Netzwerkdurchsetzungsgesetz Was regelt das neue Gesetz gegen Hasskommentare?
Am 1. Oktober tritt das neue Gesetz gegen Hasspostings in Kraft. Der Vorstoß von Justizminister Maas hatte für viel Kritik gesorgt. Was ändert sich nun? Und was sagen Kritiker?
Welche Löschfristen sieht das geplante Gesetz vor?
Das Gesetz zielt darauf ab, Hass und Hetze in sozialen Medien wirksamer als bisher zu bekämpfen. Die reine Absichtserklärung der Anbieter, gemeldete Beiträge juristisch zu prüfen und gegebenenfalls zu löschen, habe sich als nicht effektiv erwiesen. Einem Bericht von jugendschutz.net zufolge löschte zum Beispiel Facebook in den Testzeiträumen von Juli 2016 bis Februar 2017 nur 39 Prozent der gemeldeten strafbaren Inhalte, Twitter sogar nur ein Prozent.
Aus diesem Grund verpflichtet das Gesetz soziale Netzwerke nun gesetzlich, bestimmte strafbare Inhalte innerhalb von sieben Tagen zu löschen oder zu sperren, sobald ein Nutzer das Netzwerk mit einer Beschwerde auf den Inhalt hingewiesen hat. Bei "offensichtlich" strafbaren Inhalten hat der Plattformbetreiber sogar nur 24 Stunden Zeit, um den Inhalt zu entfernen. Zu den rechtswidrigen Inhalten zählt das Gesetz unter anderem Beleidigung, Verleumdung oder das strafrechtlich relevante Verbreiten von Falschnachrichten.
An wen sollen sich Betroffene wenden können?
Damit Nutzer ihre Beschwerden an den Betreiber übermitteln können, soll ihnen die Plattform ein einfaches und transparentes Beschwerdeverfahren zur Verfügung stellen. Die Netzwerke müssen laut dem Gesetz halbjährlich öffentlich berichten, wie sie mit den Beschwerden umgegangen ist. Kommt der Plattformbetreiber diesen Verpflichtungen nicht nach - insbesondere, weil er Inhalte nicht oder nicht rechtzeitig löscht - droht ihm ein Bußgeld in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro.
Darüber hinaus müssen die sozialen Netzwerke eine Person im Inland benennen, an die Betroffene Klagen und Beschwerden zustellen können. Damit soll die Durchsetzung von Rechten erleichtert werden. Tatsächlich haben sich in der Vergangenheit Verfahren auch deshalb verzögert, weil Dokumente im Ausland zugestellt werden mussten.
Schließlich enthält der Entwurf eine Änderung des Telemediengesetzes. Danach dürfen Anbieter von Telemedien - dazu gehören auch soziale Netzwerke - angewiesen werden, bei Persönlichkeitsverletzungen die Identität des Urhebers des Postings preiszugeben.
Wie ist die Rechtslage bisher?
Das geltende Recht bietet einige Möglichkeiten, gegen rechtswidrige Inhalte in sozialen Medien vorzugehen. Auch jetzt schon können Betroffene vom Anbieter eines Sozialen Netzwerks verlangen, dass er rechtswidrige Inhalte von seiner Plattform entfernt oder sperrt. Dafür muss der Anbieter jedoch Kenntnis von dem konkreten Inhalt haben. Er hat grundsätzlich keine Pflicht, sein Netzwerk von sich aus auf rechtswidrige Inhalte hin zu überprüfen. Hat er jedoch Kenntnis von einem bestimmten rechtswidrigen Posting erlangt, muss er es innerhalb einer angemessenen Frist löschen oder sperren.
Kommt er dieser Pflicht nicht nach, haftet er in der gleichen Weise wie der Nutzer, der den Inhalt postete. Auch Ermittlungs- oder andere Behörden können den Anbieter auf rechtswidrige Inhalte hinweisen und unter Umständen zur Sperrung oder Entfernung verpflichten.
Was sind dabei die Probleme?
Hinsichtlich der Nutzer, die rechtswidrige Inhalte posten, scheitert die Rechtsverfolgung häufig daran, dass der Betroffene die Identität des Nutzers nicht kennt. Das Zivilrecht gibt dem Betroffenen keine Möglichkeit, das soziale Netzwerk zu verpflichten, die ihm über den jeweiligen Nutzer bekannten Daten herauszugeben.
Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist den Netzwerken die Herausgabe der Daten sogar verwehrt. Das bestätigte der Bundesgerichtshof im Jahr 2014. Der Betroffene kann bei strafbaren Inhalten jedoch die Strafverfolgungsbehörden einschalten. Diese können die Daten von dem Netzwerk verlangen.
Warum wird der Gesetzesentwurf kritisiert?
Das Gesetz stößt auf scharfe Kritik. Interessenverbände, Bürgerrechtler und Juristen sehen in dem Entwurf eine Gefahr für die Meinungsfreiheit. Die kurzen und starren Löschfristen sowie die hohe Bußgeldandrohung würden dazu führen, dass die Netzwerke die Inhalte im Zweifel lieber entfernen als sie auf der Plattform zu belassen.
Juristen weisen darauf hin, dass nicht jeder Kommentar immer eindeutig als strafbar zu bewerten sei. Gerade im Bereich der Beleidigung gebe es häufig Grenzfälle, da eine Aussage selten für sich allein, sondern in der Regel im jeweiligen Kontext zu beurteilen sei. Beispielhaft hierfür seien Aussagen im Bereich der Satire. Auch der neu geschaffene Auskunftsanspruch könnte Nutzer davon abhalten, ihre Meinung in den sozialen Netzwerken zu äußern, weil sie befürchten müssen, dass ihre Daten herausgegeben werden könnten. Daneben sei der weite Auskunftsanspruch bedenklich im Hinblick auf das Recht auf persönliche Selbstbestimmung, so die Kritiker.