Münzgeld liegt auf Formularen für den Rundfunkbeitrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio
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Bundesverfassungsgericht urteilt Was am Rundfunkbeitrag strittig ist

Stand: 18.07.2018 10:37 Uhr

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über den Rundfunkbeitrag, mit dem die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland finanziert werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Streitpunkten.

Von Frank Bräutigam, ARD-Rechtsredaktion

Worüber entscheidet das Gericht - und worüber nicht?

2013 wurde ein neues Finanzierungsmodell für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingeführt - also für ARD, ZDF, Deutschlandradio und die Landesmedienanstalten, die die Aufsicht über den privaten Rundfunk führen. Der neue Rundfunkbeitrag betrug bis 2015 17,98 Euro pro Wohnung, seither 17,50 Euro. Er ist in einem Staatsvertrag zwischen den Bundesländern geregelt. Jedes einzelne Land hat dazu ein Gesetz erlassen. Vor dem Bundesverfassungsgericht wird nun darüber entschieden, ob dieses Finanzierungsmodell rechtmäßig ist.

Es geht nicht um die Frage, in welchem Umfang es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben soll oder ob er überhaupt durch eine öffentliche Abgabe finanziert werden sollte. Im Mittelpunkt dieses Verfahrens steht das Wie der Finanzierung, nicht das Ob.

Der Vorsitzende Richter sagte zu Beginn der Verhandlung am 16. Mai 2018 aber auch, dass im Zuge des Verfahrens auch die Notwendigkeit einer Abgabenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen Rolle für die Meinungsbildung in Demokratie und Gesellschaft beurteilt werden müssten.

Wie funktioniert der Rundfunkbeitrag?

Bis 2013 gab es die Rundfunkgebühr: Bezahlen musste, wer einen Fernseher, ein Radio oder einen PC hatte. Die Argumente für die neue Regelung: An Geräte anzuknüpfen, werde immer schwieriger. Wegen technischer Fortschritte könne man nicht mehr sinnvoll zwischen Radio- und Fernsehgeräten unterscheiden, denn auch über Smartphone und Tablets kann man inzwischen Medieninhalte nutzen. Die Kontrollen vor Ort seien zudem schwierig und ein Eingriff in die Privatsphäre gewesen.

Der neue Rundfunkbeitrag knüpft nicht mehr an Geräte, sondern an die Wohnung an. Er muss einmal pro Wohnung gezahlt werden. Auf die Zahl der dort wohnenden Personen kommt es nicht an. Die Begründung: Rundfunk werde typischerweise in einer Wohnung empfangen. Die umstrittenen Kontrollen vor Ort fallen damit weg. Im gewerblichen Bereich knüpft der Beitrag an die Betriebsstätte an und richtet sich gestaffelt nach der Anzahl der Mitarbeiter. Für betrieblich genutzte Autos gilt: Eins pro Betriebsstätte ist beitragsfrei, für jedes weitere fällt ein Drittel des Rundfunkbeitrags an.

Wer hat in Karlsruhe geklagt?

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über vier Verfassungsbeschwerden, die das Gericht aus zahlreichen Klagen ausgewählt hat. Drei Kläger sind Privatleute, hinzu kommt die Autovermietung Sixt für den gewerblichen Bereich. Die Klagen richten sich gegen die Urteile der Instanzgerichte bis zum Bundesverwaltungsgericht und mittelbar auch gegen die Gesetze der Länder zum Rundfunkbeitrag.

Was sind die Streitpunkte vor Gericht?

Umstritten ist, in welche Kategorie von Abgaben der Rundfunkbeitrag fällt. Die Kläger sagen: Der Rundfunkbeitrag sei kein Beitrag, sondern eine Steuer. Dann hätten die Länder die Gesetze nicht erlassen dürfen, weil sie dafür nicht zuständig sind.

Geklärt werden sollen außerdem zwei weitere Fragen:

Liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz im Grundgesetz vor (Artikel 3), wenn nicht mehr an Empfangsgeräte, sondern die Wohnung angeknüpft wird?

Ist es rechtmäßig, dass auch im nicht-privaten Bereich (also zum Beispiel von Betrieben) Rundfunkbeitrag gezahlt werden muss?

Worum geht es beim Streitpunkt "Steuer oder Beitrag"?

Wenn Bürgerinnen und Bürger per Gesetz Abgaben zahlen, gelten dafür Regeln (die sogenannte Finanzverfassung). Für die Frage „Wer darf was?“ ist wichtig, in welche Kategorie von Abgaben der Rundfunkbeitrag einzuordnen ist.

