Rückblick auf besondere Suchaktion Die Löwin, die ein Wildschwein war
Vor einem Jahr tauchte ein Handyvideo von einem Tier im Wald von Kleinmachnow auf. Es sah einer Löwin so ähnlich, dass die Polizei mit Großaufgebot die Region durchkämmte. Was bleibt vom Aufreger des Sommers 2023?
Auch ein Jahr danach ist Michael Grubert, Bürgermeister von Kleinmachnow, noch beeindruckt über die Dynamik der Ereignisse rund um die vermeintliche Löwin. Um 6 Uhr habe er es erfahren, um 8 Uhr war schon die Hölle los, um 10 Uhr der Marktplatz voll mit Journalisten, erzählt er.
Innerhalb kürzester Zeit wurde weltweit berichtet: Kleinmachnow vor den Toren Berlins sucht eine Löwin. Bürgermeister Grubert ist im Dauereinsatz, er organisiert und gibt Interviews, auch Medien aus Israel, den USA und Großbritannien.
Die Ursache dieses Mediensturms ist nur wenige Sekunden lang und ziemlich verwackelt: ein Handyvideo, das ein Tier zeigt, das einer Löwin zumindest stark ähnelt. Als es die Polizei erreicht, reagiert die sofort und durchkämmt mit einem Großaufgebot von mehreren hundert Polizisten das Waldstück.
Drohnen, Wärmebildkameras, Hubschrauber kommen zum Einsatz. Die Anwohner werden aufgefordert, zuhause zu bleiben und auch das Gassigehen mit dem Hund möglichst zu begrenzen, um unliebsame Begegnungen zu vermeiden. Hunde entsprechen durchaus dem Beuteschema der Großkatzen - vielleicht sogar Menschen?
Großaufgebot von mehreren hundert Polizisten - die Suchaktion hielt Berlin in Atem.
Der Aufwand war maximal, die Aufregung auch
Auch wenn es von Anfang an Zweifel gibt an der Löwenidentität des abgebildeten Tiers - man tut erst mal so, als wäre es so. Sicherheit geht vor. Wildtierexperten werden befragt: Was tun, wenn man zufällig einem Löwen begegnet?
Dabei gib es ernste und auch weniger ernsthafte Verhaltensregeln: "Kein Selfie mit dem Tier" lautet eine Empfehlung. Eine andere: "nicht in den Schwitzkasten nehmen". Oder: Wenn möglich, unter ein Auto rollen (sich, nicht den Löwen).
Manchmal widersprechen sich die Regeln auch: Während ein Experte empfiehlt, Blickkontakt aufzunehmen, rät ein anderer genau davon ab - das Tier könne sich provoziert fühlen. Aber alle legen nahe: Ruhe bewahren, langsame Bewegungen, ein Schnellkurs in Sachen Löwenkontakt. Und einiges davon könnte ja auch im Umgang mit Wildschweinen hilfreich sein, die sind schließlich auch nicht ungefährlich.
Keine weiteren Spuren einer Löwin
Doch die Zweifel wachsen: Ist die Löwin womöglich doch keine? Es spricht einiges dagegen. Neben der Wahrscheinlichkeit auch zum Beispiel, dass keine Löwin vermisst gemeldet wurde.
Wenn es denn eine Löwin gewesen wäre, hätte sie sich auch gar nicht unbemerkt bewegen können, so Bürgermeister Grubert. Denn hinter jedem Baum ungefähr steht ein Polizist. Eine These ist, dass es sich um einen kaukasischen Schäferhund handeln könnte. Doch das wird wieder verworfen.
Aus der Bevölkerung gibt es zahlreiche Hinweise an die Polizei: Einer hat etwas rascheln hören, jemand ein hellbraunes Tier davonspringen sehen, ein Hund hat plötzlich extrem mit Knurren und gesträubten Nackenhaaren reagiert. Mit großer Lust und ein bisschen Grusel beteiligen sich alle am Löwenspektakel.
Endlich mal etwas anderes als Krieg und Krise
Auch im Netz werden fröhlich lustige Löwengeschichten hin- und hergeschickt. Die Suche nach dem Tier inspiriert zahlreiche Witzbolde zu Filmchen: Ein Berliner Radfahrer streitet mit einer Löwin um die Nutzung des Radwegs. Ein Löwenkind fragt besorgt seinen Vater: Papa, ist Mama wirklich ein Wildschwein? Im Filmvorspanns der US-amerikanischen Filmproduktionsgesellschaft Metro Goldwyn Mayer, in dem traditionell ein Löwe brüllt, erscheint in manchen Internetversionen stattdessen ein Wildschwein.
Am Ende wird nichts gefunden, das auf eine Raubkatze hinweist - weder Fell, noch Kot, noch Spuren. Stattdessen: ein Borstenhaar. Laut Analyse stammt es von einem Wildschwein.
Rund 35 Stunden nach Auftauchen des Videos gibt der Bürgermeister eine Pressekonferenz. Er präsentiert eine Abbildung mit der vermeintlichen Kleinmachnower Löwin und einer echten. Die unterschiedliche Linienführung des Rückens zeige deutlich, dass das Tier am Baum keine Löwin ist.
Bürgermeister Michael Grubert präsentiert eine Abbildung mit der vermeintlichen Kleinmachnower Löwin und einer echten.
Für das nächste Mal gibt es einen Plan
Der Bürgermeister kann inzwischen schmunzeln, wenn er an die Zeit denkt. Er erzählt, es wurden ernsthafte Schlüsse gezogen. Jetzt verfügt die Gemeinde Kleinmachnow über eine Art Katastrophenplan, wenn es mal wieder zu einem solchen Krisenfall kommen würde.
Was wäre dann anders? Ganz einfach: Das Rathaus werde abgesperrt, damit kein Unbefugter Zutritt habe und irgendwelche Gerüchte nach außen streue. Zudem gebe es nun einen Einsatzraum mit Laptops und auch die Zuständigkeiten seien geklärt.
Michael Grubert ist aber noch etwas anderes wichtig: "Der Zusammenhalt in der Gemeinde war gut." Eine wichtige Erfahrung, falls wieder mal etwas passiert.
Und da sich Kleinmachnow den Löwen im Allgemeinen nun besonders verbunden fühlt, ließen Stadtverwaltung und Bürgermeister dem Zoo im nicht weit entfernten Eberswalde eine Spende zukommen.