine Chance, in einen legalen Status hineinzuwachsen.
Viele geplante Abschiebungen sind im vergangenen Jahr gescheitert - zum Beispiel, weil die Menschen nicht angetroffen wurden.
Mitwirkungshaft und leichtere Inhaftnahme
Um Ausländer zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung zu zwingen, wird eine neue Haftform eingeführt: die Mitwirkungshaft. Für maximal 14 Tage könnten damit Menschen, die Botschaftstermine in der Vergangenheit nicht wahrgenommen haben, zu einer Anhörung in der Vertretung ihres Heimatlandes gezwungen werden. Ausgenommen sind Menschen im Asylverfahren und Asylberechtigte, denen der Kontakt zum Staat, in dem ihnen Verfolgung droht, nicht zugemutet werden soll.
Insgesamt sieht der Gesetzentwurf eine Absenkung der Hürden für die Haft vor. Eine Änderung der Voraussetzungen für eine angenommene Fluchtgefahr soll dafür sorgen, dass die Haft leichter durchgesetzt werden kann. Zudem sollen Asylbewerber, für deren Verfahren ein anderer EU-Staat zuständig ist, leichter inhaftiert werden können.
Aussetzung des Trennungsgebots bei der Haft
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2014 müssen Abschiebehäftlinge getrennt von regulären Strafgefangenen untergebracht werden. Weil es in den Ländern seitdem an Plätzen in der Abschiebehaft mangelt, sieht das Gesetz eine dreijährige Aussetzung dieses Trennungsgebotes vor.
Die Zahl der Plätze soll von bundesweit derzeit 487 Abschiebehaftplätzen auf maximal 1000 erhöht werden. Der Gesetzentwurf begründet dies mit einer "außergewöhnlichen Situation" durch die seit 2015 gestiegene Zahl der Asylbewerber.
Abschiebetermine werden Dienstgeheimnisse
Den rund 25.600 Abschiebungen im Jahr 2018 standen fast 31.000 gescheiterte Abschiebeversuche gegenüber. In der überwiegenden Zahl der Fälle hat die Polizei die Menschen nicht angetroffen, weil diese vielleicht vom Termin erfahren hatten. Seehofer will gesetzlich klarstellen lassen, dass Angaben zu Termin und Ablauf von Abschiebungen Dienstgeheimnisse sind, bei deren Weitergabe sich Amtsträger strafbar machen.
Die Beihilfe und Anstiftung wird damit ebenfalls strafbar. Das könnte Flüchtlingsorganisationen treffen, die Behördenmitarbeiter um die Herausgabe der Termine bitten.
Einschränkung von Sozialleistungen
Flüchtlinge, die nicht an der Feststellung ihrer Identität mitwirken, sollen künftig weniger Sozialleistungen erhalten. Eine komplette Streichung der Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sieht der Entwurf für Flüchtlinge vor, für die ein anderer EU-Staat zuständig ist. Sie sollen nur noch Überbrückungsleistungen für einen Zeitraum von zwei Wochen erhalten.