Streichung des Paragrafen 218 gefordert SPD-Fraktion will frühe Abtreibungen legalisieren
Wer abtreibt, macht sich in Deutschland strafbar. Der Abbruch bleibt straffrei, wenn sich die Frau zuvor beraten lässt. Die SPD-Fraktion im Bundestag will frühe Abtreibungen entkriminalisieren - und den umstrittenen Paragrafen 218 streichen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat beschlossen, sich für die Streichung des Abtreibungsparagrafen 218 im Strafgesetzbuch einzusetzen. Schwangerschaftsabbrüche sind bisher laut dem Paragrafen rechtswidrig. Allerdings bleibt ein Abbruch in den ersten zwölf Wochen straffrei, wenn die Frau sich zuvor durch eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lässt. Auch wenn medizinische Gründe vorliegen oder die Frau vergewaltigt wurde, bleibt der Abbruch straffrei.
"Regelung außerhalb des Strafgesetzbuchs"
Die SPD-Fraktion setzt sich nun für "eine alternative Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuchs mit einem besseren Schutzkonzept für das ungeborene Leben" ein. Selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche sollen dem Papier zufolge im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt und bis zu einer gesetzlich bestimmten Frist legalisiert werden. Ein konkreter Zeitraum wird nicht genannt. Erlaubt werden sollen Abtreibungen so lange, bis das Ungeborene außerhalb des Mutterleibs eine Überlebenschance hat. Damit wären Abtreibungen länger möglich als bisher - aus medizinischer Sicht gilt ein Kind frühestens ab der 23. Schwangerschaftswoche als überlebensfähig.
Die gegenwärtige Beratungspflicht vor einem Abbruch soll durch einen Rechtsanspruch auf Beratung abgelöst werden. Eine gute Unterstützung ungewollt schwangerer Frauen könne Abtreibungen verhindern, heißt es in dem Papier der Sozialdemokraten.
"Selbstbestimmungsrecht hat größeres Gewicht bekommen"
Die Pflicht zum Austragen einer Schwangerschaft greife tief in das körperliche und reproduktive Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Frau ein, heißt es in dem Papier. Zudem hätten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert, denn das Selbstbestimmungsrecht habe in den vergangenen Jahrzehnten ein größeres Gewicht bekommen.
Weiter wird in dem Papier betont, dass die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen im Strafgesetzbuch eine stigmatisierende Wirkung habe. Sie belaste Frauen und Familien in einem Schwangerschaftskonflikt zusätzlich und erschwere Ärztinnen und Ärzten die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Kommission empfiehlt Legalisierung
Die SPD-Fraktion reagiert mit ihrem Vorstoß auf den Bericht der von der Bundesregierung eingesetzten "Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin", die eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts empfohlen hatte.
Die Kommission hatte der Regierung im vergangenen April Empfehlungen für eine Liberalisierung vorgelegt. Demnach empfiehlt das Gremium, eine Abtreibung in der Frühphase, den ersten zwölf Wochen, in jedem Fall straffrei zu stellen und als rechtmäßig zu kennzeichnen. Es obliege dem Gesetzgeber, das mit einer Beratungspflicht zu verbinden. In der mittleren Phase, bis zur 22. Woche, könne der Gesetzgeber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Abbruch straffrei sein solle. Ab der 22. Woche sei der Abbruch rechtswidrig.
Unterstützung von Grünen, scharfe Kritik der Union
Die Grünen unterstützen den Vorstoß der SPD-Fraktion: "Wir wollen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken und setzen uns schon lange für eine differenzierte Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches ein", erklärten Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink und die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulle Schauws. Gleichzeitig müsse das Schutzniveau für das werdende Leben je nach Phase der Schwangerschaft gewahrt werden. Die Grünen streben demnach gesetzliche Änderungen noch in dieser Legislaturperiode an.
Aus der Union gibt es heftige Kritik. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warf den Sozialdemokraten vor, den Kompromiss der 1990er-Jahre infrage zu stellen und einen gesellschaftlichen Großkonflikt zu riskieren. Er beschuldigte die Regierungsfraktion, die Polarisierung in der Gesellschaft weiter voranzutreiben. Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sagte, seine Fraktion sehe keinen Reformbedarf.