Gewalt gegen Klimaaktivisten 142 Verfahren wegen Angriffen auf "Letzte Generation"
Bundesweit sind 142 Ermittlungsverfahren wegen Angriffen auf die "Letzte Generation" eingeleitet worden, wie rbb-Recherchen zeigen. In den meisten Fällen gehe es um Körperverletzung, außerdem um Nötigung und Beleidigung.
Wegen Übergriffen auf Klimaaktivisten der Gruppe "Letzte Generation" sind nach Recherchen des rbb bundesweit bisher weit mehr als 100 Ermittlungsverfahren gegen Autofahrer oder Passanten eingeleitet worden. 47 Strafverfolgungsbehörden antworteten auf eine Abfrage von rbb24 Recherche und meldeten insgesamt 142 Ermittlungsverfahren (Stichtag 20. Juli). Davon entfielen allein 99 auf die Hauptstadt Berlin.
In den meisten Fällen gehe es um Körperverletzung. Weitere Tatvorwürfe seien Nötigung und Beleidigung. 70 Verfahren seien noch nicht abgeschlossen, in zwei Fällen seien Strafbefehle beantragt worden. Dabei geht es den Angaben zufolge zum einen um einen Mann, der bei einer Blockade am Hermannplatz in Berlin versucht hatte, die Hand eines Aktivisten mit einem Feuerzeug anzuzünden. In dem zweiten Fall hatte ein Beschuldigter laut rbb eine Aktivistin von der Straße gerissen, obwohl sie bereits festgeklebt war.
Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft laut dem Bericht in allen Fällen, ob die gewalttätigen Übergriffe auch als Notwehr eingestuft werden können. Damit wären sie nicht strafbar. Dies habe bisher jedoch in keinem Fall zugetroffen.
Dunkelziffer dürfte höher sein
Da die Teilnehmer der Blockaden der "Letzten Generation" dem Bericht zufolge selbst nur selten Anzeige erstatten, dürfte die Zahl der Übergriffe laut Expertenmeinung weitaus höher liegen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen dennoch ermitteln, wenn sie Kenntnis von Übergriffen erlangen.
Die "Letzte Generation" macht seit 2022 regelmäßig mit Sitzblockaden auf Straßen, aber auch mit anderen Aktionen auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam. Die Klimaaktivisten stehen dabei auch selbst im Fokus von Polizei und Staatsanwaltschaft. Es geht dabei um unterschiedliche Tatbestände wie Sachbeschädigung, Nötigung oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Bei der Berliner Staatsanwaltschaft sind nach Angaben aus der vergangenen Woche bisher rund 2.000 Verfahren gelandet.
Disziplinarverfahren gegen Polizistin
Für eine Bundespolizistin könnten ihre Aktivitäten bei der "Letzten Generation" derweil Konsequenzen haben. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa wurde gegen Chiara Malz inzwischen ein Disziplinarverfahren eröffnet. Ihr Arbeitgeber, die Bundespolizei, wollte sich dazu nicht äußern. Ein Sprecher des Bundespolizeipräsidiums in Potsdam teilte auf Anfrage mit: "Aus Gründen des Personaldatenschutzes kann sich die Bundespolizei nicht zu laufenden Personalvorgängen äußern." Dies gelte sowohl in diesem wie auch im Fall der Bundespolizistin Claudia Pechstein.
Die "Welt am Sonntag" hatte berichtet, innerhalb der Bewegung "Letzte Generation" gebe es eine Arbeitsgruppe "Polizeivernetzung". "Das Netzwerk erstreckt sich über mehrere Bundesländer und Behörden und vergrößert sich ständig", sagte Malz der Zeitung. Außer ihr seien sieben weitere Beamte im engeren Netzwerk der Klimaaktivisten tätig.
"Mit 80 bis 100 weiteren Polizisten stehen wir in Kontakt", sagte Malz. Die Polizistin kümmere sich um die Vernetzung und erkläre innerhalb der "Letzten Generation" die Polizeiarbeit. "Der Austausch findet in beide Richtungen statt."