Studie zum Sicherheitsempfinden Viele haben dieses mulmige Gefühl
Kriminalstatistiken erfassen längst nicht jede Straftat - und auch nicht die Angst vor Straftaten. Eine neue Studie zeigt nun, dass sich viele Bürger unsicher und sogar bedroht fühlen - insbesondere Frauen.
Nachts allein in Bus oder U-Bahn - das fühlt sich vor allem für viele Frauen nicht gut an, wie eine einer Befragung ergab, deren Ergebnisse der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, und die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Berlin vorstellten. Demnach sagen etwas mehr als die Hälfte der Frauen, dass sie nachts nicht in öffentliche Verkehrsmittel steigen, weil sie sich unsicher oder sogar bedroht fühlen. "Das können wir nicht hinnehmen", stellt Faeser klar:
Dieser zunehmenden Kriminalitätsfurcht müssen wir begegnen. Wir brauchen mehr Präsenz von Personal auch in Verkehrsmitteln. Oder aber auch höhere Polizeipräsenz an manchen Orten und mehr Videoüberwachung.
Einige haben zum Schutz Messer oder Reizgas dabei
Denn vor allem Frauen meiden nicht nur den öffentlichen Nahverkehr bei Dunkelheit - 58 Prozent von ihnen machen auch einen Bogen um bestimmte Plätze oder Parks in ihrer Umgebung. Bei Männern ist die Quote nur halb so hoch. Um sich zu schützen, tragen 1,5 Prozent der Bevölkerung oft ein Messer bei sich, fast vier Prozent Reizgas. Die Autoren der Studie sprechen von einem erheblichen Bewaffnungsgrad mit Blick auf die absoluten Zahlen.
Die Befragung mit mehr als 45.000 Teilnehmern ist laut BKA die größte, die es in Deutschland je zu Erfahrungen mit Kriminalität gegeben hat.
Trotz allem stellt die Innenministerin fest: Deutschland gehöre zu den sichersten Ländern der Welt. Laut der Untersuchung vertraut die große Mehrheit der Menschen der Polizei und hält ihre Entscheidungen für fair.
Anders sieht das bei Menschen mit Migrationsgeschichte aus: Knapp die Hälfte von ihnen meint, dass Polizistinnen und Polizisten das Mitgefühl fehle. Bei Menschen ohne Migrationshintergrund sagt das nur gut ein Fünftel. "Wir sollten in allen Polizeibehörden mehr dafür tun, um offener und sensibler für die Erfahrungen mit Menschen mit Migrationsgeschichte zu werden", so Faeser.
Angst vor Kriminalität im Netz gestiegen
Immer mehr Menschen in Deutschland machen die Erfahrung, dass sich Kriminalität öfter im virtuellen Raum abspielt. Verbrechen im Web, sogenannter Cybercrime, haben um 66 Prozent zugenommen, während Fälle rund um Diebstahlskriminalität um 37 Prozent abgenommen haben. Laut BKA-Chef Münch hätten die Menschen zunehmend Angst, Opfer von Straftaten im Netz zu werden. "Diese Sorge ist deutlich stärker verbreitet als die Beunruhigung, von anderen Straftaten betroffen zu sein", so Münch. "Auch die Risikoeinschätzung, selbst Opfer einer Straftat zu werden, ist für Betrug im Internet am höchsten."
Es geht vor allem um Beleidigungen im Netz, um Betrug beim Online-Shopping oder den Missbrauch persönlicher Daten. Was den Behörden Sorgen macht: Nur vergleichsweise wenige Fälle aus diesem Bereich werden auch angezeigt - nämlich gerade einmal 18 Prozent. "Das heißt auch, dass wir eine Verschiebung haben - aus dem analogen Hellfeld aufgrund einer hohen Anzeigequote ins digitale Dunkelfeld", sagt Münch.
Eine einsame Bushaltestelle am Scheidplatz in München. Vor allem Frauen haben Nachts in Bus oder Bahn ein mulmiges Gefühl.
Wenig Anzeigen bei sexualisierter Gewalt
Zu groß ist aus Sicht der Behörden auch die Dunkelziffer bei sexualisierter Gewalt. Nach der Studie wird gerade einmal ein Prozent der Fälle angezeigt. Zum Vergleich: Beim Diebstahl von Autos sind es 92 Prozent.
Innenministerin Faeser fordert mehr offizielle Ansprechpartner für Opfer sexualisierter Gewalt. Die niedrige Anzeigequote erklärt sich für die Ministerin unter anderem damit, dass sich die Taten im privaten Nahfeld ereignen. Die zeigt man nicht so schnell an, als wenn Fremde diese Übergriffe begehen.
Bevölkerung soll zukünftig alle zwei Jahre befragt werden
Die Dunkelfeldstudie ist ein Blick zurück - auf das Sicherheitsgefühl der Menschen und ihre Erlebnisse mit Kriminalität vor zwei Jahren. Die Autoren haben knapp 50.000 Bundesbürger Ende 2020 gefragt. Also in einer Zeit, in der die Corona-Pandemie eine andere Rolle spielte als heute und der Krieg gegen die Ukraine mit seinen Konsequenzen noch in der Zukunft lag. Ab sofort, so kündigt es BKA-Chef Münch an, will seine Behörde eine solche Befragung der Bevölkerung alle zwei Jahre starten.