Pechstein-Urteil des BGH Eine Frage der Rechtstaatlichkeit
Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs muss Claudia Pechstein eine schwere juristische Niederlage hinnehmen. Der BGH hat ihre Schadensersatzklage abgewiesen. ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam erläutert die Hintergründe.
Fünfmal olympisches Gold, zahlreiche weitere Medaillen bei Welt- und Europa-Meisterschaften und anderen Wettkämpfen. Doch dann kam die WM 2009 in Norwegen. Deutschlands erfolgreichste Eisschnellläuferin Claudia Pechstein wurde mit auffälligen Blutproben erwischt. Der Internationale Eislauf-Verband ISU sperrte sie für zwei Jahre.
Doch Pechsteins juristische Vorgeschichte fängt streng genommen schon vor der WM 2009 an, erläutert ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam. "Sie beginnt dann, wenn die Internationale Eislauf-Union den Sportlern die Wettkampfmeldung vorlegt. Und da steht drin, dass man sich den Anti-Dopingregeln unterwirft und dass man akzeptiert, dass mögliche Streitigkeiten vor den internationalen Sportgerichtshof in Lausanne ausgetragen, nicht vor den nationalen Gerichten - also eine sogenannte Schiedsvereinbarung. Wenn man bei der Weltmeisterschaft mitmachen will, muss man dies unterschreiben, ansonsten ist die Teilnahme ausgeschlossen."
Zu viel Macht bei den Verbänden?
Soweit die Ausgangslage. Dann gab es den Dopingvorwurf und die Sperre gegen Pechstein. Sie klagte vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS und verlor. "Dann sagte sie, ich habe diese neuen Gutachten. Die auffälligen Blutwerte sind medizinisch erklärbar." Pechstein klagte vor deutschen Gerichten - nicht nur, weil sie eine zweite Chance wollte, sondern weil der internationale Sportgerichtshof in Lausanne aus ihrer Sicht nicht rechtsstaatlich arbeitete, erläutert Bräutigam. So hätten die Verbände beispielsweise bei der der Auswahl der Richter zu viel Macht.
Im Fall Pechstein war es im Kern immer umstritten, dass nur der internationale Sportgerichtshof zuständig ist. Auch die Vorinstanzen hatten Pechstein recht gegeben, indem sie urteilten, dass die Verfahrensregeln des CAS nicht so sind, wie sie eigentlich sein sollten. So entschied die Vorinstanz, dass die Verbände ein strukturelles Übergwicht bei der Liste der dortigen Richter haben.
"Der BGH hat heute jedoch anders entschieden und gesagt, dass der CAS nicht dazu führe, dass eine marktbeherrschende Stellung missbraucht wird", sagt Bräutigam. "Dafür hatte der BGH mehrere Argumente genannt: So hätten die Sportler auch Vorteile, wenn es ein internationales Gericht gibt. Es gebe ein schnelles Urteil und international einheitliche Regeln. Das strukturelle Übergewicht der Verbände sei nicht zentral, da Sportler und Verbände im Kampf gegen Doping gemeinsame Interessen hätten."
Rechtsschutz für Sportler in Deutschland nicht nötig
Im Kern habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Sportgerichtshof in Lausanne rechtsstaatlich arbeite und der Rechtsschutz in Deutschland für Sportler nicht nötig sei, so Bräutigam.
"Viele Beobachter hatten sich erhofft, dass durch ein entsprechendes Urteil der Sportgerichtshof reformiert werden würde, dass dort Verfahrensregeln verändert werden würden. Wenn Pechstein gewonnen hätte, dann hätte dieses Urteil Reformdruck auslösen können." Dennoch: "Man darf nicht vergessen: Ein internationales Gericht wie der CAS hat auch Vorteile. Denn einheitliche Regeln im Anti-Dopingkampf ist ein Wert an sich."