BGH zu Coronamaßnahmen Keine Entschädigung wegen Auftrittsverbots
Die Coronakrise hat Musiker aufgrund des geltenden Auftrittsverbots hart getroffen. Doch haben sie keinen Anspruch auf Entschädigung der entgangenen Einnahmen durch den Staat. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Kompletter Stillstand des öffentlichen Lebens: Diese Erfahrung machte zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 auch die Musikbranche. Keine Live-Auftritte bedeutete keine Einnahmen für viele Musikerinnen und Musiker.
Auch der Musiker und Produzent Martin Kilger hatte von März bis Juli 2020 wegen des allgemeinen Veranstaltungsverbots überhaupt kein Einkommen. 9000 Euro Soforthilfe, die er bekam, durften nur für Betriebsausgaben verwendet werden und nicht für den Lebensunterhalt.
In Baden-Württemberg allein musste er wegen der Schutzmaßnahmen fünf Auftritte absagen. Deshalb verklagte er das Bundesland auf Entschädigung für die entgangenen Einnahmen. Es gehe ihm um mehr als nur um die Entschädigung in Höhe von 8300 Euro, so der Musiker: "Vor allem klage ich für mehr Gerechtigkeit, nicht unbedingt, um Geld zu bekommen, sondern einfach, dass das nächste Mal, falls so etwas noch einmal passieren sollte, die Künstler wissen, sie werden entsprechend entschädigt für ihr Sonderopfer."
Bundesgerichtshof: Kein Anspruch auf Entschädigung
Mit seiner Klage hatte Kilger jedoch keinen Erfolg. Das oberste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof, sagt, es gibt für den Berufsmusiker keinen Anspruch auf Entschädigung. Die in den Corona-Verordnungen des Landes Baden-Württemberg vorgesehenen Veranstaltungsverbote seien rechtmäßig gewesen.
Zwar waren die Verbote für den Kläger ein Eingriff in seine Rechte. Doch dieser Eingriff war gerechtfertigt. Der Grund: die besondere Lage der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020.
Ullrich Herrmann, Vorsitzender des Dritten Zivilsenats, fasst die Situation zusammen: "Seinerzeit stiegen einerseits die Infektionszahlen und Todesfälle exponentiell, und andererseits gab es noch keine Impfstoffe oder wirksame Medikamente. Deshalb waren die Kontaktbeschränkungen durch die Reduzierung zwischenmenschlicher Begegnungen, insbesondere nach den Lageberichten des zu dieser Beurteilung berufenen Robert Koch-Instituts geeignet und erforderlich, um das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen."
Damit einhergehend musste die Überlastung des Gesundheitssystems, wie sie in anderen Staaten der Europäischen Union bereits eingetreten war, verhindert werden, so Herrmann.
Ausstiegsstrategie, Öffnungskonzept und finanzielle Hilfen
Der BGH betont: Bei der Verabschiedung der Corona-Schutzmaßnahmen hätte der Staat außerdem einen verfassungsgemäßen Ausgleich gefunden zwischen den Grundrechtsbeeinträchtigungen und dem Gemeinwohl. Die Veranstaltungsverbote seien zeitlich befristet gewesen. Es habe eine Ausstiegsstrategie und ein stufenweises Öffnungskonzept gegeben.
Und dann habe die öffentliche Hand mit den Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmer und Soloselbständige auch finanzielle Hilfen angeboten. Allein in Baden-Württemberg seien Hilfen von mehr als zwei Milliarden Euro bewilligt worden.
Wird Verfassungsgericht nächste Instanz?
Der klagende Musiker zeigte sich nach dem Urteil enttäuscht: "Das Leben und die Gesundheit der Kultur wurde nicht geschützt. Ich werde mich jetzt mit meinem Anwalt besprechen, wie wir damit umgehen, und wir behalten uns vor, auch vor das Verfassungsgericht zu ziehen."
Die Erfolgschancen einer solchen Klage sind angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Corona-Schutzmaßnahmen allerdings fraglich.
(Aktenzeichen: III ZR 54/22)