Fragen und Antworten zur Erbschaftsteuer Erben wird zur Frage der Gerechtigkeit
Die Erbschaftsteuer spült Milliarden Euro in die Staatskasse. Um Jobs zu sichern, gelten für die Vererbung von Betrieben Sonderregeln. Welche Steuervorteile gibt es für Firmen und warum mussten die Verfassungsrichter in Karlsruhe darüber entscheiden?
Was ist die Erbschaftsteuer?
Ob es um den Familienbetrieb oder Omas Häuschen geht - beim Erben und Vererben ist für viele eine Frage ganz entscheidend: Kassiert der Fiskus mit? Die Antwort lautet: im Prinzip ja. Aber: Im Gesetz gibt es zahlreiche Freibeträge und Privilegien sowohl für Privatpersonen als auch für Betriebe. In der Praxis wird also bei weitem nicht jeder geerbte Euro besteuert.
Zwei grundlegende Dinge sind wichtig: Steuerpflichtig ist der Erbe. Und: Es ist ein Irrglaube, dass man durch eine Schenkung zu Lebzeiten der Steuerpflicht entgehen kann. Denn dann gilt die Schenkungsteuer. Diese ist für die beschenkte Person genauso hoch und wird nahezu unter denselben Bedingungen erhoben wie die Erbschaftsteuer. Im aktuellen Verfahren in Karlsruhe geht es um die Erbschaft- und Schenkungsteuer beim Übergang von Betrieben und um die vorhandenen Steuervorteile.
Wie viel Erbschaftsteuer nimmt der Staat ein?
Laut einer Schätzung des Bundesfinanzministeriums wurden 2014 deutschlandweit insgesamt 5,3 Milliarden Euro an Erbschaftsteuer gezahlt. Das macht einen Anteil von 0,8 Prozent am gesamten Steueraufkommen aus. Die Steuer wird zwar vom Bund festgelegt, fließt aber komplett in die Haushalte der Länder.
Wie hoch ist die Erbschaftsteuer für den einzelnen Bürger/den Betrieb?
Für die Höhe der Erbschaftsteuer gibt es keinen festen Satz. Es gibt drei Steuerklassen, je nach Verwandtschaftsgrad. Außerdem gibt es eine Staffelung nach der Höhe des geerbten Vermögens. Wichtig sind die gewährten Freibeträge, zum Beispiel für Ehegatten in Höhe von 500.000 Euro, für Kinder in Höhe von 400.000 Euro. Bis zu dieser Höhe muss ein Erbe also keine Steuern zahlen. Faustregel: Je näher das Verwandtschaftsverhältnis ist, desto höher fallen die Freibeträge aus und desto niedriger sind die Steuersätze.
Welche Vorteile haben Betriebe aktuell bei der Erbschaftsteuer?
Wird ein (Familien-)betrieb vererbt oder verschenkt, haben Unternehmer oft Sorge mit Blick auf eine bestimmte Situation: Das Finanzamt verlangt Erbschaft- oder Schenkungsteuer. Um sie bezahlen zu können, müssten die Erben womöglich den Betrieb veräußern, Mitarbeiter entlassen, Investitionen auf Eis legen oder einen Kredit aufnehmen. Der Generationenwechsel könnte so auf wackeligen Füßen stehen.
Der Gesetzgeber hatte 2009 das Ziel, Steuervergünstigungen für den Betriebsübergang zu schaffen, um die Unternehmen im Erbfall zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern. Wer einen Eindruck von der Kompliziertheit des deutschen Steuerrechts haben möchte, der möge einmal einen Blick in die einschlägigen §§ 13a und 13b des Erbschaftsteuergesetzes werfen. Wesentliche Punkte sind dabei - stark zusammengefasst – folgende beiden steuerliche Vorteile für Betriebe.
1) 85 Prozent des geerbten Betriebsvermögens werden unter zwei Bedingungen nicht besteuert:
- - der Betrieb wird mindestens fünf Jahre weitergeführt
- - die Gesamthöhe der ausgezahlten Löhne verringert sich in diesem Zeitraum nicht wesentlich (also um mehr als 20 Prozent). Anders gesagt: die Arbeitsplätze bleiben zum großen Teil erhalten.
2) Der Erbe des Betriebes kann sogar komplett von der Steuer befreit werden, wenn er:
- - den Betrieb mindestens sieben Jahre weiterführt und
- - die Lohnsumme über die sieben Jahre gleich bleibt, was in der Regel heißt: die Arbeitsplätze bleiben erhalten.
Für die jeweils zweite Bedingung, also den Erhalt der Arbeitsplätze, hat der Gesetzgeber aber noch eine wichtige Sonderregelung eingeführt. Die Bedingung gilt nur für Betriebe, die mehr als 20 Mitarbeiter haben. Für alle kleineren Betriebe reicht es aus, das Unternehmen die genannte Zeit fortzuführen, um von den Steuervorteilen zu profitieren. Sie müssen also nicht zwingend etwas für den Erhalt der Arbeitsplätze tun.
Warum musste das Bundesverfassungsgericht über die Erbschaftsteuer entscheiden?
Der Bundesfinanzhof, Deutschlands oberstes Steuergericht, hielt das aktuelle System für verfassungswidrig. Da aber nur das Bundesverfassungsgericht Gesetze verwerfen kann, wurde der Fall Karlsruhe vorgelegt. Der grundsätzliche Vorwurf der Finanzrichter lautete: Betriebe würden im Vergleich zu Privatpersonen bei der Erbschaftsteuer zu stark bevorzugt. Diese "Überprivilegierung" sei ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz in Artikel 3 des Grundgesetzes. Es ging also um eine Gerechtigkeitsfrage.
Es ging den Finanzrichtern nicht darum, dass ein Ziel wie der Schutz von Arbeitsplätzen nicht wichtig oder gar unzulässig ist. Im Steuerrecht ist aber ein zentraler Grundsatz, dass ein bestimmtes Konzept auch stringent durchgezogen wird. Eine wichtige Information ist in diesem Zusammenhang: Etwa 90 Prozent der Betriebe haben nur bis zu 20 Beschäftigte. Das bedeutet mit Blick auf die oben geschilderten "Bedingungen" für die Steuervorteile: 90 Prozent der Betriebe müssen also die Arbeitsplätze nicht unbedingt erhalten, um von der Steuer verschont zu werden. Außerdem, so die Richter des Bundesfinanzhofes, biete das aktuelle Steuerrecht viele Gestaltungsmöglichkeiten. Will heißen: Mit einer guten Beratung könne man sich relativ leicht der Steuerpflicht entziehen.