Einigung bei Grundrente "Haben einen dicken Knoten durchschlagen"
Die Koalition hat sich auf einen Kompromiss bei der Grundrente geeinigt. Dieser sieht eine Einkommensprüfung vor - nicht aber die von der Union geforderte Bedürftigkeitsprüfung. Zudem soll es Impulse für die Konjunktur geben.
Die Große Koalition hat sich nach monatelangem Ringen auf eine Grundrente für Geringverdiener verständigt. "Wir haben einen dicken Knoten durchschlagen", sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nach Ende des Koalitionsausschusses im Kanzleramt. Man habe auch eine für die Union "gute Lösung" gefunden.
"Es ist ein sozialpolitischer Meilenstein", sagte die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer. Statt einer Bedürftigkeitsprüfung solle nun eine umfassende Einkommensprüfung kommen. Die Union hatte lange auf der Bedürftigkeitsprüfung bestanden, diese wurde aber von der SPD vehement abgelehnt.
Der Einkommensabgleich soll automatisiert zwischen der Rentenversicherung und den Finanzbehörden ablaufen, so dass eine persönliche Prüfung beim Amt nicht notwendig wird.
Grundrente soll ab 2021 fließen
Mit der Grundrente sollen Rentner einen Zuschlag bekommen, die 35 Beitragsjahre haben und deren Beitragsleistung unter 80 Prozent, aber über 30 Prozent des Durchschnittseinkommens liegt. Dabei soll ein Einkommensfreibetrag in Höhe von 1250 Euro für Alleinstehende und 1950 Euro für Paare gelten. Die Grundrente soll zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Menschen erreichen und ab 2021 fließen. Nach Angaben von CSU-Chef Markus Söder ist mit Kosten von 1 bis 1,5 Milliarden Euro zu rechnen.
Zugang in das neue System bekomme, wer einen Bedarf habe, sagte Kramp-Karrenbauer. Dieser Bedarf werde durch eine umfassende Einkommensprüfung sichergestellt. "Es ist ein gutes, ein vertretbares Ergebnis", sagte sie. Sie werde den Kompromiss an diesem Montag den CDU-Gremien zur Beschlussfassung vorlegen. "Ich glaube, dass wir ihn in der Partei durchsetzen", so die Parteichefin bei "Anne Will". Zu diesem Ergebnis gehört laut Kramp-Karrenbauer auch eine befristete Absenkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 2,5 Prozent um 0,1 Prozentpunkte.
Freibetrag beim Wohngeld
Flankierend zur Grundrente will die Koalition zudem einen Freibetrag beim Wohngeld im Volumen von etwa 80 Millionen Euro einführen. So soll verhindert werden, dass die Verbesserung bei der Rente durch eine Kürzung des Wohngeldes aufgefressen wird.
Die Maßnahmen will die Koalition über Steuern und ohne Beitragserhöhung in der Rentenversicherung finanzieren. Dazu werde der Bundeszuschuss zur allgemeinen Rentenversicherung erhöht, heißt es in dem veröffentlichten Beschluss der Spitzen von CDU, CSU und SPD zum Grundrenten-Kompromiss. Als wichtiger Beitrag zur Finanzierung der Maßnahmen soll auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Finanztransaktionssteuer eingeführt werden.
Stärkere Förderung betrieblicher Altersversorgung
Zudem will die Koalition die zusätzliche Arbeitgeber-finanzierte betriebliche Altersversorgung bei Geringverdienern mit einem Monatseinkommen bis 2200 Euro brutto stärker fördern. Dazu soll der Förderbetrag zur betrieblichen Altersversorgung von maximal 144 Euro auf 288 Euro verdoppelt werden. Um die Attraktivität von Mitarbeiter-Kapitalbeteiligungen zur Vermögensbildung zu erhöhen, wollen Union und SPD auch den steuerfreien Höchstbetrag in diesem Bereich von 360 Euro auf 720 Euro anheben.
Der Koalitionsausschuss einigte sich zudem darauf, bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau einen Beteiligungsfonds für Zukunftstechnologien von bis zu zehn Milliarden Euro aufzulegen, insbesondere in den Bereichen Digitalisierung und Klimatechnologien.
Brinkhaus: "Ambitioniert, aber machbar"
Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus sagte im Bericht aus Berlin, der Kompromiss bei der Grundrente zeige, dass die Koalition handlungsfähig sei. Er räumte ein, dass in der Fraktion noch Überzeugungsarbeit nötig sein werde. "Das wird nicht einfach werden, weil es ein Kompromiss ist", so Brinkhaus.
Die nun vereinbarte "umfassende Einkommensprüfung" als Voraussetzung für die Grundrente sei ein Erfolg der letzten Wochen. Der dafür erforderliche elektronische Datenaustausch zwischen Finanzbehörden und Rentenkasse müsse erst noch aufgebaut werden. Das sei ambitioniert bis 2021, aber machbar. Der Streit über die Grundrente habe die Koalition in eine "sehr kritische Situation" gebracht, räumte Brinkhaus ein. "Noch mehr von diesen Belastungsproben wünsche ich mir in dieser Koalition nicht." Das Regierungsbündnis müsse nun "die weiteren Projekte vernünftig abarbeiten".
Die Opposition kritisierte die Einigung. Der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, sagte der "Funke Mediengruppe", es sei zynisch, dass es bei E-Autos üppige Kaufprämien mit der Gießkanne gebe "und bei der Grundrente schaut die Koalition ins Portemonnaie der Rentner, die jahrzehntelang eingezahlt haben". Die Grünen erklärten, sie wollten, dass die Zugangshürden der Grundrente im Gesetzgebungsverfahren abgesenkt würden. Man wolle 30 statt 35 Jahre an Beitrags- und Versicherungszeiten und eine unbürokratische Einkommensprüfung, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. FDP-Chef Christian Lindner sagte, die Union habe sich von der SPD über den Tisch ziehen lassen. "Aus der Idee der Grundrente ist eine Willkürrente geworden: Es fließt Steuergeld, wo im Einzelfall gar keine Bedürftigkeit vorliegt", so der Parteichef.