Diskussion über Fahrverbote Diesel - zu dreckig für die City?
Seit für Stuttgart Diesel-Fahrverbote bevorstehen, reißt die Diskussion darüber nicht ab. Wie belastet ist die Luft wirklich? Kommen die Schadstoffe nur aus Dieselautos? Kann man nachrüsten?
Wo drohen Fahrverbote?
In Stuttgart soll es ab 2018 bei hohen Schadstoffwerten tageweise Fahrverbote für ältere Dieselautos geben. Schätzungsweise etwas mehr als 70 Prozent aller Pkw (Benziner und Diesel nach Abgasnorm Euro 6) sollen aber fahren dürfen. Die Schadstoffgrenzwerte werden in mehr als 80 deutschen Städten überschritten. Mitte Februar mahnte die Europäische Kommission ein letztes Mal wirksame Luftreinhaltepläne an.
Gegen mindestens 17 Städte wurden Umweltverbände und Betroffene aktiv. Unter anderem für München und Hamburg gibt es bereits Gerichtsurteile, die Fahrverbote wahrscheinlich machen. Für Düsseldorf steht noch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus. Die Entscheidung - erwartet in der zweiten Jahreshälfte - dürfte Signalwirkung haben.
Wie belastet ist die Luft wirklich?
In deutschen Städten gilt Stickstoffdioxid (NO2) als Luftschadstoff Nummer eins, Stuttgart hat zusätzlich ein Feinstaub-Problem. NO2 schädigt die Atmungsorgane. Die Europäische Umweltagentur (EEA) hat kalkuliert, dass 2012 in Deutschland mehr als 10.000 Menschen durch die Stickstoffdioxid-Belastung vorzeitig starben.
Bei Feinstaub werden zwar vielerorts die Grenzwerte eingehalten. Trotzdem sind die Gesundheitsfolgen nach Ansicht der EEA etwa sechs Mal größer als jene von Stickstoffdioxid.
Kommen die Schadstoffe tatsächlich nur aus Dieselautos?
Der NO2-Jahresmittelwert liegt auf dem Land bei maximal zehn Mikrogramm. An Straßen werden durchschnittlich 40 Mikrogramm gemessen. Der motorisierte Verkehr ist Hauptursache für zu hohe Stickstoffdioxidwerte. Nach Zahlen des Umweltbundesamtes kommen die direkten NO2-Emissionen zu zwei Dritteln (67 Prozent) aus dem Auspuff von Diesel-Pkw. Lieferwagen und Lkw pusten zusammen 22 Prozent, Busse fünf Prozent des Stickstoffdioxids in die Luft.
Was bringt die blaue Plakette?
Wer darf fahren und wer nicht? Die blaue Plakette wird als eine halbwegs gerechte und wirksame Methode angesehen, weil der tatsächliche Schadstoffausstoß entscheidend ist und nicht das Zufallsprinzip (Beispiel Paris), untaugliche Abgasnormen (Euro 6) oder das Portmonee (City-Maut). Am 7. April 2016 sprach sich die Landesumweltministerkonferenz (UMK) für die blaue Plakette aus, die Einfahrverbote erst kontrollierbar macht. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) blockiert diese Regelung bislang.
In blaue Umweltzonen dürften alle E-Autos und viele Benziner hereinfahren, alte Diesel (Euro 1 bis 5) aber nicht. Das Umweltbundesamt fordert, dass "nur wirklich saubere Diesel" eine blaue Plakette bekommen, also von den Euro-6-Dieselfahrzeugen nur jene, die schon die kommenden Schadstoffnorm Euro 6d erfüllen. Grund: Die gültige Euro-6-Norm ist eine Mogelpackung, sie garantiert nicht niedrige Stickoxid-Emissionen.
Weiß man erst seit dem Abgasskandal vom Diesel-Problem?
Die Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid wurden schon 1999 festgelegt und gelten seit 2005 bzw. 2010. Dass es bei Dieselautos eine Kluft zwischen Prüfstand-Daten und realem Straßenbetrieb gibt, berichten EU-Forscher seit mindestens zehn Jahren. Ziel der Industrie war, die bekanntermaßen realitätsfernen Schadstofftests zu bestehen - zu niedrigsten Kosten. Dass dadurch die Stadtluft nicht wirklich sauber wird, nahm man offenbar in Kauf.
