Entscheidung über Maßnahmen gegen die Eurokrise Bundestag sagt Ja zu neuen Griechenland-Hilfen
Mit den Stimmen von Union, FDP, SPD und Grünen hat der Bundestag die neuen Hilfen für Griechenland bewilligt. Allerdings verpasste die Koalition die Kanzlermehrheit. Die Linkspartei votierte gegen das Hilfspaket, das knapp 44 Milliarden Euro freigibt. Die Rettungsaktion belastet erstmals den deutschen Haushalt.
Der Bundestag hat dem neuen Hilfspaket für Griechenland mit der erwarteten breiten Mehrheit zugestimmt. 473 von insgesamt 584 Abgeordneten stimmten nach Debatte dafür, 100 dagegen, es gab elf Enthaltungen. Die Linksfraktion stimmte - wie zuvor angekündigt - mit Nein.
13 Abgeordnete aus den Reihen der Union und zehn aus der FDP votierten nicht mit Ja. Damit verfehlte die Koalition die Kanzlermehrheit. Um sie zu halten, kann sich Schwarz-Gelb höchstens 19 Abweichler leisten. Für die Kanzlermehrheit wäre mehr als die Hälfte aller möglichen 620 Bundestagsstimmen erforderlich, also 311 - unabhängig davon, wie viele Abgeordnete tatsächlich anwesend sind. Für die aktuelle Abstimmung hatte die Kanzlermehrheit keine Bedeutung, sie gilt aber als ein Indiz für die Machtbasis von Kanzlerin Angela Merkel.
Zum ersten Mal ging es um Griechenland-Hilfen, die direkt den Bundeshaushalt betreffen. Denn durch die Verschiebung der mit Griechenland vereinbarten Konsolidierungsziele um zwei Jahre auf 2014, ergibt sich eine Finanzlücke von 14 Milliarden Euro. Diese soll mit einem Mix aus Zinsstundungen und -senkungen für bereits gewährte Kredite und den EZB-Gewinnen aus ihrem Staatsanleihen-Kaufprogramm gestopft werden.
Den Bundeshaushalt belastet dies 2013 mit 730 Millionen und 2014 mit 660 Millionen Euro. Diese Tatsache verteidigte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Bundestag mit den Worten: "Wenn wir in die Zukunft Europas investieren, investieren wir in unsere eigene Zukunft."
In seiner Regierungserklärung sagte Schäuble, der Umbauprozess der griechischen Wirtschaft ähnele dem der osteuropäischen Länder nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor 20 Jahren. Er mahnte deshalb Geduld bei der Bewältigung der Krise in Griechenland an: "Es stellen sich erste Erfolge ein, aber der vor uns liegende Weg ist noch lang. Es können jahrzehntelange Versäumnisse nicht in zwei Jahren aufgeholt werden." Die griechische Regierung arbeite mit großem Einsatz an der Umsetzung der Auflagen der Geldgeber, so der CDU-Politiker.
SPD beklagt Unehrlichkeit der Regierung
Für die SPD ergriff Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier im Bundestag das Wort. Er warf der Regierung Unehrlichkeit vor: "Sie scheuen die Wahrheit wie der Teufel das Weihwasser." Was Schwarz-Gelb heute vorlege, sei keine nachhaltige Lösung."
Am Ende werde es doch zu einem Schuldenschnitt zulasten der staatlichen Gläubiger kommen. "Es wird jetzt verschoben, aber irgendwann wird es kommen, und dann werden wir Sie aus Ihrer Verantwortung nicht entlassen."
Rückendeckung vom Koalitionspartner
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle bekräftigte die Verantwortung für Europa und betonte wie Schäuble die Notwendigkeit, Griechenland zu helfen. Wenn ein Euroland falle, "dann fallen andere Euro-Länder mit", sagte Brüderle. Das könne niemand wollen, dieses Risiko könne man nicht eingehen. Wie Schäuble lehnte er einen Schuldenschnitt ab und betonte: "Was Griechenland durchmacht, ist eine bittere Therapie. Aber die Reformnotwendigkeiten sind auch riesig."
Trittin: Schäuble muss Nachtragshaushalt erarbeiten
Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf der Bundesregierung eine falsche Politik vor. Griechenland könne nur mit einem umfangreichen Konjunkturprogramm gerettet werden. Die Sparpolitik verschärfe die Rezession sogar noch. Angesichts der zusätzlichen Belastung im kommenden Jahr forderte Trittin von Schäuble, einen Nachtragshaushalt zu erarbeiten.
Ohne die Linkspartei
Nach Ansicht ihrer stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Sahra Wagenknecht, würden die Rettungsversuche der Bundesregierung die Krise in Griechenland noch verschlimmern. Es handele sich um ein "verantwortungsloses Verbrennen von Steuergeldern" zugunsten von Banken und Spekulanten, sagte sie in der Debatte.
"Hören Sie auf, die Wählerinnen und Wähler für dumm zu verkaufen", rief sie in Richtung Koalition. Bereits heute sei abzusehen, dass es einen Schuldenschnitt für Griechenland geben und dieser für Deutschland sehr teuer werde. Sie kritisierte zudem, dass auch die griechische Oberschicht nicht zur Rettung des Landes herangezogen werde, die ihren riesigen Reichtum ja gerade der bisherigen Korruption in dem Land verdanke. "Warum werden zum Beispiel Banken in der Schweiz, bei denen griechische Milliardenvermögen lagern, nicht unter Druck gesetzt, die entsprechenden Daten offenzulegen?"
Der SPD hielt sie vor, auch dieses Mal die Hilfen für das Land abzunicken. Dabei waren es vor allem die Sozialdemokraten, die kritisiert hatten, dass erneut im Eiltempo eine Euro-Entscheidung durch den Bundestag gepeitscht wird.
Das Nachspiel für die neue Griechenland-Hilfe wird auf jeden Fall in Karlsruhe stattfinden. Denn die Linkspartei kündigte bereits eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an.