Entscheidung des Verfassungsgerichts Warum Beamte nicht streiken dürfen
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Beamte nicht streiken dürfen. Eine Ausnahme für Lehrer lässt es nicht zu. Und doch: Beamte sind nicht schutzlos.
Wer hat geklagt und warum?
Drei verbeamtete Lehrerinnen und ein Lehrer hatten sich an einem Streik beteiligt. Sie finden es ungerecht, dass die angestellten Kolleginnen und Kollegen für bessere Arbeitsbedingungen streiken dürfen, sie aber nicht. "Streiken ist für Beamte verboten", sagten die Schulbehörden und verhängten Disziplinarmaßnahmen.
Dagegen klagten die Lehrer, hatten aber vor den Verwaltungsgerichten keinen Erfolg. Deswegen sind sie bis nach Karlsruhe gegangen. Das Streikrecht sei ein Menschenrecht für jedermann. Heute hat das Bundesverfassungsgericht entschieden: Das Streikverbot gilt für alle Beamte und ist verfassungsgemäß.
Wie begründet Karlsruhe das Streikverbot?
Blättert man im Grundgesetz, findet man dort nicht ausdrücklich einen Satz wie: "Beamte dürfen nicht streiken". Was man findet, ist ein Verweis auf die "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums", die sich über die Jahre entwickelt haben. Das Verfassungsgericht stellt heute ausdrücklich fest: Das Streikverbot ist so ein "hergebrachter Grundsatz".
Insgesamt geht es beim Beamtentum um eine Art "Geben und Nehmen". Beamte stehen in einem Treueverhältnis gegenüber dem Staat. Denn dieser soll jederzeit, auch in Krisen, handlungsfähig bleiben. Im Gegenzug hat der Staat dann eine "Fürsorgepflicht" gegenüber seinen Beamten. Diese sind auf Lebenszeit angestellt und müssen angemessen bezahlt werden ("Alimentation"). Bei diesem wechselseitigen System sei ein - so wörtlich - "Rosinenpicken" nicht zulässig. Ein Streikrecht für bestimmte Gruppen hätte eine Kettenreaktion zur Folge, die das gesamte System in Mitleidenschaft ziehen würde, so das Gericht.
Warum lässt das Gericht keine Ausnahmen für Lehrer zu?
Die Kläger (genauer: "Beschwerdeführer") hatten argumentiert: Ein Streikverbot sei nur für solche Beamten angemessen, die sogenannte "hoheitliche Aufgaben" erfüllen, etwa Polizisten oder Soldaten, nicht aber für Lehrer. Man solle nicht auf den Status abheben, sondern auf die Funktion.
Dem folgt das Gericht aber nicht. Zum einen sei es gar nicht so leicht abzugrenzen, wer "hoheitliche" Aufgaben übernimmt und wer nicht. Zum anderen würde man ansonsten zwei Kategorien von Beamten schaffen: "Beamte mit Streikrecht" und "Beamte ohne Streikrecht". Dahinter steckt der Gedanke, eine Art "Zweiklassengesellschaft" unter den Beamten zu vermeiden.
Dürfen Beamte dann überhaupt nicht für ihre Rechte kämpfen?
Doch. Das Gericht betont ausdrücklich, dass Beamte nicht schutzlos sind. Über ihre Gewerkschaften seien sie an der Vorbereitung allgemeiner Regeln zum Beamtentum beteiligt. Vor allem aber haben Beamte das Recht, eine amtsangemessene Besoldung vor Gericht einzuklagen. Dieses Recht hat Karlsruhe in den vergangenen Jahren ausdrücklich gestärkt. Zahlreiche solcher Klagen sind auch bei den Gerichten anhängig. Das Klagerecht ist für Beamte quasi die Alternative zum Streikrecht.
Haben die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Streikrecht eine Rolle gespielt?
2009 hatte der Europäische Gerichtshof in Straßburg in einem Fall aus der Türkei entschieden: Ein allgemeines Streikverbot für sämtliche Beamte sei unverhältnismäßig. Das war ein Anlass für die Kläger, das Thema in Deutschland vor Gericht zu bringen. Karlsruhe hat sich heute ausführlich mit den Straßburger Urteilen beschäftigt. Am Ergebnis hat das aber nichts geändert. Die "Europäische Menschenrechtskonvention" hat in Deutschland den Rang eines normalen Gesetzes, steht also nicht über der nationalen Verfassung.
Karlsruhe betont aber stets, dass die Straßburger Entscheidungen zu berücksichtigen seien. Bei anderen Themen wie der Sicherungsverwahrung im Strafrecht hat die Menschenrechtskonvention großen Einfluss aufs deutsche Recht genommen. Beim Streikrecht für Beamte betont Karlsruhe, dass Straßburg über Fälle aus einer anderen nationalen Rechtsordnung entschieden habe, in diesem Fall aus der Türkei. Man müsse aber den Kontext und den "rechtskulturellen Hintergrund" im jeweiligen Staat beachten und daher die Urteile hier nicht eins zu eins übernehmen. Es kann allerdings sein, dass die Kläger noch das Straßburger Gericht anrufen.