Die Chefin der kalifornischen Umweltbehörde CARB berichtete vor dem Abgas-Untersuchungsausschuss, dass sich Angela Merkel im Frühjahr 2010 gegen strenge Stickoxid-Vorschriften ausgesprochen habe, damit die deutschen Hersteller ihre Dieselwagen auch in Kalifornien verkaufen können. 2011 wollte die EU die Milliardensubventionen für Dieselkraftstoff kappen, scheiterte aber am Veto der Bundesregierung.
Gibt es Alternativen zu Fahrverboten?
Stellenweise wird Lkw die Durchfahrt verwehrt, Problem sind dann die Alternativrouten. Oft wird vorgeschlagen, zuerst die Busse zu "entdieseln", die aber nur etwa fünf Prozent Anteil am NO2-Ausstoß haben. Als nicht ausreichend wirksam haben sich auch andere Maßnahmen erwiesen, die für den Stuttgarter Luftreinhalteplan durchgerechnet wurden, wie zum Beispiel höhere Park-Gebühren, eine Nahverkehrsabgabe für Pkw-Besitzer oder eine City-Maut. Eine "blaue Umweltzone" hingegen soll die Stickstoffdioxid-Emissionen um "bis zu 40 Prozent" mindern können.
Können betroffene Autofahrer Filter nachrüsten?
Das Nachrüsten einer NOx-Abgasreinigung ist nach Ansicht der Autobauer kaum möglich: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hält das jedoch für teilweise praktikabel. Das Beispiel "freiwilliger Rückruf" zeigt, dass es durchaus Wege gibt. Oft wird die NOx-Abgasreinigung - vorgeblich aus Gründen des "Motorschutzes" - gedrosselt. Ein Software-Update kann die Abgaswerte verbessern.
Auch wenn manche von "kalter Enteignung" sprechen, werden Dieselfahrer gegen Fahrverbote rechtlich wohl wenig bewirken können.
Gibt es auch "saubere" Dieselautos?
Seit dem VW-Skandal ist bekannt, wie sauber oder dreckig einzelne Modelle sind. In verschiedenen Untersuchungen wurden die kommenden RDE-Tests (Real Driving Emissions) im realen Straßenverkehr vorweggenommen. Künftig werden offiziell im Alltagsbetrieb maximal 168 Milligramm NOx pro Kilometer toleriert. Der Wert liegt um den Faktor 2,1 über dem Prüfstandwert. Offiziell wird das mit Messungenauigkeiten begründet, tatsächlich hat die Autolobby diese Aufweichung durchgesetzt. Nimmt man die 168 Milligramm als Messlatte, bleibt etwa jedes vierte Euro-6-Fahrzeug drunter. Es gibt also "saubere" Dieselfahrzeuge, sie sind derzeit aber eher die Ausnahme als die Regel.
Gefährden Diesel-Fahrverbote den Klimaschutz?
Ein verbreitetes Argument in der politischen Debatte lautet, dass sich die Klimaschutzziele nur mit Dieselfahrzeugen erreichen lassen, die besonders sparsam seien und deshalb auch weniger CO2 ausstoßen. Der Verbrauchsvorteil von Dieselautos täuscht, denn bei gleichem Verbrauch hat ein Dieselfahrzeug um 13 Prozent höhere CO2-Emissionen. Richtig ist, dass Dieselmotoren einen höheren Wirkungsgrad haben. Der Automobilverband VDA beziffert den Vorteil auf 15 Prozent. Doch daraus kann man nicht ableiten, dass Klimaschutz nur mit Dieselautos möglich ist.
In einer Studie des Forschungsinstituts ICCT über die Fortschritte beim CO2-Ausstoß kommt ein japanischer Hersteller mit seinen sparsamen Hybrid-Antrieben auf Rang 2. Klimaschutz geht also auch mit sparsamen Benzinern sowie Hybrid- und Elektroautos.