"Graue Wölfe" Warum Özils Tattoo ein Problem ist
Ex-Nationalspieler Özil posiert auf Instagram und gibt den Blick auf ein Tattoo frei: ein heulender Wolf, eine Flagge mit drei Halbmonden. Es sind Symbole der rechtsextremistischen "Grauen Wölfe". Was dahintersteckt.
Das Foto hat sein türkischer Fitnesstrainer Alper Aksaç veröffentlicht. Mesut Özil selbst hat es auf seinem Instagram-Profil nicht geteilt, äußert sich bisher auch nicht dazu. Trotzdem gibt es viele Reaktionen. Empörte Nutzer schreiben unter dem Foto, dass sie Özil Rassismus und Nationalismus vorwerfen.
Auch der Politikwissenschaftler und Türkei-Experte Burak Çopur hält Özils Verhalten für höchst bedenklich. "Er ist ein Fußballstar, ein Vorbild, Träger des Integrationspreises und zeigt völlig unreflektiert seine Sympathien mit der rechtsextremistischen Bewegung der Grauen Wölfe", sagt Çopur.
In Deutschland weit verbreitet
Die Ideologie hinter der Bewegung ist türkisch-nationalistisch. Ihr Ziel ist es, ein türkisches Großreich zu errichten, in dem alle Turkvölker vom Balkan über Zentralasien bis nach China vereint werden. Die Anhänger verstehen sich als eine islamisch-türkische Herrenrasse. Minderheiten wie Kurden, Armenier, Juden oder auch politische Gegner werden als Feinde angesehen, denen die "Grauen Wölfe" teils mit Gewalt begegnen. Seit Jahrzehnten verüben Anhänger immer wieder Anschläge und Attentate - so schreibt es unter anderem die Bundeszentrale für politische Bildung.
Auch in Deutschland ist die Bewegung weit verbreitet und dem Rechtsextremismus zuzuordnen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet sie deshalb. Etwa 12.000 Personen sollen hierzulande entsprechenden Dachverbänden, kleineren Vereinen oder Moscheegemeinden angehören. Es gibt nachgewiesene Verbindungen zur organisierten Kriminalität - etwa zur verbotenen Rockergruppe "Osmanen Germania".
Am Rande von Kurden-Demonstrationen ist es immer wieder zu Provokationen und Übergriffen durch Anhänger der "Grauen Wölfe" gekommen. Das bestätigte die damalige Bundesregierung im Sommer 2020 in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion.
Außerdem verbreiten die "Grauen Wölfe" auch hierzulande ihre anti-demokratische, anti-europäische, rassistische Ideologie und versuchen, Lobbyarbeit für ihre Vorstellung von einem groß-türkischen Nationalstaat zu machen. So haben Recherchen von Çopur und anderen Wissenschaftlern offengelegt, dass Anhänger der Bewegung Mitglied in Parteien wie CDU, SPD und FDP wurden, um die deutsche Politik im eigenen Sinn zu beeinflussen.
"Eine Art politische Radikalisierung"
Auch in der Jugendarbeit sind sie aktiv. Eigene Sport- und Kulturvereine dienen als Zugang, um die meist türkischstämmigen Jugendlichen früh an die Denkweisen der Bewegung heranzuführen. "Sie fördern hier eine anti-westliche Haltung unter den Jugendlichen. Und das ist höchst besorgniserregend mit Blick auf die Integration dieser jungen Menschen in Deutschland," so Türkei-Experte Çopur.
Umso fataler, dass sich jetzt auch ein Fußballstar wie Özil mit Vorbildfunktion gerade bei jungen Deutsch-Türken offen zu der Bewegung bekennt. Allerdings müsse das Posting im Kontext gesehen werden, sagt Hacı-Halil Uslucan, Professor für Moderne Türkeistudien und Integrationsforschung an der Universität Duisburg-Essen. In der Türkei, wo Özil mittlerweile lebt, seien die "Grauen Wölfe" Teil des politischen Mainstreams. Sie sind über die Partei MHP sogar an der Regierung beteiligt. "Özil ist mit seiner Haltung dort Teil einer großen politischen Gruppe, schwimmt quasi mit der Masse mit", so Uslucan.
Die Nähe von Özil zur regierenden AKP und dem türkischen Präsidenten ist bekannt. Er hat sich 2018 mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ablichten lassen, hat ihn ein Jahr später zu seiner Hochzeit eingeladen. "Dass er sich jetzt mit dem Wolf und den drei Halbmonden zeigt, offenbart eine Art politische Radikalisierung. Früher hat er sich nicht so politisch geäußert", sagt Uslucan.
Verbot in Deutschland wird geprüft
Die Problematik ist nicht nur im deutsch-türkischen Kontext vorhanden. Auch andere europäische Länder setzen sich mit den "Grauen Wölfen" und ihrer versuchten Einflussnahme auseinander. Österreich hat deswegen 2019 die Symbole der "Grauen Wölfe" verboten. Frankreich setzte die gesamte Bewegung auf den Index.
Der Deutsche Bundestag hat 2020 beschlossen, ein Verbot der "Grauen Wölfe" prüfen zu lassen. Bisher gibt es allerdings noch kein Ergebnis. Türkei-Experte Çopur findet das unverständlich: "Es ist höchste Zeit, dass die Politik nicht immer nur aufschreit. Sie muss ein klares Zeichen dafür setzen, dass die 'Grauen Wölfe' nicht mehr geduldet sind."