Verhandlungen über Haushalt Im Endspurt spart sich die Ampel den Streit
Auch beim Haushalt setzt die Ampel auf Last-Minute-Politik. Im Endspurt wird vor allem um die Kindergrundsicherung gerungen. Den öffentlichen Streit will man sich auf den letzten Metern aber sparen.
Wäre es ein Computerspiel, berichtet einer der Haushaltspolitiker, wäre man jetzt beim "Endgegner" angelangt. Die gelten als besonders harte Nüsse. Trotzdem ist eine Einigung nun offenbar in Sicht.
Lange verlief es allerdings eher zäh: Es war spürbar, dass es bei den derzeit laufenden Haushaltsverhandlungen für 2024 in der Ampelkoalition mehr ruckeln würde als beim Etat für 2023. Denn erstmals seit den von der Pandemie verursachten krisenbedingten Ausnahmen von der Schuldenbremse wird diese nun wieder voll greifen. Sie sieht vor, dass der Staat nur in sehr begrenztem Umfang neue Schulden aufnehmen kann.
Gleichzeitig hat sich die Dreier-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im Koalitionsvertrag viel vorgenommen - etwa die Kindergrundsicherung. Und das, ohne damals wissen zu können, welche Sonderausgaben dem Bund durch die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine 2022 entstehen würden. Die Ausgaben für die Bundeswehr wurden und werden seitdem priorisiert, unter anderem mit einem "Sondervermögen" von 100 Milliarden Euro, das eigentlich einen schuldenfinanzierten Nebenhaushalt darstellt.
Neue Prioritäten durch Ukrainekrieg
Auch der Jahresetat für das SPD-geführte Verteidigungsministerium soll weiter erhöht werden - obwohl es wohl nicht sofort zu den eigentlich vom zuständigen Minister Boris Pistorius gewünschten zehn Milliarden Euro mehr kommen wird. Zumindest hört man das aus dem Maschinenraum der Ampel bereits.
Und doch will sich die Scholz-Regierung trotz der neuen Welt- und Finanzlage nicht von ihren großen Projekten wie der Kindergrundsicherung verabschieden - und dieses sozialpolitische Reformvorhaben ist der Grund, weswegen jetzt noch in Spitzengesprächen um den Haushaltsentwurf gerungen wird. Geht man nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung, sollte der Entwurf eigentlich intern eine Woche vor der Kabinettsvorlage vorliegen - also bereits am 28. Juni. Inzwischen zeichnet sich ampelintern deutlich ab, dass er kommende Woche sozusagen in letzter Minute im Kabinett eingebracht sein soll.
Last-Minute-Politik
Das ist der letztmögliche Termin vor der parlamentarischen Sommerpause. Die Parlamentarier, die den Haushalt schlussendlich beschließen müssen, pochen darauf, ausreichend Zeit über den Sommer hinweg zu haben, um sich mit dem Entwurf zu befassen. Denn im Herbst soll er vom Bundestag final beschlossen werden.
Dem Vernehmen nach laufen die Spitzengespräche noch über das Wochenende - unter Beteiligung von Kanzler Scholz und Vizekanzler Robert Habeck mit Bundesfinanzminister Christian Lindner und Familienministerin Lisa Paus. Hier zeichnet sich eine Lösung ab - der Streit um die Finanzierung scheint beigelegt.
Hoher Sparzwang - für alle?
Scholz und Lindner sind sich einig im Ziel, für das kommende Jahr rund 20 Milliarden bei den verschiedenen Ministerien einsparen zu müssen: Der Druck auf den Bundeshaushalt ist also enorm hoch - Lindner gab ihn an die Ministerien im Frühjahr mit einer pädagogischen Maßnahme weiter: Damals sagte er, keine Eckpunkte vorlegen zu können, da ihm die einzelnen Sparvorschläge fehlten. Aus Sicht der Grünen wiederum war er der Bremser, dessen Aufgabe eigentlich sei, einen Haushaltsentwurf vorzulegen, mit dem alle Ampelfraktionen leben könnten. Inzwischen wurden Einzelgespräche geführt - mit Beteiligung des Kanzlers.
In letzter Minute scheinen sich die Ampel-Koalitionäre also auf der Arbeitsebene und Lösungsebene zu bewegen - ohne großen öffentlich ausgetragenen Streit. Im Frühjahr war das anders: Da fühlte sich Habeck als grüner Minister für Wirtschaft und Klimaschutz bemüßigt, seinem FDP-Kollegen im Finanzministerium sogar einen quasi öffentlichen Brief zu schreiben. Man wolle zwar nicht am Prinzip der Schuldenbremse abweichen, so Habeck, es seien aber alle gefordert, neue und alternative Wege zu finden, um vereinbarte politische Projekte möglich zu machen. Da dafür noch keine Vorschläge auf dem Tisch lägen, könne man die - im Jahr zuvor eigentlich gemeinsam beschlossenen - Eckwerte für den Haushalt 2024 so auch nicht mehr akzeptieren.
Die Grünen pochen weiterhin darauf, über neue Einnahmequellen zu beraten: etwa über den Abbau umweltschädlicher Subventionen und Steuererhöhungen. Steuererhöhungen jedoch sind die rote Linie für Lindner, die bisher in der Ampel akzeptiert wurde. Ob das so bleiben wird, dürfte eine spannende Frage werden - erst recht, wenn die Steuereinnahmen bei einer konjunkturellen Eintrübung bis Herbst nicht mehr so sprudeln sollten.
Das Ganze aber wie beim Gerangel um das Gebäudeenergiegesetz zu einem rein grün-gelben Streit zu machen, greift zu kurz. Es dürfte kein Zufall sein, dass die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil weiter über das Thema Steuererhöhungen sprechen. Sie sind schließlich eng mit SPD-Fraktionsspitze und SPD-Kanzler verdrahtet. Und Esken sagte im Gespräch kürzlich, sie setze da weiterhin auf die "Kraft des Arguments" - Und dass sie nicht müde werde, "auch, wenn ich damit in liberalen Kreisen Augenrollen erzeuge."