Interview

Contra zur "schwarzen Null" "Die kommende Generation zahlt drauf"

Stand: 09.09.2014 17:14 Uhr

Die "schwarze Null" geht auf Kosten von Investitionen und Rentenkassen, meint dagegen DIW-Wirtschaftsexperte Ferdinand Fichtner gegenüber tagesschau.de. Dies führe später zu Kostenexplosionen. Den Preis dafür müssten die künftigen Generationen zahlen.

Ist die "schwarze Null" eine gute Sache?

Grundsätzlich ist die Haushaltskonsolidierung eine gute Sache auch, weil wir Vorbild für unsere europäischen Nachbarn sind.  Aber die deutsche Wirtschaft bezahlt dafür einen hohen Preis. Wichtige Investitionen bleiben auf der Strecke. Die Haushaltskonsolidierung des Finanzministers führt dazu, dass dringend notwendige Ausgaben nicht getätigt werden. Dies kehrt als Bumerang irgendwann zurück.

Zur Person
Ferdinand Fichtner arbeitet am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Er leitet die Abteilung Konjunkturpolitik und forscht zu Makroökonomie und Konjunkturprognosen.

Wird der Sparkurs irgendwann teuer, weil wichtige Investitionen nicht getätigt werden?

Vorerst wird der Sparkurs keine Probleme machen, weil  die Lage auf dem Arbeitsmarkt gut ist. Das bleibt wohl in den nächsten Jahren so. Also werden auch die Steuereinnahmen weiter sprudeln. Der Überschuss steigt, das Defizit wird nach unten gedrückt. Das dicke Ende kommt in zehn Jahren, wenn die jetzt eingesparten Investitionsausgaben nachgeholt werden müssen. Dann ist eine Kostenexplosion zu erwarten. Um ein einfaches Beispiel zu nehmen: Eine Brücke zu reparieren ist billiger, als zu warten, bis sie einstürzt. Wir müssen notwendige Investitionen jetzt tätigen. Alles andere führt zu Kostenexplosionen.

Wie wichtig ist ein ausgeglichener Haushalt für die Generationengerechtigkeit?

Grundsätzlich sind alle Schulden, die der Staat jetzt macht, eine Belastung für künftige Generationen.  Wenn aber die Vermeidung von notwenigen Investitionen dazu führt, dass dort irgendwann Kosten explodieren, dann muss man sagen: Die künftige Generation zahlt drauf, damit wir die symbolische "schwarze Null" haben. Dann muss die künftige Generation  unseren Sparkurs ausbaden.

Brauchen wir mehr Einnahmen?

Zurzeit haben wir es mit kräftigen Steuereinnahmen zu tun. Das liegt an der niedrigen Arbeitslosigkeit und der relativ kräftigen Lohnentwicklung.  Aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit kann man über die Anhebung des Spitzensteuersatzes nachdenken. Notwendig ist es aber nicht. Wir haben genug Spielräume in den öffentlichen Finanzen, wenn das Geld nicht verschleudert würde für zum Beispiel die Mütterrente oder das Betreuungsgeld. Da wurden die falschen Weichen gestellt.

Nimmt sich die Politik durch die Schuldenbremse ihren Handlungsspielraum?

Die Bundesregierung hätte auch mit der Schuldenbremse mehr Handlungsspielräume. Sie nutzt sie nicht, weil sie auf möglichst hohe Überschüsse setzt. Nicht die Schuldenbremse, sondern deren Auslegung durch die Bundesregierung  ist das Problem. Sie beschränkt ihre Handlungsspielräume viel stärker, als sie das müsste.

Wie realistisch ist es, dass der Finanzminister die „schwarze Null“ halten kann?

Im Moment sieht es nicht schlecht aus. Aber es ziehen schon die ersten Konjunktur-Wolken auf.  Die Ukraine-Krise könnte die Wirtschaft beeinträchtigen und die Überschüsse schmälern. Dann weiter an der "schwarzen Null" festzuhalten, wäre unklug und könnte unsere Wirtschaft insgesamt ins Schlingern bringen.

Das Interview führte Simone von Stosch, tagesschau.de.

Michael Hüther vom Institut für deutsche Wirtschaft hält die "schwarze Null" für eine gute Sache. Lesen Sie hier das Pro.