Reaktionen auf rassistisches Video "Eine Schande für Deutschland"
"Schockierend", "widerlich", "eine Schande" - die Aufnahmen junger Leute, die auf Sylt rassistische Parolen rufen, sorgen in der Bundespolitik für massive Empörung. Auch die Gemeinden der Insel gehen auf klare Distanz.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sowie andere Politikerinnen und Politiker haben sich schockiert über Handyaufnahmen gezeigt, die derzeit im Internet kursieren und zeigen, wie in einer feiernden Gruppe auf Sylt rassistische Parolen gegrölt werden.
Faeser verurteilte das Verhalten der jungen Menschen in dem Video scharf. "Wer Nazi-Parolen wie 'Deutschland den Deutschen - Ausländer raus' grölt, ist eine Schande für Deutschland", betonte die SPD-Politikerin gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Faeser warf die Frage auf, welches hasserfüllte Klima solche Leute dazu ermutige, sich so abgrundtief rassistisch in aller Öffentlichkeit zu äußern und "ob wir es hier mit Menschen zu tun haben, die in einer wohlstandsverwahrlosten Parallelgesellschaft leben, die die Werte unseres Grundgesetzes mit Füßen tritt".
Faeser sprach sich für strafrechtliche Konsequenzen für ein solches Verhalten aus, appellierte aber zugleich an die Gesellschaft. "Hier darf es keinerlei schleichende Normalisierung geben", warnte sie. Rassismus müsse überall - im Freundeskreis, bei der Arbeit, im Sport - "lauten Widerspruch" erfahren. "Es ist wichtig, den Mund aufzumachen und gegenzuhalten gegen solchen Menschenhass", betonte die Bundesinnenministerin.
Lokal übermittelt Namen von mutmaßlich Beteiligten an Polizei
Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zeigte sich schockiert über den Vorfall, der sich am Pfingstwochenende vor einem Lokal auf Sylt ereignete. Weiter kommentieren wolle er die Geschehnisse nicht. Zunächst müssten nun Polizei und Justiz die Aufnahmen auswerten. Wie die Polizei in Flensburg bereits mitteilte, hat der Staatsschutz wegen des Verdachts auf Volksverhetzung die Ermittlungen aufgenommen.
Die Aufnahmen zeigen, wie mehrere Mitglieder einer feiernden Gruppe zu dem Lied "L'Amour Toujours" des Musikers Gigi D'Agostino die Parolen "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen" rufen. Die Betreiber des Lokals distanzierten sich klar von dem Verhalten. Sie haben nach eigenen Angaben die Namen der mutmaßlich fünf beteiligten Personen an die Polizei übermittelt.
"Kein sogenanntes Randphänomen"
Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, nannte die Vorkommnisse "widerlich und unerträglich". Es mache sie fassungslos, dass keiner der anderen Gäste einschreite. "Es zeigt deutlich, dass Rechtsextremismus und Rassismus sich durch alle gesellschaftlichen Gruppen ziehen und eben kein sogenanntes Randphänomen sind. Sie reichen bis tief ins bürgerliche Milieu", so Alabali-Radovan.
Ganz ähnlich äußerte sich die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman. "Die Bilder stammen offenbar nicht aus einer Nazikneipe, sondern einer Nobelbar in Sylt. Rassismus darf aber in Deutschland nie wieder zum Normalfall werden", mahnte sie und fügte hinzu: "Das ist blanker Rassismus, der sich immer weiter in alle Milieus und Altersgruppen hineinfräst und offen ausgelebt wird." Auch Ataman begrüßte die polizeilichen Ermittlungen. Solche Handlungen dürften nicht folgenlos bleiben.
Die Amadeu Antonio Stiftung, die seit 1998 Projekte gegen Rechtsextremismus und Rassismus unterstützt, rief derweil beim Kurznachrichtendienst X dazu auf, das Video nicht weiter in sozialen Medien zu verbreiten, um dem darin gezeigten Rassismus nicht noch mehr Reichweite zu geben.
"Sie sind herzlich ausgeladen"
Auch auf Sylt selbst und in ganz Schleswig-Holstein rief das Video massive Empörung hervor. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Sylter Gemeinden betonten in einer gemeinsamen Erklärung: "Wir haben für diese Gesänge null Toleranz. Dieses Verhalten ist für uns abstoßend und vollkommen inakzeptabel. Wir dulden das nicht." Im weiteren Verlauf der Mitteilung verwiesen die Unterzeichnenden auf die Rolle Sylts als Urlaubsinsel und damit auf das Miteinander von Menschen verschiedenster Nationen.
Auf Sylt leben Menschen aus 113 Nationen friedlich miteinander. Wir begrüßen Touristinnen und Touristen aus vielen Ländern. In diesen Tagen, in denen das Grundgesetz 75 Jahre alt wird, während die liberale Demokratie unter Beschuss steht, möchten wir als Sylt ganz unmissverständlich klar machen: Solche Gäste brauchen nicht noch einmal nach Sylt zu kommen. Sie sind herzlich ausgeladen. Denn wir sind eine weltoffene Insel.
Auch Mitglieder der schleswig-holsteinischen Landesregierung hatten das Verhalten klar verurteilt, darunter Bildungsministerin Karin Prien und Integrationsministerin Aminata Touré.