Der Gesetzgeber sieht im Rundfunkbeitrag einen Beitrag. Beiträge werden für eine Gegenleistung, einen individuellen Vorteil erhoben. Ausreichend als Gegenleistung ist, dass man die Leistung nutzen kann, also die Möglichkeit dazu hat. Typisches Beispiel sind etwa Straßenausbaubeiträge: Dabei kommt es nicht darauf an, ob man tatsächlich ein Auto besitzt. Laut Gesetzesbegründung ist die Gegenleistung für den Rundfunkbeitrag, das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nutzen zu können. Über 97 Prozent der Haushalte waren dem Statistischen Jahrbuch zufolge im Jahr 2015 mit Fernsehgeräten ausgestattet.

Die Beschwerdeführer entgegnen, der Rundfunkbeitrag pro Wohnung sei eine Steuer. Steuern sind öffentliche Abgaben, die voraussetzungslos ohne individuelle Gegenleistung erhoben werden, um den allgemeinen Finanzbedarf des Gemeinwesens zu decken. In den Gesetzen zum Rundfunkbeitrag sei nicht genau genug geregelt, mit welcher öffentlichen Leistung dieser verknüpft ist. Beim Rundfunkbeitrag müssten alle Wohnungsinhaber zahlen, auch wenn sie keine Geräte besitzen. Faktisch werde die Allgemeinheit belastet, nicht bestimmte Nutzergruppen.

Worum geht es beim Streit um die Gleichbehandlung?

Der Streit, ob Artikel 3 des Grundgesetzes - der Gleichheitssatz - verletzt ist, knüpft an die vorige Frage an. Die Kläger kritisieren, dass man den Rundfunkbeitrag zahlen muss, auch wenn man keine Empfangsgeräte hat. Das Grundgesetz fordert bei öffentlichen Abgaben, dass es Belastungsgleichheit geben muss. Es ist aber auch anerkannt, dass der Gesetzgeber bei Massenverfahren typisieren, also pauschale Regelungen treffen darf. Umstritten ist, ob der Rundfunkbeitrag pro Wohnung die Grenzen dieser Typisierung überschreitet. Die Sender berufen sich hier auf die Statistik, dass in fast allen Haushalten Rundfunkempfangsgeräte stehen.

Außerdem kritisieren die Kläger: Wenn der Rundfunkbeitrag pro Wohnung erhoben wird, würden Einpersonenhaushalte im Vergleich zu Mehrpersonenhaushalten benachteiligt. Das Gegenargument: Eine Zahlung pro Person führe zu einer Mehrbelastung von Familien und Gemeinschaften. Außerdem sei der Verwaltungsaufwand hoch. Über die Frage, ob der Beitrag an die Wohnung oder an Personen geknüpft werden soll, wurde in der Verhandlung ausführlich diskutiert. An dieser Stelle fragten die Richter intensiv nach. Schließlich ist noch umstritten, ob ein separater Rundfunkbeitrag für Zweitwohnungen zulässig ist oder nicht.

Was ist mit dem Argument "Ich schaue keine öffentlich-rechtlichen Programme?"

Das Gegenargument lautet: Es gehöre zum Wesen eines Beitrags, dass es nur um die Möglichkeit geht, das Angebot zu nutzen. Dieser Einwand habe schon bei der vorhergehenden Gebühr nicht dazu geführt, dass die Zahlungspflicht wegfällt. Aus einer repräsentativen Studie der Gesellschaft für Konsumforschung von 2018 ergebe sich unabhängig davon, dass zum Beispiel der ARD-Medienverbund mit Fernsehen, Radio und Internet pro Woche rund 94 Prozent der Menschen in Deutschland erreicht.

Worum geht es beim Streit im nicht-privaten Bereich?

Die Bezeichnung "nicht-privater Bereich" meint unter anderem Betriebe, selbständige Berufsgruppen und staatliche Stellen. Begründet wird die Beitragspflicht damit, dass der Rundfunkbeitrag auch Betrieben einen spezifischen Nutzen bringe - zum Beispiel, wenn im Wartezimmer das Radio läuft oder Mitarbeiter das Internet nutzen.

Besonders bei Mietwagen gehöre eine gute Medienausstattung zu den preisbildenden Vorteilen und nutze daher dem Betrieb.

Die Kläger bestreiten einen solchen Nutzen im gewerblichen Bereich und sagen, der Mieter des Autos habe ja schon privat den Rundfunkbeitrag bezahlt. Vor allem Betriebe mit vielen Filialen und Mietwagen seien unverhältnismäßig stark vom Beitrag betroffen.

Wie haben die Gerichte bisher entschieden?

Das Thema hat schon viele Gerichte beschäftigt, auch das Bundesverwaltungsgericht. Die vier verhandelten Klagen hatten dort im Ergebnis keinen Erfolg. Unabhängig davon entscheidet nun das Bundesverfassungsgericht über die Fälle.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 18. Juli 2018 um 04:57 Uhr.