Gedenktag für Drogentote Schmetterlinge für drogenkranke Menschen
Farbenfroh gedenken Initiativen und Angehörige jener Menschen, die durch Drogenkonsum gestorben sind. Ein vermeidbarer Tod? Viele sagen, mehr sichere Räume und mehr Akzeptanz könnten mehr Leben retten.
Bunte Schmetterlinge aus Kreidefarbe zieren den Weg vom Kottbusser Tor bis zum Oranienplatz im Berliner Stadtteil Kreuzberg. "Jeder Schmetterling soll für einen der insgesamt 271 Berliner Drogentoten stehen", erklärt Martina Hoffmann, Organisatorin der Berliner Kundgebung zum Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende. Jedes Jahr wird am 21. Juli bundesweit an sie erinnert.
Eine von den Angehörigen ist Momo. Gemeinsam mit einer Freundin hält sie ein Schild. "Du fehlst Tristan 2000-2023" steht mit weißen Großbuchstaben auf einer Seite des schwarzen Kartons.
Tod durch Überdosis - Momo erinnert mit einem Schild an ihren verstorbenen Partner.
Momo ist 24 Jahre alt und seit dem Tod ihres Partners Tristan, der im vergangenen Jahr mit 22 Jahren an einer Überdosis gestorben sei, spielt der Gedenktag für sie eine besonders wichtige Rolle im Leben.
"Er war der Mensch, bei dem ich keine Angst hatte, er war der Mensch, wo ich wusste, ich werde geliebt", erinnert sie sich. Sie lernen sich mit 17 Jahren in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in Norddeutschland kennen und waren mehr als fünf Jahre ein Paar.
Doppelt so viele Drogentote wie vor zehn Jahren
Die Zahl der Drogentoten ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Mit bundesweit 2.227 Drogentoten wurde 2023 die höchste Zahl jemals registriert. Ein Anstieg um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Vor zehn Jahren waren es noch weniger als die Hälfte. Ein Großteil der Verstorbenen sind Männer, nur rund 17 Prozent sind Frauen. Die Dunkelziffer derer, die am Drogenkonsum und dessen Auswirkungen verstorben sind, wird von Expertinnen und Experten noch deutlich höher geschätzt.
Die Zahlen des Bundeskriminalamtes zeigen deutlich: Die tödlichste Droge bleibt Heroin. Bei 712 Todesfällen aus dem vergangenen Jahr spielte Heroin eine Rolle. Immer mehr Todesfälle treten durch Mischkonsum verschiedener Substanzen auf. Alkohol und Tabak werden in dieser Studie nicht einberechnet.
Sichere Räume für Konsumierende gefordert
Bundesweit finden im Rahmen des Gedenktags Kundgebungen und Aktionen statt. Organisiert wird der Gedenktag vom JES Bundesverband, einem Netzwerk von Vereinen und Initiativen, das sich für die Bedürfnisse drogengebrauchender Menschen einsetzt.
In diesem Jahr steht der Gedenktag unter dem Motto "Safe places - safer use". Die Forderungen des Aktionsbündnisses sind sichere Räume, in denen Betroffene Drogen sicherer konsumieren können, Betreuung und niedrigschwelliger Zugang zu Ersatzmedikation.
Immer wieder fallen in den Reden und bei den Teilnehmenden der Kundgebung Worte wie "Akzeptanz" oder "Entstigmatisierung". Viele Menschen, die Drogen konsumieren und suchtkrank sind, erfahren in ihrem Alltag Ablehnung und Unverständnis für ihre Situation, berichten Betroffene und Angehörige. Dabei wären oft schwere Schicksalsschläge Grund für den Drogengebrauch.
"Das wird stigmatisiert"
Auch Momo hat solche Erfahrungen gemacht: "Menschen, die an Substanzgebrauch versterben, das wird stigmatisiert." Den Menschen werde eine Eigenverantwortung zugeschrieben. "Das ist ganz, ganz schmerzvoll, das muss sich ändern. Weil wir ganz oft nicht wissen, was die Geschichte des Menschen ist."
Akzeptanz fordert auch Nina Pritszens, Geschäftsführerin von vista Berlin, einem Verbund für soziale und therapeutische Arbeit, der Teil des Aktionsbündnisses ist. "Wir brauchen akzeptierende Drogenarbeit, um diese Menschen am Leben zu erhalten und auch um die Kieze zu entlasten", so Pritszens. "Und wir brauchen vor allem eine sachorientierte Drogenpolitik. Strafe und Prohibition schützen tatsächlich niemandem."
Eine bunte Bank als Denkanstoß
Sokrates Z. erzählt, dass er selbst Drogen konsumiert und bereits drei Freunde durch Drogenkonsum verloren hat. "Hilfsangebote fühlen sich eigentlich nur an wie ein Pflaster", sagt er. Sie würden Symptome bekämpfen, aber nicht die Veränderung bringen, die es wirklich brauche. Er fordert die Entkriminalisierung von Drogenkonsum und Orte, an denen Menschen unkompliziert und legal Drogen kaufen können, bei denen sichergestellt sei, dass diese rein seien. "So hätten meine Freunde nicht sterben müssen, das hätte man verhindern können", sagt er.
Eine bunte Bank soll zum Verweilen einladen und daran erinnern, Randgruppen nicht aus dem Blick zu verlieren.
An den bunten Schmetterlingen laufen die Teilnehmenden vorbei, viele von ihnen mit aus Papier gefalteten Schmetterlingen in der Hand, von der Kundgebung bis zum Oranienplatz. Dort wird vom Aktionsbündnis eine bunte Bank eingeweiht. Sie soll dafür stehen, dass auch gesellschaftliche Randgruppen sichere Räume und die Unterstützung der Gesellschaft brauchen.