Europawahl in Deutschland Schlappe für die Volksparteien
Jetzt ist es amtlich: Die SPD muss bei der Europawahl eine historische Niederlage einstecken. Stärkste Kraft wird zwar die Union - allerdings mit gewaltigen Verlusten gegenüber 2004. Freuen können sich die kleinen Parteien: Grüne, Linkspartei und vor allem die FDP legten kräftig zu.
Bei der EU-Wahl haben die Wähler die großen Parteien abgestraft und die kleinen Parteien gestärkt. Knapp vier Monate vor der Bundestagswahl wurde die Union laut vorläufigem amtlichen Ergebnis mit 37,9 Prozent zwar mit Abstand stärkste Kraft, muss aber ein erhebliches Minus von 6,6 Prozent gegenüber der Wahl 2004 hinnehmen. Das aktuelle Ergebnis ist das schlechteste von CDU und CSU bei einer EU-Wahl.
Ähnlich schlimm traf es die Sozialdemokraten. Hatte die SPD vor fünf Jahren als Reaktion auf die Agenda 2010 schon ihr schlechtestes Ergebnis einer Europawahl eingefahren, so verschlechterte sie sich nun noch einmal - und dies auf niedrigem Niveau. Lediglich 20,8 Prozent der Wähler gaben der SPD ihre Stimme.
Damit sank der Anteil der sogenannten Volksparteien an der Gesamtstimmenzahl auf einen historischen Tiefstand von rund 59 Prozent.
Oppositionsparteien im Aufwind
Von dieser Entwicklung profitieren die kleineren Parteien - allen voran die FDP. Sie legte um gleich 4,9 Punkte zu und sprang auf 11,0 Prozent. Wermutstropfen: Die Liberalen verfehlten ihr erklärtes Ziel, wieder drittstärkste Kraft im Parteienspektrum zu werden.
Diesen Titel können die Grünen für sich in Anspruch nehmen. Sie legten leicht auf 12,1 Prozent zu - noch nie stimmten so viele Bürger für die Partei bei einer EU-Wahl. Auch die Linkspartei schnitt so gut ab wie noch nie. Ein Plus von 1,4 Punkten bescherte ihr insgesamt 7,5 Prozent der Stimmen.
Hochzufriedene Kleine
Entsprechend groß fiel der Jubel bei den kleinen Parteien aus. FDP-Chef Guido Westerwelle zitierte die Europahymne und deklamierte "Freude, schöner Götterfunken!" Anschließend vertrat er die Ansicht, die FDP habe einen "empfindlichen Rückenwind" für eine bürgerliche Mehrheit bei der Bundestagswahl erhalten.
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth wertete das Ergebnis als "Lohn" dafür, dass die Partei Europapolitik thematisiert und auf einen vorgezogenen Bundestagswahlkampf verzichtet habe. Der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, hob den Stimmenzuwachs seiner Partei hervor, räumte zugleich aber ein, dass die Linkspartei ihre Wähler nicht im erhofften Maße habe mobilisieren können.
Große suchen nach Erklärungen
Der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier erklärte die Wahlschlappe mit innenpolitischen Gründen. Das Ergebnis bilde etwas ab, "was an Stimmung im Land da ist", sagte er in der ARD-Sendung Anne Will. Das könne man "nicht einfach wegstecken und übergehen". Die SPD werde darüber am Montag in den Gremien sprechen. Steinmeier verwies zugleich darauf, dass bei einer Bundestagswahl die Beteiligung deutlich höher sei. Deshalb sei das Ergebnis kein Fingerzeig für den September. Tatsächlich blieben nach der Analyse von Infratest dimap acht Millionen Stammwähler der Abstimmung fern. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering sprach von einem "schwierigen Abend".
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla dagegen hielt sich nicht mit den Verlusten seiner Partei auf, sondern verwies auf den Stimmenzuwachs gegenüber der Bundestagswahl. Die Bürger, so Pofalla, vertrauten Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Kaum gebremste Freude zeigte die CSU. Sie übersprang bundesweit die Fünf-Prozent-Hürde und wird auch im kommenden EU-Parlament vertreten sein. Angesichts eines Stimmenanteils von 7,5 Prozent erklärte Parteichef Horst Seehofer den Abwärtstrend der Christsozialen für beendet: "Die CSU ist wieder da", rief er in München aus. Die Christsozialen hatten nach dem Debakel bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr befürchtet, erneut vom Wähler abgestraft zu werden.
99 Abgeordnete aus Deutschland
Im EU-Parlament ist die CDU nach derzeitigem Stand künftig mit 34 Abgeordneten vertreten; die Fraktion der Europäischen Volkspartei wird ergänzt durch acht Abgeordnete der CSU. Die SPD stellt künftig 23 Abgeordnete. Die Grünen entsenden 13 Abgeordnete und damit einen mehr als die FDP. Die Partei Die Linke vertreten künftig neun Abgeordnete.
Befürchtungen, die Wahlbeteiligung werde abermals auf ein Rekordtief sinken, erfüllten sich nicht. Mit 43,3 Prozent aller Wahlberechtigten gingen etwas mehr Bürger an die Urnen als 2004.
Zur Wahl aufgerufen waren rund 62 Millionen Stimmberechtigte. Auch 2,1 Millionen EU-Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland waren zur Stimmabgabe aufgerufen.