Facebooks neue Nutzungsbedingungen "Ein riesiges Datenschutzproblem"
Am 30. Januar ist es wieder einmal so weit - Facebook ändert seine Nutzungsbedingungen. Die haben es dieses Mal in sich: Künftig will das US-Unternehmen das Surfverhalten seiner Nutzer auswerten, zumindest denkbar ist der Austausch von Daten mit facebook-eigenen Diensten wie etwa WhatsApp. Datenschützer laufen dagegen Sturm. tagesschau.de klärt die wichtigsten Fragen.
Was genau hat Facebook vor?
Facebook lebt von den Daten, die es über seine Nutzer gewinnt. Je detaillierter diese Daten sind, umso gezielter kann Facebook Werbung platzieren - und je passgenauer eine Anzeige ist, desto wertvoller ist sie. Dabei geht es um viel Geld: Allein im dritten Quartal 2014 machte Facebook mehr als drei Milliarden US-Dollar Umsatz, rund 90 Prozent davon kommen aus der Werbung.
Wer welche Anzeigen bekommt, war bislang vor allem von den "Gefällt mir"-Angaben abhängig. Ab dem 30. Januar will Facebook die Datenbasis massiv ausweiten und auch besuchte Internetseiten und genutzte Apps auswerten. Konkret könnte das dann so aussehen: Wer sich im Netz ein Auto kauft, sieht anschließend bei Facebook Anzeigen für Winterreifen. Wer auf Reiseportalen unterwegs war, bekommt Angebote für Hotels und Flüge. Und wer sich neue Lautsprecher anschaut, bekommt gleich Anzeigen für die passende Stereoanlage.
Die Werbung soll nicht nur passgenauer, sondern auch lokaler werden. Facebook wertet dazu via Smartphone aus, wo genau sich seine Nutzer aufhalten. Und die bekommen dann Werbung von dem Restaurant oder dem Shop um die Ecke direkt aufs Handy. Auch Facebook-Freunde, die sich in der Nähe aufhalten, sollen bevorzugt angezeigt werden.
Um Nutzerprofile möglichst vollständig und damit wertvoller zu machen, könnte Facebook künftig zudem Daten intern austauschen. Denn dem Unternehmen gehören noch einige Drittplattformen, zum Beispiel der sehr populäre Kurznachrichtendienst WhatsApp. Zwar hat Facebook stets beteuert, dass zwischen Facebook und WhatsApp keine Daten ausgetauscht würden. Mit den neuen Nutzungsbedingungen besteht aber nach Einschätzung von Datenschützern zumindest die Möglichkeit dazu.
Und schließlich experimentiert Facebook mit dem klassischen Online-Handel. Künftig wird es eine "Kaufen"-Option geben. So kann der Nutzer direkt über seinen Facebook-Account online shoppen. Damit kommt das Unternehmen dann neben Nutzungsdaten auch an Einkaufsgewohnheiten und Zahlungsdaten der Kunden.
Was kann man dagegen tun?
Nicht viel. Mit dem Einloggen nach dem 30. Januar stimmen die Nutzer den neuen Facebook-Richtlinien automatisch zu, eine Widerspruchsmöglichkeit ist nach jetzigem Stand nicht vorgesehen. Zwar ist das nach deutschem Recht umstritten - aber Facebook hat seinen Sitz in den USA und dürfte den Widerspruch einfach ignorieren. Öffentlicher Widerspruch nach Änderungen der Nutzungsbedingungen - etwa durch posten von Kommentaren - ist aber übrigens auch nach deutschem Recht unwirksam. Schließlich hat man sich ja bereits zuvor mit den neuen AGB einverstanden erklärt.
Ganz machtlos sind die Nutzer aber nicht. Sie können in den Facebook-Einstellungen festlegen, wie ihre Daten für Werbung genutzt werden sollen und Ortungsdienste, die an Facebook Daten über den Aufenthaltsort übermitteln, im Smartphone problemlos deaktivieren.
Dass Facebook das eigene Surfverhalten analysiert, lässt sich nicht abstellen. Aber man kann dies umgehen, indem eben diese Erhebung von Nutzerdaten auf einer externen Seite, mit der Facebook zusammenarbeitet, unterbunden wird. Das gilt übrigens nicht nur für Facebook, sondern für rund 100 weitere Konzerne, die Daten erheben. Einziger Wermutstropfen: Die Einstellungen müssen für jeden PC neu vorgenommen werden.
Was sagen die Datenschützer?
Ursprünglich hatte Facebook seine neuen Richtlinien bereits zum Jahreswechsel in Kraft setzen wollen. Nach massiver Kritik verschob man den Start auf den 30. Januar und nutzte die Zeit, um die Nutzer über die Änderungen aufzuklären. Politik und Datenschützern reicht das aber nicht, der Bundestag lud eigens den höchsten Facebook-Vertreter in Europa, Lord Richard Allan, in den Rechtsausschuss.
Vor allem der mögliche Austausch von Daten bereitet den Fachleuten Sorgen: So erklärt der zuständige Staatssekretär im Justizministerium, Ulrich Kelber: "Es bleibt unklar, was mit diesen Daten passiert, wie sie ausgetauscht und wo sie an Dritte weitergegeben werden."
Noch deutlicher wird der Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar: "Wir sprechen gerade bei WhatsApp von einem Unternehmen, das in Deutschland mehr Nutzer hat als Facebook selbst. Hier sollte Facebook klarmachen, wenn ein solcher Datenaustausch nicht geplant ist." Doch tauche eben diese Zusicherung schriftlich nirgends auf. Caspar droht: Der Datenaustausch werde in Deutschland per Anordnung untersagt. Sollte Facebook dagegen verstoßen, droht ein Bußgeld.
Grünen-Rechtsexperte Hans-Christian Ströbele sieht "ein riesiges Datenschutzproblem", das auch auf europäischer Ebene gelöst werden müsse. Derzeit ist allerdings genau das unmöglich, denn die aktuelle Variante der europäischen Datenschutzrichtlinie stammt aus dem Jahr 1995 - die Probleme von heute waren damals noch Science Fiction. Eine europäische Datentschutzverordnung soll sie ablösen. Nach zähen Verhandlungen hatte sich das Europäische Parlament auch auf einen Entwurf geeinigt. Aber ob sich auch die EU-Staaten auf sie einigen können - und ob sie dann dieses Jahr noch umgesetzt werden kann, steht in den Sternen.
Was sagt Facebook?
Das Unternehmen gibt sich angesichts der massiven Widerstände sichtlich Mühe, die neuen Richtlinien zu erklären. In einer Mitteilung an Nutzer und Presse heißt es: "Der Schutz von persönlichen Informationen und die wirksame Kontrolle der Privatsphäre stehen im Mittelpunkt". Die Änderungen seien notwendig, um "neuen Funktionen und Produkten Rechnung zu tragen". Gleichzeitig aber bekämen die Nutzer deutlich mehr Kontrolle.