Fußball-Nationalspieler Kimmich löst mit Impfskepsis Diskussionen aus
Fußball-Nationalspieler Kimmich will sich vorerst nicht gegen Corona impfen lassen - und hat damit eine breite Diskussion ausgelöst. Denn er begründet seine Haltung mit fehlenden Langzeitstudien. Wissenschaftler sehen Klärungsbedarf.
Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich hat bestätigt, dass er bislang nicht gegen Corona geimpft ist - und hat mit seiner skeptischen Haltung eine breite Diskussion ausgelöst. Das vorläufige Nein des Profis zu einer Corona-Impfung stößt bei Politikern, Fußballern und Experten mehrheitlich auf Kritik.
"Es ist nicht gut, dass er nicht geimpft ist", sagte etwa der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bei Sport1. "Wenn er sagt, er wartet ab, dann ist das schwierig". Der langjährige Vorstandschef des FC Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge, sagte dem TV-Sender Bild: "Als Vorbild, aber auch als Fakt wäre es besser, er wäre geimpft."
Bedenken wegen "fehlender Langzeitstudien"
Am Samstag hatte Kimmich im TV-Sender Sky gesagt, bislang nicht gegen Covid-19 geimpft zu sein, nachdem die "Bild" seinen Impfstatus öffentlich machte. Der 26-Jährige erklärte, dass es "sehr gut möglich" sei, dass er sich in Zukunft impfen lasse, er aber "persönlich noch ein paar Bedenken" habe, "gerade, was fehlende Langzeitstudien angeht".
Der Bayern-Profi distanzierte sich im Interview von Gruppen der "Corona-Leugner oder Impfgegner". Aber es gebe eben auch Menschen, die aus verschiedenen Gründen Bedenken hätten, sagte Kimmich. "Auch das sollte man respektieren, vor allem, so lange man sich an die Maßnahmen hält." Er finde es schade, dass es bei der Thematik "nur noch geimpft oder nicht geimpft" gebe.
Immunologe sieht Missverständnis
Der Immunologe Carsten Watzl sprach in Bezug auf mögliche Langzeitfolgen von Impfungen von einem "Missverständnis, das sich bei vielen Menschen hartnäckig hält". Er verwies darauf, dass Nebenwirkungen einer Impfung immer innerhalb von wenigen Wochen nach der Impfung auftreten. Danach sei die Immunreaktion abgeschlossen und der Impfstoff aus dem Körper verschwunden, sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie der Nachrichtenagentur dpa.
"Was offensichtlich viele Menschen unter Langzeitfolgen verstehen - nämlich, dass ich heute geimpft werde und nächstes Jahr eine Nebenwirkung auftritt - das gibt es nicht, hat es noch nie gegeben und wird auch bei der Covid-19-Impfung nicht auftreten", erläuterte der Experte. Was bei Impfungen unter Langzeitfolgen verstanden werde, seien hingegen Nebenwirkungen, "die so selten sind, dass es manchmal Jahre braucht, bis man sie mit der Impfung in Zusammenhang gebracht hat".
Der große Vorteil bei den Impfungen gegen das Coronavirus sei, "dass wir diesen Impfstoff in kurzer Zeit bei vielen Menschen angewendet haben". In Deutschland seien es mehr als 100 Millionen Dosen, weltweit mehr als sechs Milliarden. Daher kenne man bereits mögliche seltene Nebenwirkungen wie Sinusvenenthrombosen oder Myokarditis. "Hätten wir jedes Jahr nur zehn Millionen Impfungen durchgeführt, könnte es sein, dass man diese Nebenwirkungen erst viel später erkannt hätte", sagte Watzl und betonte: "Wenn überhaupt sind die Covid-19 Impfstoffe in Bezug auf Langzeitfolgen (seltene Nebenwirkungen) also bereits besser erforscht als andere Impfungen."
Längere Quarantäne bei Infektion
Kimmich ist der erste namhafte Bundesliga-Profi, der seinen Status als Ungeimpfter öffentlich macht und dies begründet. Er folgt mit seiner Entscheidung nicht der Empfehlung seines Arbeitgebers, vor dessen Stadion zum sechsten Mal ein Impfbus der Stadt München Halt machte. "Der FC Bayern empfiehlt, sich impfen zu lassen, genauso wie ich persönlich, um unter anderem vielleicht allen ein normaleres Leben zu ermöglichen", sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic.
Die "Bild" hatte von fünf ungeimpften Bayern-Profis berichtet, das würde eine Impfquote von über 80 Prozent bedeuten. Nicht geimpfte Profis müssen sich zwei wöchentlichen PCR-Tests oder Fremd-Antigentests an allen Trainings-, Spiel- und Reisetagen unterziehen. Im Falle einer Infektion müssten sie grundsätzlich länger in Quarantäne, was den Mannschaftserfolg beeinflussen kann.
Solch ein Szenario wäre für alle Beteiligten bitter, sagte Mannschaftskollege Thomas Müller. Der Vizekapitän sieht in der persönlichen Beziehung zu Kimmich verschiedene Facetten. Aus Sicht als "Freund" sei es eine "absolut akzeptable Entscheidung", sagte Müller. Als "Teamkollege" und mit dem Blick auf die Pandemie-Lage wäre ein Impfung besser. "Aber genauso muss man irgendwie auch versuchen, das zu respektieren. Das ist ein schmaler Grat, das ist ein ethische, moralische Diskussion", sagte der 32-Jährige.
Hoffnung auf schnelles Umdenken
Nachteile beim FC Bayern oder bei der Nationalmannschaft hat Kimmich keine zu befürchten. Zwingen kann ein Club seine Stars nicht, auch bei FIFA und UEFA gibt es keinen Impfzwang. DFB-Teamarzt Tim Meyer, auch für die Hygienekonzepte bei DFL und UEFA mitverantwortlich, gilt als Impfbefürworter. "Nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand ist die Schutzwirkung von Impfungen gegenüber schweren Verläufen exzellent", sagte Meyer kürzlich. Darauf dürften auch die Ärzte in München Kimmich hingewiesen haben.
Zahlreiche Politiker und Experten hatten in den vergangenen Wochen wiederholt an unschlüssige Bürgerinnen und Bürger appelliert, sich impfen zu lassen. Dies hoffen nun auch unter anderem Rummenigge und Lauterbach. "Ich bin überzeugt, das hat er ja auch angekündigt, dass er möglicherweise zeitnah sich jetzt impfen lässt", sagte Rummenigge. "Am besten wäre es, wenn die Impfung noch käme und dass man jetzt keinen großen Druck aufbaut", sagte Lauterbach. "Es ist Joshua Kimmichs eigene Entscheidung. Wir dürfen keinen Druck aufbauen, aber es wäre sehr wertvoll - davon geht eine enorme Symbolwirkung aus."
Auch Bayer Leverkusens Sportdirektor Simon Rolfes betonte die Vorbildfunktion von Profis. "Bei uns sind alle geimpft oder genesen, 2G in der Mannschaft und im Staff. So behandeln wir das auch bei den Fans", sagte der frühere deutsche Nationalspieler bei DAZN. "Es ist wichtig für die Solidarität in der Gesellschaft, dass Spieler vorangehen, deshalb haben wir viel mit den Spielern gesprochen und sie überzeugen können."