Fachkräfteeinwanderung "Angewandte politische Vernunft"
Drei Minister voller Lob für ihren Kompromiss: Die Ressortchefs Seehofer, Heil und Altmaier haben die Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung vorgestellt. Die Wirtschaft begrüßt das Vorhaben, aus der Opposition kommt Kritik.
Innenminister Horst Seehofer, Arbeitsminister Hubertus Heil und Wirtschaftsminister Peter Altmaier haben in einer gemeinsamen Pressekonferenz den Kompromiss der Koalition zur Fachkräfteeinwanderung vorgestellt. Dieser soll Deutschland für qualifizierte Fachkräfte attraktiver machen. Das Gesetz soll auch den Zuzug entsprechender Jobsuchender aus Nicht-EU-Staaten ordnen und steuern.
Das Bundeskabinett hatte zuvor die Eckpunkte für das Gesetz beschlossen, auf die sich wiederum der Koalitionsausschuss in der Nacht geeinigt hatte.
"Inländische Potenziale reichen nicht aus"
Seehofer sagte, fehlende Fachkräfte seien schon heute ein Hauptproblem für Unternehmen. Für ihn stehe an erster Stelle, inländische Potenziale und den europäischen Arbeitsmarkt auszuschöpfen. Das reiche aber nicht aus, um die Wirtschaft zu stabilisieren.
Laut Seehofer sind für Fachkräfte Einreiseerlaubnisse zur Arbeitsplatzsuche vorgesehen. Damit würden sie Hochschulabsolventen gleichgestellt, für die dies schon möglich ist. Der Mangel an Fachkräften sei aber das größere Problem, betonte Seehofer. Für die Erlaubnisse werde es keinen Rechtsanspruch geben, und sie sollten auf sechs Monate befristet sein - analog zur Regelung für Hochschulabsolventen.
Vorraussetzung: Qualifikation und Sprachkenntnis
Voraussetzung für die Erlaubnis seien eine anerkannte Qualifikation und Deutschkenntnisse. Eventuell müssten Berufsgruppen ausgeschlossen werden können, wenn es keinen Bedarf gebe. Vor der Einreise müsse gesichert sein, dass die Jobsuchenden ihren Lebensunterhalt selbst tragen können - eine "Einwanderung in die Sozialsysteme" dürfe es nicht geben.
Die "sehr lebensnahen Lösung mit klaren Regeln" entspreche den Bedürfnissen der Wirtschaft und werde illegale Zuwanderung zurückdrängen. Sie sei "eine wirklich gute Grundlage" für gesteuerte Zuwanderung aus Drittstaaten.
Die Regelung solle auf fünf Jahre befristet werden.
Heil: "Das war höchste Zeit"
Auch Heil lobte, die Einigung sei Grundlage für ein modernes Einwanderungsgesetz, für das es höchste Zeit sei: "Das ist angewandte politische Vernunft." Es gebe Hinweise, dass der akuten Fachkräftemangel zur Wachstumsbremse werden könne. Heil sprach von einer "entscheidenden Frage für den Wohlstand in Deutschland".
Allerdings stehe auch eine Kraftanstengung bevor: Das genaue Vergabeverfahren müsse man in Zusammenarbeit etwa mit der Wirtschaft und den deutschen Auslandsvertretungen noch ausarbeiten.
Altmaier sagte, die Einigung werde die deutsche Wettbewerbsfähigkeit stärken, vor allem die des Mittelstands. Fehler früherer Migrationsphasen sollten vermieden werden, weil auf Deutschkenntnisse und Integrationsfähigkeit geachtet werde. "Das ist ein Schlussstrich unter eine Debatte, die ein Vierteljahrhundert die politische Debatte mitbestimmt hat."
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Auch ein Kompromiss beim "Spurwechsel"
Beim sogenannten Spurwechsel, also der Möglichkeit für Asylsuchende über einen Arbeitsvertrag ein Aufenthaltsrecht zu bekommen, gab es ebenfalls einen Kompromiss. Seehofer sagte, am Grundsatz der Trennung von Asyl und Arbeitsmigration solle festgehalten werden. Man werde aber Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die ihren Lebensunterhalt sichern können und gut integriert sind. Diese Regel sei pragmatisch und lebensnah, betonten Seehofer und Heil.
Heil betonte, es sollten nicht diejenigen in ihre Heimat zurückgeschickt werden, die in Deutschland gebraucht würden. Auch bei Geduldeten sei es wichtig, "nicht die Falschen zurückschicken".
Eine Stichtagsregelung für Personen, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Deutschland kamen, soll es nicht geben.
Lob und Kritik für Einigung
Wirtschaftsverbände begrüßten die Einigung. Die geplanten Änderungen seien "überfällig und richtig", erklärte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter. Er lobte zudem, dass die Einigung keinen "Spurwechsel" vorsieht. Die Regierung habe "endlich Handlungsfähigkeit in einem zukunftsträchtigen Politikfeld gezeigt", sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer.
AfD-Chef Alexander Gauland sprach hingegen von einer Täuschung der Bürger: "Asyl und Einwanderung werden nun bis zur Unkenntlichkeit vermischt." Der "Spurwechsel" sei beschlossen, solle aber nicht so genannt werden. Die Probleme der Einwanderungspolitik seien "nicht im Ansatz gelöst", kritisierte FDP-Chef Christian Lindner. Nötig seien schnellere Asylverfahren, ein besseres Abschiebemanagement und eineEntbürokratisierung beim Zuzug von Fachkräften.