Vorwürfe an Kanzlerin Merkel Wirbel um Kubickis Chemnitz-Kommentar
FDP-Vizepräsident Kubicki schreibt Kanzlerin Merkel eine Mitschuld an den Unruhen von Chemnitz zu. Viele Liberale distanzieren sich - doch er bekommt auch Zuspruch.
Wie konnte es zu den gewalttätigen Tumulten rechter Gruppierungen in Chemnitz kommen? Der Bundestagsvizepräsident und FDP-Vize Wolfgang Kubicki schreibt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Mitschuld an den Ereignissen zu - zum Unmut vieler in seiner Partei.
"Die Wurzeln für die Ausschreitungen liegen im 'Wir schaffen das' von Kanzlerin Angela Merkel", hatte Kubicki den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland gesagt - er spielte damit auf Merkels Ausspruch über die Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge im Sommer 2015 an.
Lindner: Merkel hat politische Kultur verschlechtert
Viele Liberale distanzierten sich von Kubickis Einlassung. "Schuldzuweisungen unter Demokraten sind daneben und helfen nur den Rechten", sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann, ebenfalls Parteivizechefin der FDP, dem Portal "Huffington Post". "Schuld an den Ausschreitungen sind nicht einzelne Äußerungen der Bundeskanzlerin, sondern Radikalität und Gewaltbereitschaft der Extremen."
Auch die Jungen Liberalen reagierten empört. "Es ist der Stil der Rechtspopulisten, die Verantwortung für Verbrechen einer einzelnen Person zusprechen zu wollen", sagte JuLi-Vorsitzende Ria Schröder dem "Tagesspiegel".
FDP-Chef Christian Lindner twitterte, Merkels Migrationspolitik habe "unsere politische Kultur verändert. Zum Schlechteren." Das sei jedoch keine Erklärung für Hetze, Rassismus und Gewalt. Die Lage in Chemnitz "sollte die Demokraten vereinen und nicht spalten", schrieb er.
Beer nimmt Kubicki in Schutz
FDP-Generalsekretärin Nicola Beer nahm Kubicki in Schutz: Er habe darauf hingewiesen, "dass beim Fortlaufen der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel zwar ein aufmunterndes 'Wir schaffen das' gesagt wurde, aber die realen Probleme dahinter nicht gelöst wurden", sagte sie dem SWR. Kubicki habe klar gemacht, dass an den Ausschreitungen, den Aufrufen zur Selbstjustiz und den Hetzjagden ausschließlich die Schuld seien, die sich daran beteiligt hätten, nämlich Rechtsradikale und Rechtsextremisten, fügte sie hinzu.
Auf Facebook postete Kubicki später eine ausführlichere Version seiner Aussagen, in der es unter anderem heißt: "Die Bürger haben das Gefühl, dass sich der Staat vorführen lässt - von rechts und von links. 'Deutschland ist Scheiße' zu brüllen und Pflastersteine auf Polizisten zu werfen, ist mindestens genauso zu verurteilen wie Hetzjagden von Rechten gegen vermeintliche Migranten."
SPD-Chefin Nahles findet Äußerung "unsäglich"
Mit SPD-Chefin Andrea Nahles äußerte sich auch ein Mitglied einer Regierungspartei. Bei Kubickis Vorwürfen handle es sich um eine "unglaubliche Einlassung", sagte sie dem Sender RTL. Er habe sich in keiner Weise vom rechten Mob distanziert. Sie nannte die Äußerung "unsäglich" und kündigte an: "Das wird sicherlich im Ältestenrat des deutschen Bundestags von uns zur Sprache gebracht werden."
SPD-Chefin Andrea Nahles nannte Kubickis Äußerungen "unglaublich" und "unsäglich".
Kubicki gab zurück, er habe sich "in gleicher Weise vom rechten wie vom linken Mob" distanziert - vermisse ebendies jedoch aufseiten der Sozialdemokraten.