"Institut für Staatspolitik" Löst sich die neurechte Denkfabrik wirklich auf?
Der neurechte Vordenker Götz Kubitschek hat diese Woche bekannt gegeben, dass sich sein "Verein für Staatspolitik" aufgelöst hat. Vieles spricht dafür, dass es trotzdem weitergeht wie bisher.
Der Schritt kam auch für langjährige Beobachter überraschend. Am Montag veröffentlichte Götz Kubitschek in der neurechten Zeitschrift "Sezession" einen Onlineartikel, in dem er mitteilte: "Das Institut für Staatspolitik ist Geschichte". Genau genommen geht es um den "Verein für Staatspolitik" in Schnellroda in Sachsen-Anhalt, den Kubitschek seit seiner Gründung im Jahre 2000 als "Institut" betrieb.
Das "Institut für Staatspolitik" (IfS) war über viele Jahre eine zentrale Institution der neurechten Szene, mit Kubitschek als Spiritus Rector. Der Verein wurde seit April 2020 vom Bundesamt für Verfassungsschutz zunächst als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet, seit April 2023 dann als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung. Der Landesverfassungsschutz in Sachsen-Anhalt hatte diese Einstufung bereits 2019 vorgenommen.
Zentrum der Neuen Rechten
Kubitscheks "Institut" war in den vergangenen Jahren zu einer Art intellektuellem Zentrum der Neuen Rechten geworden. Neben dem Verein betreibt Kubitschek den Verlag "Antaios", der einschlägige Bücher herausgibt, zuletzt von Martin Sellner, dem Aktivisten der österreichischen "Identitären".
Sellner gehört auch zu den Autoren der Zeitschrift "Sezession", die das IfS herausgegeben hat. Er ist seit Jahren eng verbunden mit Kubitschek, den er als Mentor verehrt. Aktivisten der "Identitären" wurden bei Veranstaltungen in Schnellroda geschult.
Kubitschek war es mit seinem "Institut" gelungen, mit Hilfe zahlreicher Publikationen, Veranstaltungen und Tagungen zu einem zentralen Begegnungsort für die neurechte Szene zu werden und eine Art Think Tank zu etablieren. Dabei ist die Bedeutungszunahme im Laufe der Jahre eng mit dem Aufstieg der AfD verbunden. Kubitschek ist seit Jahren Stratege und Vordenker im vorparlamentarischen Raum und Wegbereiter einer gezielten Diskursverschiebung.
AfD-Funktionäre waren Gäste
Zahlreiche AfD-Funktionäre waren in den vergangenen Jahren zu Gast in Schnellroda - von Alexander Gauland, Andreas Kalbitz bis und Alice Weidel, Christoph Bernd aus Brandenburg, Hans-Thomas Tillschneider aus Sachsen-Anhalt oder der Spitzenkandidat im Europawahlkampf, Maximilian Krah aus Sachsen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Manche kamen regelmäßig. Allen voran fühlt sich Kubitschek mit dem Thüringer AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke verbunden.
In Sicherheitskreisen gilt der Mann aus Schnellroda als "Spinne im Netz". Auch deshalb, weil in seinem IfS wiederholt wichtige Strategietreffen mit Beteiligung von AfD-Spitzenfunktionären stattfanden.
Kubitschek weiß um seine Rolle und seine Bedeutung für die Neue Rechte und die AfD. Dabei ist tatsächlich unklar, ob er selbst Mitglied ist - nach eigener Aussage nicht, doch das ist schon einige Jahre her.
Selbstinszenierung war immer ein wesentlicher Bestandteil seines Erfolgskonzepts. Allein die Bezeichnung "Institut für Staatspolitik" macht das deutlich - klang das doch eher nach der Forschungseinrichtung einer renommierten Universität als nach dem, was es tatsächlich war.
Götz Kubitschek gilt als Vordenker der Neuen Rechten.
Ärger mit dem Finanzamt
Kubitschek lebt mit seiner Familie in einem ehemaligen "Rittergut", das man auch als Drei-Seiten-Hof bezeichnen könnte. Das Ehepaar soll sich siezen. Man gefällt sich in der Rolle elitärer Intellektueller. Außer Frage steht jedoch, dass das Geschäftsmodell IfS fast 25 Jahre lang aufging. Warum also löst sich der Verein jetzt auf?
Kubitschek selbst gibt Antworten auf diese Frage. Sie dürften jedoch nur ein Teil der Wahrheit sein. Richtig ist, dass das Finanzamt dem Verein 2019 bereits die Gemeinnützigkeit aberkannte, was mit steuerlichen Nachteilen verbunden ist. Das "Institut für Staatspolitik" sei "eine durchlöcherte Zielscheibe, und da es seine Gemeinnützigkeit seit Jahren und endgültig eingebüßt hat, gab es für uns keinen Grund mehr, eine komplizierte und anfällige Vereinsstruktur" aufrechtzuerhalten, führt Kubitschek an.
Dennoch erklärt das die Entscheidung nicht allein. Naheliegend ist, dass es darüber hinaus strategische Gründe gibt: Auf diese Weise kommt Kubitschek einem Vereinsverbot zuvor, von dem er zumindest annehmen könnte, dass es über kurz oder lang drohen könnte. In diesem Fall wäre die Ausgangslage für die Zeitschrift und den Verlag wesentlich schwieriger gewesen.
Unternehmensgründungen ersetzen Verein
Die Zeitschrift hat Kubitschek nach eigenem Bekunden an seinen langjährigen Vertrauten Erik Lehnert verkauft, der nun Herausgeber der "Sezession" ist. Lehnert gehörte seit Jahren zum Inventar des IfS, war seit 2008 Geschäftsführer. Für den Kauf gründete er eigens ein Unternehmen mit dem Namen "Metapolitik". Der Verkauf führt de facto zu einer noch engeren Verzahnung der Zeitschrift mit der AfD, denn Lehnert ist darüber hinaus Mitarbeiter der AfD-Fraktion im brandenburgischen Landtag.
Seinen Verlag betreibt Kubitschek weiter. Allerdings wird auch dieser vom Verfassungsschutz beobachtet, seit 2021 als "rechtsextremistischer Verdachtsfall".
Doch auch Kubitschek hat ein Unternehmen gegründet, das sich "Menschenpark" nennt. Vermutlich dient es dem Zweck, die Veranstaltungen weiterzuführen, die bisher über den Verein organisiert wurden. Das würde bedeuten, dass mehr oder minder nur das Türschild geändert wird. Einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgeht Kubitschek damit im Übrigen nicht.
In einer früheren Version der Textes hieß es, dass Tino Chrupalla zu Gast in Schnellroda war. Das ist nicht korrekt. Die Stelle wurde korrigiert.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen