Kinderarbeit in Deutschland Was erlaubt ist - und was verboten
Heute ist Welttag gegen Kinderarbeit. Weltweit verrichten rund 152 Millionen Kinder und Jugendliche ausbeuterische Arbeit. In Deutschland gibt es strenge Gesetze. Vor allem die Schulpflicht verhindert Verstöße. Ein Überblick.
Ist Kinderarbeit in Deutschland erlaubt?
Grundsätzlich ist Kinderarbeit in Deutschland verboten, für bestimmte Konstellationen sind aber Ausnahmen erlaubt. Als Kinder gelten alle Personen bis 14 Jahre. Bei 15- bis 18-Jährigen handelt es sich um Jugendliche - sind diese schulpflichtig, dann gelten für sie arbeitsrechtlich die gleichen Regeln wie für Kinder. Laut Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) dürfen erst Jugendliche ab 15 Jahren beschäftigt werden - allerdings mit genau festgelegten Einschränkungen. Ab 18 Jahren gibt es keine Beschränkungen mehr.
Was ist Jugendlichen erlaubt?
Die Beschäftigung von Jugendlichen ab 15 Jahren ist zulässig. Zu den Einschränkungen gehört, dass sie höchstens acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich beschäftigt werden dürfen - allerdings nur montags bis freitags, nicht aber am Wochenende. Darüber hinaus muss Jugendlichen zwischen zwei Arbeitsschichten eine Freizeit von mindestens zwölf Stunden gewährt werden.
Gibt es auch Ausnahmeregelungen für Kinder?
Ja, eine weitere Ausnahme gibt es für Kinder über 13 Jahre mit Einwilligung der Eltern, wenn die Beschäftigung leicht und für Kinder geeignet ist. In solchen Fällen dürfen Kinder nicht mehr als zwei Stunden täglich eingesetzt werden - auf Bauernhöfen bis zu drei Stunden täglich. Strikt verboten bleibt eine Arbeit zwischen 18 Uhr und 8 Uhr. Wichtig ist, dass es bei der Kinderarbeit nicht zur Beeinträchtigung des Schulunterrichtes kommt. Kinderarbeit während des Schulunterrichtes ist ebenfalls verboten.
Was ist in den Schulferien?
In den Schulferien dürfen Jugendliche für höchstens vier Wochen im Kalenderjahr beschäftigt werden.
Was ist mit Auftritten bei Film oder Fernsehen?
Auch hier gibt es Ausnahmeregelungen. Kinder über sechs Jahre dürfen bis zu vier Stunden täglich auftreten - allerdings nur in der Zeit von zehn bis 23 Uhr. Sind die Kinder zwischen drei und sechs Jahren alt, dürfen sie bis zu zwei Stunden täglich in der Zeit von acht bis 17 Uhr bei Aufführungen eingesetzt werden. Sechsjährigen und älter ist erlaubt, bis zu drei Stunden von acht bis 22 Uhr gestaltend mitzuwirken.
Zählt Spülmaschine ausräumen oder Hilfe im Garten auch dazu?
Nein, das zählt nicht als Kinderarbeit. "Das sind geringfügige Hilfeleistungen, soweit sie gelegentlich aus Gefälligkeit aufgrund familienrechtlicher Vorschriften erbracht werden", sagt Rechtsanwalt Alexander Brachmann im Gespräch mit tagesschau.de. Der für viele überraschende § 1619 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) legt sogar fest, dass Kinder dazu verpflichtet sind, ihren Eltern zu helfen. Dazu zählt nicht nur, im Haushalt zu helfen, sondern auch im Geschäft, in der Gaststätte oder dem Bauernhof. Nachhilfeunterricht geben oder Zeitungen austragen zählt hingegen zu Kinderarbeit.
Wie werden Verstöße geahndet?
Bei Verstößen drohen Geldbußen bis zu 15.000 Euro, bei Vorsätzlichkeit und wenn die Gesundheit von Kindern gefährdet wird, droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Genaue Zahlen zu Verstößen sind schwer zu ermitteln. Das Bundesarbeitsministerium erklärte auf Anfrage: "Zu Verstößen gegen das JArbSchG können wir Ihnen leider nichts sagen, da die Aufsicht den nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörden obliegt. Die wiederum teilt schwerwiegende Verstöße gegen die Vorschriften der nach dem Berufsbildungsgesetz oder der Handwerksordnung zuständigen Stelle mit."
Wie viele Jugendliche arbeiten in Deutschland?
In Deutschland jobbt fast jeder zweite Schüler, allerdings nicht, um das Familieneinkommen aufzubessern und die Eltern zu unterstützen. Meist arbeiten Kinder, weil sie zu ihrem Taschengeld etwas dazu verdienen wollen.
Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da?
"Ausbeuterische Kinderarbeit ist in Deutschland Gott sei dank kein Massenphänomen. Aber wir müssen genauer hinschauen in Bereiche, in denen Kinder besonders verwundbar sind: Kinder, die auf der Straße leben, die Drogenprobleme haben oder weggelaufen sind", sagt Barbara Küppers, Kinderrechtsexpertin beim Kinderhilfswerk "terre des hommes" gegenüber tagesschau.de. Dazu zählten auch Kinder, die in elterlichen Betrieben arbeiten und vor allem die Bereiche Kinderprostitution und Menschenhandel.
Dass Kinderarbeit in Deutschland kein großes Problem ist, liege unter anderem an der Schulpflicht. Dadurch falle sofort auf, wenn Kinder in der Schule fehlen. "Dann kommt auch mal die Polizei oder das Jugendamt", sagt Küppers. Und in Betrieben überprüfe die Gewerbeaufsicht, ob die Vorschriften zur Kinderarbeit eingehalten werden. Ein Problem bleibe jedoch der illegale Bereich, wo teilweise bewusst Minderjährige eingesetzt würden, da sie noch nicht strafmündig sind - etwa im Drogenhandel oder der Prostitution.
Hat die Corona-Krise Auswirkungen auf die Kinderarbeit?
Während nach Beobachtungen von Kinderrechtlern in armen Ländern die Kinderarbeit bereits spürbar angestiegen ist, gibt es für Deutschland dazu keine Erkenntnisse. "Das wissen wir noch nicht", sagt Küppers. "Im Moment erreichen die Sozialarbeiter die besonders armen Minderjährigen, die auf der Straße leben, nicht. Viele sind regelrecht abgetaucht."
Hilfsorganisationen drängen darauf, dass auch deutsche, international agierende Unternehmen ihre Lieferketten kontrollieren, um die Ausbeutung von Kindern in anderen Ländern zu verhindern. Denn sie befürchten, dass dort viele Mädchen und Jungen nicht mehr in die Schulen zurückkehren werden, da sie zum Familieneinkommen beitragen müssen oder die Familien sich den Schulbesuch nicht mehr leisten können. Vor allem in Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas sei eine Zunahme von Kinderarbeit sichtbar.
Die Vereinten Nationen schätzen, dass als Folge der Corona-Pandemie zusätzlich 66 Millionen Kinder in extreme Armut abrutschen. Während der Hochzeit des weltweiten Lockdowns im Mai konnten nach UN-Angaben 1,5 Milliarden Schülerinnen und Schüler keine Schule besuchen.